Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Laß das Trauern.
Laß, mein Herz, das bange Trauern
Um vergang'nes Erdenglück,
Ach, von diesen Felsenmauern
Schweifet nur umsonst der Blick!
Sind denn alle fortgegangen:
Jugend, Sang und Frühlingslust?
Lassen, scheidend, nur Verlangen
Einsam mir in meiner Brust?
Vöglein hoch in Lüften reisen,
Schiffe fahren auf der See,
Ihre Seegel, ihre Weisen
Mehren nur des Herzens Weh.
Ist vorbei das bunte Ziehen,
Lustig über Berg und Kluft,
Wenn die Bilder wechselnd fliehen,
Waldhorn immer weiter ruft?
Soll die Lieb' auf sonn'gen Matten
Nicht mehr bau'n ihr prächtig Zelt,
Uebergolden Wald und Schatten
Und die weite, schöne Welt? --
Laß das Bangen, laß das Trauern,
Helle wieder nur den Blick!
Fern von dieser Felsen Mauern,
Blüht Dir noch gar manches Glück!

Laß das Trauern.
Laß, mein Herz, das bange Trauern
Um vergang'nes Erdengluͤck,
Ach, von dieſen Felſenmauern
Schweifet nur umſonſt der Blick!
Sind denn alle fortgegangen:
Jugend, Sang und Fruͤhlingsluſt?
Laſſen, ſcheidend, nur Verlangen
Einſam mir in meiner Bruſt?
Voͤglein hoch in Luͤften reiſen,
Schiffe fahren auf der See,
Ihre Seegel, ihre Weiſen
Mehren nur des Herzens Weh.
Iſt vorbei das bunte Ziehen,
Luſtig uͤber Berg und Kluft,
Wenn die Bilder wechſelnd fliehen,
Waldhorn immer weiter ruft?
Soll die Lieb' auf ſonn'gen Matten
Nicht mehr bau'n ihr praͤchtig Zelt,
Uebergolden Wald und Schatten
Und die weite, ſchoͤne Welt? —
Laß das Bangen, laß das Trauern,
Helle wieder nur den Blick!
Fern von dieſer Felſen Mauern,
Bluͤht Dir noch gar manches Gluͤck!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0104" n="86"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Laß das Trauern</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">L</hi>aß, mein Herz, das bange Trauern</l><lb/>
              <l>Um vergang'nes Erdenglu&#x0364;ck,</l><lb/>
              <l>Ach, von die&#x017F;en Fel&#x017F;enmauern</l><lb/>
              <l>Schweifet nur um&#x017F;on&#x017F;t der Blick!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Sind denn alle fortgegangen:</l><lb/>
              <l>Jugend, Sang und Fru&#x0364;hlingslu&#x017F;t?</l><lb/>
              <l>La&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;cheidend, nur Verlangen</l><lb/>
              <l>Ein&#x017F;am mir in meiner Bru&#x017F;t?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Vo&#x0364;glein hoch in Lu&#x0364;ften rei&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Schiffe fahren auf der See,</l><lb/>
              <l>Ihre Seegel, ihre Wei&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Mehren nur des Herzens Weh.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>I&#x017F;t vorbei das bunte Ziehen,</l><lb/>
              <l>Lu&#x017F;tig u&#x0364;ber Berg und Kluft,</l><lb/>
              <l>Wenn die Bilder wech&#x017F;elnd fliehen,</l><lb/>
              <l>Waldhorn immer weiter ruft?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Soll die Lieb' auf &#x017F;onn'gen Matten</l><lb/>
              <l>Nicht mehr bau'n ihr pra&#x0364;chtig Zelt,</l><lb/>
              <l>Uebergolden Wald und Schatten</l><lb/>
              <l>Und die weite, &#x017F;cho&#x0364;ne Welt? &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Laß das Bangen, laß das Trauern,</l><lb/>
              <l>Helle wieder nur den Blick!</l><lb/>
              <l>Fern von die&#x017F;er Fel&#x017F;en Mauern,</l><lb/>
              <l>Blu&#x0364;ht Dir noch gar manches Glu&#x0364;ck!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0104] Laß das Trauern. Laß, mein Herz, das bange Trauern Um vergang'nes Erdengluͤck, Ach, von dieſen Felſenmauern Schweifet nur umſonſt der Blick! Sind denn alle fortgegangen: Jugend, Sang und Fruͤhlingsluſt? Laſſen, ſcheidend, nur Verlangen Einſam mir in meiner Bruſt? Voͤglein hoch in Luͤften reiſen, Schiffe fahren auf der See, Ihre Seegel, ihre Weiſen Mehren nur des Herzens Weh. Iſt vorbei das bunte Ziehen, Luſtig uͤber Berg und Kluft, Wenn die Bilder wechſelnd fliehen, Waldhorn immer weiter ruft? Soll die Lieb' auf ſonn'gen Matten Nicht mehr bau'n ihr praͤchtig Zelt, Uebergolden Wald und Schatten Und die weite, ſchoͤne Welt? — Laß das Bangen, laß das Trauern, Helle wieder nur den Blick! Fern von dieſer Felſen Mauern, Bluͤht Dir noch gar manches Gluͤck!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/104
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/104>, abgerufen am 31.10.2024.