deutlich zu erkennen, trotzdem das Strauchwerk jener Jahre mittler- weile zu stattlichen Weißbuchen aufgewachsen ist. Das Ganze eine wieder freigewordene, aus Zwang und Fesseln erlöste Natur!
Die Dorfbevölkerung nahm theils zuschauend, theils activ an diesen Scenen Theil, was auf den ersten Blick viel Anheimelndes und Bestechendes hatte. Sehr bald indessen stellte sich's heraus, daß Arbeitslust und Sitte zurückgingen und daß dem Dorfe kein Segen daraus erwuchs, als Landschaft und Staffage für das Ver- gnügen vornehmer Leute gedient zu haben.
Harmloser war der alljährlich wiederkehrende "Erntekranz." Dann wurd' ein Jahrmarkt abgehalten, unter den Bäumen des Parks gegessen und getanzt, und an den Buden, natürlich ohne Einsatz, gewürfelt und gewonnen.
Ein kleines, sehr hübsches Mädchen aus dem Dorfe war das Pathchen und der Liebling der Prinzessin, die Puppe, mit der sie spielte. War die Prinzessin bei Tafel allein, so wurd' an einem kleinen Tische daneben für das Kind gedeckt und kam Besuch, so war "Pathchen" -- wie der Kakadu oder der Bologneser -- der immer beachtete Gegenstand, an den sich alle Zärtlichkeiten der Gäste richteten.
Die Prinzessin galt für sehr reich; es hieß, daß sie täglich 1500 Thlr. verausgabe. War dem wirklich so, so war es Bariatinski- sches Vermögen. Außer Friedrichsfelde besaß sie, in Berlin selbst, ein Haus am Pariser Platz, das jetzige französische Gesandtschafts- Hotel.
Sie starb, wie schon Eingangs hervorgehoben, im Winter 1811 auf 12 und ihre Leiche sollte nach Rußland, entweder auf die Bariatinskischen oder die Holstein-Beckschen Güter geschafft werden. Die Friedrichsfelder waren zum Transport um so lieber bereit, als ihnen für die Fahrt bis Memel (dort wartete russisches Fuhr- werk) 400 Thlr. geboten wurden. Es zerschlug sich aber wieder und kam statt dessen zu einem Pakt mit jener moskau-astrachani- schen Karawane, die damals alljährlich, in den ersten Winter- Monaten, Caviar nach Berlin zu bringen pflegte. Dies waren in der Regel 50 Schlitten, jeder mit einem Pferd und am Hals jedes Pferdes ein Glöckchen. Auf den vordersten dieser Schlitten wurde, bei der Rückfahrt, der Sarg gestellt, und die lange Karawane
Fontane, Wanderungen. IV. 10
deutlich zu erkennen, trotzdem das Strauchwerk jener Jahre mittler- weile zu ſtattlichen Weißbuchen aufgewachſen iſt. Das Ganze eine wieder freigewordene, aus Zwang und Feſſeln erlöſte Natur!
Die Dorfbevölkerung nahm theils zuſchauend, theils activ an dieſen Scenen Theil, was auf den erſten Blick viel Anheimelndes und Beſtechendes hatte. Sehr bald indeſſen ſtellte ſich’s heraus, daß Arbeitsluſt und Sitte zurückgingen und daß dem Dorfe kein Segen daraus erwuchs, als Landſchaft und Staffage für das Ver- gnügen vornehmer Leute gedient zu haben.
Harmloſer war der alljährlich wiederkehrende „Erntekranz.“ Dann wurd’ ein Jahrmarkt abgehalten, unter den Bäumen des Parks gegeſſen und getanzt, und an den Buden, natürlich ohne Einſatz, gewürfelt und gewonnen.
Ein kleines, ſehr hübſches Mädchen aus dem Dorfe war das Pathchen und der Liebling der Prinzeſſin, die Puppe, mit der ſie ſpielte. War die Prinzeſſin bei Tafel allein, ſo wurd’ an einem kleinen Tiſche daneben für das Kind gedeckt und kam Beſuch, ſo war „Pathchen“ — wie der Kakadu oder der Bologneſer — der immer beachtete Gegenſtand, an den ſich alle Zärtlichkeiten der Gäſte richteten.
