Von feiner Leinwand lassen sie sich Hemden und Hosen machen, welche letzteren sie gleich den Röcken mit Seide wohl durchnähen. Um die Schultern wallen ihnen neue buntverzierte Mäntel. Ihr Haar lassen sie lang wachsen und in schönen, geringelten Locken breit um die Schultern fließen. Zu alledem tragen sie an der Seite lange Schwerter, an den Füßen Sporen und an den Händen Handschuhe, die sie ritterlich gegen den Ellbogen zu dem Arm hinaufziehen. Die kostbare Haube des Meiersohns Helm- brecht ist schon oben beschrieben worden. Die Heimath dieses Stutzers war dieselbe Gegend, deren Ueppigkeit Nithart schildert. Da er hinauszieht zu seinem vermeintlich adeligen Räuberleben, läßt er sich von Mutter und Schwester in geckenhaft höfischer Weise ausrüsten. "Seine Leinwand war von der feinsten Art; sieben Weber waren dem Gewebe entronnen, ehe es fertig war, so fein war es. Sein Rock vom besten Wollstoff war mit weißem Pelzwerk gefüttert; der Oberrock vom feinsten blauen Tuch war am Rückgrat vom Nacken bis zum Gürtel mit dicht an einander gereihten, roth vergoldeten Knöpfen besetzt, und ebenso stand eine gleiche Reihe silberner vorn auf der Brust vom Halse bis zur Gürtelschnalle herab. Sein Rock war oben mit drei Krystallknö- pfen geschlossen und ganz mit Knöpfen aller Farben besäet, gelb, braun, grün, blau, roth, schwarz und weiß, die leuchteten, daß er von Frauen und Mädchen gar minniglich angesehen wurde, wenn er beim Tanze ging. Die Naht, womit die Aermel an den Schultern befestigt waren, war um und um behangen mit Schel- len, die hörte man laut erklingen, wenn er im Reihen sprang; den Frauen drang es durch die Ohren." Die schön gestickte Haube auf dem langen blonden Lockenhaar, feine Beinkleider und Stie- fel von Korduanleder vollendeten das Bild. Man erkennt we- nigstens aus dieser, wie immer auch übertriebenen Schilderung, in welcher Art und in welchem Sinne ein ungebildeter Stutzer jener Zeit den "Löwen" zu spielen suchte.
Mit der Anschuldigung Nitharts stimmt das Bild überein, welches in der Manessischen Handschrift den Liedern dieses Dich- ters beigefügt ist. Der ritterliche Sänger ist umdrängt von vier
II. Das Mittelalter.
Von feiner Leinwand laſſen ſie ſich Hemden und Hoſen machen, welche letzteren ſie gleich den Röcken mit Seide wohl durchnähen. Um die Schultern wallen ihnen neue buntverzierte Mäntel. Ihr Haar laſſen ſie lang wachſen und in ſchönen, geringelten Locken breit um die Schultern fließen. Zu alledem tragen ſie an der Seite lange Schwerter, an den Füßen Sporen und an den Händen Handſchuhe, die ſie ritterlich gegen den Ellbogen zu dem Arm hinaufziehen. Die koſtbare Haube des Meierſohns Helm- brecht iſt ſchon oben beſchrieben worden. Die Heimath dieſes Stutzers war dieſelbe Gegend, deren Ueppigkeit Nithart ſchildert. Da er hinauszieht zu ſeinem vermeintlich adeligen Räuberleben, läßt er ſich von Mutter und Schweſter in geckenhaft höfiſcher Weiſe ausrüſten. „Seine Leinwand war von der feinſten Art; ſieben Weber waren dem Gewebe entronnen, ehe es fertig war, ſo fein war es. Sein Rock vom beſten Wollſtoff war mit weißem Pelzwerk gefüttert; der Oberrock vom feinſten blauen Tuch war am Rückgrat vom Nacken bis zum Gürtel mit dicht an einander gereihten, roth vergoldeten Knöpfen beſetzt, und ebenſo ſtand eine gleiche Reihe ſilberner vorn auf der Bruſt vom Halſe bis zur Gürtelſchnalle herab. Sein Rock war oben mit drei Kryſtallknö- pfen geſchloſſen und ganz mit Knöpfen aller Farben beſäet, gelb, braun, grün, blau, roth, ſchwarz und weiß, die leuchteten, daß er von Frauen und Mädchen gar minniglich angeſehen wurde, wenn er beim Tanze ging. Die Naht, womit die Aermel an den Schultern befeſtigt waren, war um und um behangen mit Schel- len, die hörte man laut erklingen, wenn er im Reihen ſprang; den Frauen drang es durch die Ohren.“ Die ſchön geſtickte Haube auf dem langen blonden Lockenhaar, feine Beinkleider und Stie- fel von Korduanleder vollendeten das Bild. Man erkennt we- nigſtens aus dieſer, wie immer auch übertriebenen Schilderung, in welcher Art und in welchem Sinne ein ungebildeter Stutzer jener Zeit den „Löwen“ zu ſpielen ſuchte.
