bringen die Bildung, die jeder nach seiner Indi- vidualität, in seinem Stande, erwerben konnte, auf einen Haufen. Jeder bringt und giebt, was er hat: der denkende Kopf, bestimmte und klare Begriffe, der handelnde Mann Fertigkeit und Leichtigkeit in der Kunst des Lebens, der Reli- giöse seinen religiösen Sinn, der Künstler seinen künstlerischen Enthusiasmus. Aber keiner giebt es auf dieselbe Weise, wie er es in seinem Stande erhalten hat und in seinem Stande fortpflanzen würde. Jeder läßt gleichsam das Einzelne und Specielle liegen, und holt das heraus, was es als Resultat in seinem Innern gewirkt hat; er bestrebt sich, seinen Beitrag so zu geben, daß er an jedes Mitglied der Gesellschaft gelangen könne; und die ganze Gesellschaft bemüht sich, dieses sein Bestreben zu unterstützen und eben dadurch seiner bisher einseitigen Bildung allgemeine Brauchbar- keit und Allseitigkeit zu geben. In dieser Ver- bindung empfängt jeder in demselben Maaße, als er giebt; grade dadurch, daß er giebt, wird ihm gegeben, nehmlich die Fertigkeit, geben zu können.
Halte dies Bild fest in Deiner Seele, Kon- stant! und es werden sich Dir entzückende Aus- sichten über die Wirksamkeit einer solchen Gesell- schaft eröffnen. Lebe wohl.
bringen die Bildung, die jeder nach ſeiner Indi- vidualitaͤt, in ſeinem Stande, erwerben konnte, auf einen Haufen. Jeder bringt und giebt, was er hat: der denkende Kopf, beſtimmte und klare Begriffe, der handelnde Mann Fertigkeit und Leichtigkeit in der Kunſt des Lebens, der Reli- gioͤſe ſeinen religioͤſen Sinn, der Kuͤnſtler ſeinen kuͤnſtleriſchen Enthuſiasmus. Aber keiner giebt es auf dieſelbe Weiſe, wie er es in ſeinem Stande erhalten hat und in ſeinem Stande fortpflanzen wuͤrde. Jeder laͤßt gleichſam das Einzelne und Specielle liegen, und holt das heraus, was es als Reſultat in ſeinem Innern gewirkt hat; er beſtrebt ſich, ſeinen Beitrag ſo zu geben, daß er an jedes Mitglied der Geſellſchaft gelangen koͤnne; und die ganze Geſellſchaft bemuͤht ſich, dieſes ſein Beſtreben zu unterſtuͤtzen und eben dadurch ſeiner bisher einſeitigen Bildung allgemeine Brauchbar- keit und Allſeitigkeit zu geben. In dieſer Ver- bindung empfaͤngt jeder in demſelben Maaße, als er giebt; grade dadurch, daß er giebt, wird ihm gegeben, nehmlich die Fertigkeit, geben zu koͤnnen.
Halte dies Bild feſt in Deiner Seele, Kon- ſtant! und es werden ſich Dir entzuͤckende Aus- ſichten uͤber die Wirkſamkeit einer ſolchen Geſell- ſchaft eroͤffnen. Lebe wohl.
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bringen die Bildung, die jeder nach ſeiner Indi-
vidualitaͤt, in ſeinem Stande, erwerben konnte,
auf einen Haufen. Jeder bringt und giebt, was
er hat: der denkende Kopf, beſtimmte und klare
Begriffe, der handelnde Mann Fertigkeit und
Leichtigkeit in der Kunſt des Lebens, der Reli-
gioͤſe ſeinen religioͤſen Sinn, der Kuͤnſtler ſeinen
kuͤnſtleriſchen Enthuſiasmus. Aber keiner giebt es
auf dieſelbe Weiſe, wie er es in ſeinem Stande
erhalten hat und in ſeinem Stande fortpflanzen
wuͤrde. Jeder laͤßt gleichſam das Einzelne und
Specielle liegen, und holt das heraus, was es
als Reſultat in ſeinem Innern gewirkt hat; er
beſtrebt ſich, ſeinen Beitrag ſo zu geben, daß er
an jedes Mitglied der Geſellſchaft gelangen koͤnne;
und die ganze Geſellſchaft bemuͤht ſich, dieſes ſein
Beſtreben zu unterſtuͤtzen und eben dadurch ſeiner
bisher einſeitigen Bildung allgemeine Brauchbar-
keit und Allſeitigkeit zu geben. In dieſer Ver-
bindung empfaͤngt jeder in demſelben Maaße, als
er giebt; grade dadurch, daß er giebt, wird ihm
gegeben, nehmlich die Fertigkeit, geben zu koͤnnen.
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/56>, abgerufen am 16.06.2024.
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