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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Fischerkähnen verborgen gelegen, die der Junker vom Regimente
von Kalkstein als Miethstruppe für diesen Tag angeworben und
von seinem Taschengelde bezahlt hatte. Es waren Fischerkähne aus
Alten-Friesack, 24 an der Zahl. In langer Linie kamen sie jetzt
aus dem Schilf hervor, jeder eine Laterne hoch am Mast, und
legten sich quer über den See. Das Lampenlicht war hell genug,
die Fischergestalten zu zeigen, wie sie da standen mit vorgehaltenem
Ruder, bereit, jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Die Wustrau'schen
machten gute Miene zum bösen Spiel und sprangen lachend an's
Ufer. Nie wurden Gefangene schmeichelhafter begrüßt. Als sie in
den Park traten, sahen sie dicht vor dem Herrenhause eine Ehren-
pforte errichtet, an deren Spitze das von Lichtern umgebene Bild
des alten Zieten leuchtete, darunter die Unterschrift: Voila notre
modele.
Am andern Tage erhielt der Junker v. d. Knesebeck eine
Einladung nach Wustrau. Der alte 86jährige Zieten, der gemein-
hin einen grauleinenen Kittel zu tragen pflegte, saß heut in voller
Uniform auf seinem Lehnstuhl und rief den eintretenden Junker
zu sich heran: "Komm her, mein Sohn, und küsse mich. Werde
so ein braver Mann wie Dein Vater." Der Junker trat heran
und bückte sich, um dem Alten die Hand zu küssen. Dieser aber
legte beide Hände auf den Kopf des Junkers und sprach bewegt:
"Gott segne Dich!" --

Das ist die Geschichte von der Seeschlacht bei Carwe; sie
kann es aufnehmen mit manchem großen Sieg. Wer aber am
Ruppiner See zu Hause ist, den freut es zu sehen, was in Dorf
und Stadt auf seinem schmalen Uferstreifen an Männern alles
gewachsen ist. Welche auf- und niedergehenden Sterne trafen eben
damals an den Ufern dieses See's zusammen! In seinem Lehn-
stuhl Zieten, der Lieblingsheld unseres Volks, und vor ihm ge-
bückt jener Knesebeck, der 30 Jahre später den siegreichen Ge-
danken gebar, daß der Welteroberer, der durch keine menschliche
Kraft zu besiegende Gegner, nur durch die stille Macht des Rau-
mes, d. h. durch einen Russischen Krieg, zu vernichten sei. Um
dieselbe Stunde aber, wo der Junker vom Regiment von Kalk-

Fiſcherkähnen verborgen gelegen, die der Junker vom Regimente
von Kalkſtein als Miethstruppe für dieſen Tag angeworben und
von ſeinem Taſchengelde bezahlt hatte. Es waren Fiſcherkähne aus
Alten-Frieſack, 24 an der Zahl. In langer Linie kamen ſie jetzt
aus dem Schilf hervor, jeder eine Laterne hoch am Maſt, und
legten ſich quer über den See. Das Lampenlicht war hell genug,
die Fiſchergeſtalten zu zeigen, wie ſie da ſtanden mit vorgehaltenem
Ruder, bereit, jeden Fluchtverſuch zu vereiteln. Die Wuſtrau’ſchen
machten gute Miene zum böſen Spiel und ſprangen lachend an’s
Ufer. Nie wurden Gefangene ſchmeichelhafter begrüßt. Als ſie in
den Park traten, ſahen ſie dicht vor dem Herrenhauſe eine Ehren-
pforte errichtet, an deren Spitze das von Lichtern umgebene Bild
des alten Zieten leuchtete, darunter die Unterſchrift: Voilà notre
modèle.
Am andern Tage erhielt der Junker v. d. Kneſebeck eine
Einladung nach Wuſtrau. Der alte 86jährige Zieten, der gemein-
hin einen grauleinenen Kittel zu tragen pflegte, ſaß heut in voller
Uniform auf ſeinem Lehnſtuhl und rief den eintretenden Junker
zu ſich heran: „Komm her, mein Sohn, und küſſe mich. Werde
ſo ein braver Mann wie Dein Vater.“ Der Junker trat heran
und bückte ſich, um dem Alten die Hand zu küſſen. Dieſer aber
legte beide Hände auf den Kopf des Junkers und ſprach bewegt:
„Gott ſegne Dich!“ —