Mit der Anſchuldigung Nitharts ſtimmt das Bild überein, welches in der Maneſſiſchen Handſchrift den Liedern dieſes Dich- ters beigefügt iſt. Der ritterliche Sänger iſt umdrängt von vier
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II. Das Mittelalter.
Von feiner Leinwand laſſen ſie ſich Hemden und Hoſen machen,
welche letzteren ſie gleich den Röcken mit Seide wohl durchnähen.
Um die Schultern wallen ihnen neue buntverzierte Mäntel. Ihr
Haar laſſen ſie lang wachſen und in ſchönen, geringelten Locken
breit um die Schultern fließen. Zu alledem tragen ſie an der
Seite lange Schwerter, an den Füßen Sporen und an den
Händen Handſchuhe, die ſie ritterlich gegen den Ellbogen zu dem
Arm hinaufziehen. Die koſtbare Haube des Meierſohns Helm-
brecht iſt ſchon oben beſchrieben worden. Die Heimath dieſes
Stutzers war dieſelbe Gegend, deren Ueppigkeit Nithart ſchildert.
Da er hinauszieht zu ſeinem vermeintlich adeligen Räuberleben,
läßt er ſich von Mutter und Schweſter in geckenhaft höfiſcher
Weiſe ausrüſten. „Seine Leinwand war von der feinſten Art;
ſieben Weber waren dem Gewebe entronnen, ehe es fertig war,
ſo fein war es. Sein Rock vom beſten Wollſtoff war mit weißem
Pelzwerk gefüttert; der Oberrock vom feinſten blauen Tuch war
am Rückgrat vom Nacken bis zum Gürtel mit dicht an einander
gereihten, roth vergoldeten Knöpfen beſetzt, und ebenſo ſtand eine
gleiche Reihe ſilberner vorn auf der Bruſt vom Halſe bis zur
Gürtelſchnalle herab. Sein Rock war oben mit drei Kryſtallknö-
pfen geſchloſſen und ganz mit Knöpfen aller Farben beſäet, gelb,
braun, grün, blau, roth, ſchwarz und weiß, die leuchteten, daß
er von Frauen und Mädchen gar minniglich angeſehen wurde,
wenn er beim Tanze ging. Die Naht, womit die Aermel an den
Schultern befeſtigt waren, war um und um behangen mit Schel-
len, die hörte man laut erklingen, wenn er im Reihen ſprang;
den Frauen drang es durch die Ohren.“ Die ſchön geſtickte Haube
auf dem langen blonden Lockenhaar, feine Beinkleider und Stie-
fel von Korduanleder vollendeten das Bild. Man erkennt we-
nigſtens aus dieſer, wie immer auch übertriebenen Schilderung,
in welcher Art und in welchem Sinne ein ungebildeter Stutzer
jener Zeit den „Löwen“ zu ſpielen ſuchte.
Mit der Anſchuldigung Nitharts ſtimmt das Bild überein,
welches in der Maneſſiſchen Handſchrift den Liedern dieſes Dich-
ters beigefügt iſt. Der ritterliche Sänger iſt umdrängt von vier
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/174>, abgerufen am 14.06.2024.
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