Die Prinzeſſin galt für ſehr reich; es hieß, daß ſie täglich 1500 Thlr. verausgabe. War dem wirklich ſo, ſo war es Bariatinski- ſches Vermögen. Außer Friedrichsfelde beſaß ſie, in Berlin ſelbſt, ein Haus am Pariſer Platz, das jetzige franzöſiſche Geſandtſchafts- Hotel.
Sie ſtarb, wie ſchon Eingangs hervorgehoben, im Winter 1811 auf 12 und ihre Leiche ſollte nach Rußland, entweder auf die Bariatinskiſchen oder die Holſtein-Beckſchen Güter geſchafft werden. Die Friedrichsfelder waren zum Transport um ſo lieber bereit, als ihnen für die Fahrt bis Memel (dort wartete ruſſiſches Fuhr- werk) 400 Thlr. geboten wurden. Es zerſchlug ſich aber wieder und kam ſtatt deſſen zu einem Pakt mit jener moskau-aſtrachani- ſchen Karawane, die damals alljährlich, in den erſten Winter- Monaten, Caviar nach Berlin zu bringen pflegte. Dies waren in der Regel 50 Schlitten, jeder mit einem Pferd und am Hals jedes Pferdes ein Glöckchen. Auf den vorderſten dieſer Schlitten wurde, bei der Rückfahrt, der Sarg geſtellt, und die lange Karawane
Fontane, Wanderungen. IV. 10
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deutlich zu erkennen, trotzdem das Strauchwerk jener Jahre mittler-
weile zu ſtattlichen Weißbuchen aufgewachſen iſt. Das Ganze eine
wieder freigewordene, aus Zwang und Feſſeln erlöſte Natur!
Die Dorfbevölkerung nahm theils zuſchauend, theils activ an
dieſen Scenen Theil, was auf den erſten Blick viel Anheimelndes
und Beſtechendes hatte. Sehr bald indeſſen ſtellte ſich’s heraus,
daß Arbeitsluſt und Sitte zurückgingen und daß dem Dorfe kein
Segen daraus erwuchs, als Landſchaft und Staffage für das Ver-
gnügen vornehmer Leute gedient zu haben.
Harmloſer war der alljährlich wiederkehrende „Erntekranz.“
Dann wurd’ ein Jahrmarkt abgehalten, unter den Bäumen des
Parks gegeſſen und getanzt, und an den Buden, natürlich ohne
Einſatz, gewürfelt und gewonnen.
Ein kleines, ſehr hübſches Mädchen aus dem Dorfe war das
Pathchen und der Liebling der Prinzeſſin, die Puppe, mit der ſie
ſpielte. War die Prinzeſſin bei Tafel allein, ſo wurd’ an einem
kleinen Tiſche daneben für das Kind gedeckt und kam Beſuch,
ſo war „Pathchen“ — wie der Kakadu oder der Bologneſer —
der immer beachtete Gegenſtand, an den ſich alle Zärtlichkeiten der
Gäſte richteten.
Die Prinzeſſin galt für ſehr reich; es hieß, daß ſie täglich
1500 Thlr. verausgabe. War dem wirklich ſo, ſo war es Bariatinski-
ſches Vermögen. Außer Friedrichsfelde beſaß ſie, in Berlin ſelbſt,
ein Haus am Pariſer Platz, das jetzige franzöſiſche Geſandtſchafts-
Hotel.
Sie ſtarb, wie ſchon Eingangs hervorgehoben, im Winter 1811
auf 12 und ihre Leiche ſollte nach Rußland, entweder auf die
Bariatinskiſchen oder die Holſtein-Beckſchen Güter geſchafft werden.
Die Friedrichsfelder waren zum Transport um ſo lieber bereit,
als ihnen für die Fahrt bis Memel (dort wartete ruſſiſches Fuhr-
werk) 400 Thlr. geboten wurden. Es zerſchlug ſich aber wieder
und kam ſtatt deſſen zu einem Pakt mit jener moskau-aſtrachani-
ſchen Karawane, die damals alljährlich, in den erſten Winter-
Monaten, Caviar nach Berlin zu bringen pflegte. Dies waren in
der Regel 50 Schlitten, jeder mit einem Pferd und am Hals
jedes Pferdes ein Glöckchen. Auf den vorderſten dieſer Schlitten
wurde, bei der Rückfahrt, der Sarg geſtellt, und die lange Karawane
Fontane, Wanderungen. IV. 10
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/161>, abgerufen am 31.10.2024.
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