Das iſt die Geſchichte von der Seeſchlacht bei Carwe; ſie
kann es aufnehmen mit manchem großen Sieg. Wer aber am
Ruppiner See zu Hauſe iſt, den freut es zu ſehen, was in Dorf
und Stadt auf ſeinem ſchmalen Uferſtreifen an Männern alles
gewachſen iſt. Welche auf- und niedergehenden Sterne trafen eben
damals an den Ufern dieſes See’s zuſammen! In ſeinem Lehn-
ſtuhl Zieten, der Lieblingsheld unſeres Volks, und vor ihm ge-
bückt jener Kneſebeck, der 30 Jahre ſpäter den ſiegreichen Ge-
danken gebar, daß der Welteroberer, der durch keine menſchliche
Kraft zu beſiegende Gegner, nur durch die ſtille Macht des Rau-
mes, d. h. durch einen Ruſſiſchen Krieg, zu vernichten ſei. Um
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[16/0034] Fiſcherkähnen verborgen gelegen, die der Junker vom Regimente von Kalkſtein als Miethstruppe für dieſen Tag angeworben und von ſeinem Taſchengelde bezahlt hatte. Es waren Fiſcherkähne aus Alten-Frieſack, 24 an der Zahl. In langer Linie kamen ſie jetzt aus dem Schilf hervor, jeder eine Laterne hoch am Maſt, und legten ſich quer über den See. Das Lampenlicht war hell genug, die Fiſchergeſtalten zu zeigen, wie ſie da ſtanden mit vorgehaltenem Ruder, bereit, jeden Fluchtverſuch zu vereiteln. Die Wuſtrau’ſchen machten gute Miene zum böſen Spiel und ſprangen lachend an’s Ufer. Nie wurden Gefangene ſchmeichelhafter begrüßt. Als ſie in den Park traten, ſahen ſie dicht vor dem Herrenhauſe eine Ehren- pforte errichtet, an deren Spitze das von Lichtern umgebene Bild des alten Zieten leuchtete, darunter die Unterſchrift: Voilà notre modèle. Am andern Tage erhielt der Junker v. d. Kneſebeck eine Einladung nach Wuſtrau. Der alte 86jährige Zieten, der gemein- hin einen grauleinenen Kittel zu tragen pflegte, ſaß heut in voller Uniform auf ſeinem Lehnſtuhl und rief den eintretenden Junker zu ſich heran: „Komm her, mein Sohn, und küſſe mich. Werde ſo ein braver Mann wie Dein Vater.“ Der Junker trat heran und bückte ſich, um dem Alten die Hand zu küſſen. Dieſer aber legte beide Hände auf den Kopf des Junkers und ſprach bewegt: „Gott ſegne Dich!“ — Das iſt die Geſchichte von der Seeſchlacht bei Carwe; ſie kann es aufnehmen mit manchem großen Sieg. Wer aber am Ruppiner See zu Hauſe iſt, den freut es zu ſehen, was in Dorf und Stadt auf ſeinem ſchmalen Uferſtreifen an Männern alles gewachſen iſt. Welche auf- und niedergehenden Sterne trafen eben damals an den Ufern dieſes See’s zuſammen! In ſeinem Lehn- ſtuhl Zieten, der Lieblingsheld unſeres Volks, und vor ihm ge- bückt jener Kneſebeck, der 30 Jahre ſpäter den ſiegreichen Ge- danken gebar, daß der Welteroberer, der durch keine menſchliche Kraft zu beſiegende Gegner, nur durch die ſtille Macht des Rau- mes, d. h. durch einen Ruſſiſchen Krieg, zu vernichten ſei. Um dieſelbe Stunde aber, wo der Junker vom Regiment von Kalk-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/34>, abgerufen am 10.11.2024.