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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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bei Prenzlau; im Mai trafen sich die jungen Brautleute in Berlin,
wo neun Söhne (darunter bereits drei Pastoren) eine Tochter
und drei Schwiegertöchter des alten Pastors Woltersdorf sich zur
Hochzeitsfeier versammelt hatten. Der Vater segnete das Paar
ein, das bald darauf in die Bunzlauer Pfarrwohnung einzog.

Die junge Frau brachte Glück und empfig es. Aber die
Flitterwochen müssen doch anders gewesen sein, wie heutzutage
Flitterwochen zu sein pflegen. Alles junge Glück der Liebe schloß
eine immer wachsende geistliche und geistige Thätigkeit so wenig
aus, daß im Jahre 1751 bereits zwei starke Bände "Evangelische
Psalmen" vorlagen, die Zeugniß ablegten von dem schöpferischen
Drang des jungen Geistlichen. Sie waren, beinah 200 an der
Zahl, mit nur wenig Ausnahmen ein Product der letzten drei
Jahre. Ueber die Art, wie dieselben entstanden, lassen wir ihn
selber sprechen:

"Was den Ursprung dieser Lieder betrifft, so kann ich wohl
mit Wahrheit sagen: ich habe sie von dem Herrn empfangen.
Sonst würd ich auch in meinem Gewissen keine Freiheit haben sie
drucken zu lassen ... Gott hat mir von Natur eine Neigung
zur Poesie gegeben. Schon in meiner Kindheit fing ich an Verse
zu machen. Aber erst als ich des seligen Lehr und nach einiger
Zeit auch des seligen Lau Leben und letzte Stunden in die Hände
bekam, ging etwas in mir vor. Von dieser Zeit an ist der Trieb,
dem Herrn Lieder zu dichten, in mir recht aufgewachet. Ja er ist
von Zeit zu Zeit immer stärker worden, daß er sich auch beson-
ders in meinem Amt, in welchem ihn die vielen überhäuften Ge-
schäfte sonst hätten ersticken müssen, so vermehret hat, daß ich oft
selbst nicht gewußt, wie es zugegangen. Ich kann nichts anders
sagen, als daß ich's für eine augenscheinliche Erhöhung meines
Gebets
ansehen muß.

"Oft hab ich an nichts weniger gedacht, als Verse zu machen.
Aber es fiel mir plötzlich ins Gemüth, und regte sich ein Trieb,
daß ich die Feder ergreifen mußte. Ein andermal hatt ich keine
Lust; aber es war, als müßt ich wider Willen schreiben. Zuwei-
len war ich von vieler Arbeit ganz entkräftet, allein es wurde mir
eine Materie so lebendig und floß so ungezwungen und ohne
Müh in die Feder, daß es schien, ich könnte das Schreiben nicht

bei Prenzlau; im Mai trafen ſich die jungen Brautleute in Berlin,
wo neun Söhne (darunter bereits drei Paſtoren) eine Tochter
und drei Schwiegertöchter des alten Paſtors Woltersdorf ſich zur
Hochzeitsfeier verſammelt hatten. Der Vater ſegnete das Paar
ein, das bald darauf in die Bunzlauer Pfarrwohnung einzog.

Die junge Frau brachte Glück und empfig es. Aber die
Flitterwochen müſſen doch anders geweſen ſein, wie heutzutage
Flitterwochen zu ſein pflegen. Alles junge Glück der Liebe ſchloß
eine immer wachſende geiſtliche und geiſtige Thätigkeit ſo wenig
aus, daß im Jahre 1751 bereits zwei ſtarke Bände „Evangeliſche
Pſalmen“ vorlagen, die Zeugniß ablegten von dem ſchöpferiſchen
Drang des jungen Geiſtlichen. Sie waren, beinah 200 an der
Zahl, mit nur wenig Ausnahmen ein Product der letzten drei
Jahre. Ueber die Art, wie dieſelben entſtanden, laſſen wir ihn
ſelber ſprechen:

„Was den Urſprung dieſer Lieder betrifft, ſo kann ich wohl
mit Wahrheit ſagen: ich habe ſie von dem Herrn empfangen.
Sonſt würd ich auch in meinem Gewiſſen keine Freiheit haben ſie
drucken zu laſſen … Gott hat mir von Natur eine Neigung
zur Poeſie gegeben. Schon in meiner Kindheit fing ich an Verſe
zu machen. Aber erſt als ich des ſeligen Lehr und nach einiger
Zeit auch des ſeligen Lau Leben und letzte Stunden in die Hände
bekam, ging etwas in mir vor. Von dieſer Zeit an iſt der Trieb,
dem Herrn Lieder zu dichten, in mir recht aufgewachet. Ja er iſt
von Zeit zu Zeit immer ſtärker worden, daß er ſich auch beſon-
ders in meinem Amt, in welchem ihn die vielen überhäuften Ge-
ſchäfte ſonſt hätten erſticken müſſen, ſo vermehret hat, daß ich oft
ſelbſt nicht gewußt, wie es zugegangen. Ich kann nichts anders
ſagen, als daß ich’s für eine augenſcheinliche Erhöhung meines
Gebets
anſehen muß.

„Oft hab ich an nichts weniger gedacht, als Verſe zu machen.
Aber es fiel mir plötzlich ins Gemüth, und regte ſich ein Trieb,
daß ich die Feder ergreifen mußte. Ein andermal hatt ich keine
Luſt; aber es war, als müßt ich wider Willen ſchreiben. Zuwei-
len war ich von vieler Arbeit ganz entkräftet, allein es wurde mir
eine Materie ſo lebendig und floß ſo ungezwungen und ohne
Müh in die Feder, daß es ſchien, ich könnte das Schreiben nicht

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[156/0172] bei Prenzlau; im Mai trafen ſich die jungen Brautleute in Berlin, wo neun Söhne (darunter bereits drei Paſtoren) eine Tochter und drei Schwiegertöchter des alten Paſtors Woltersdorf ſich zur Hochzeitsfeier verſammelt hatten. Der Vater ſegnete das Paar ein, das bald darauf in die Bunzlauer Pfarrwohnung einzog. Die junge Frau brachte Glück und empfig es. Aber die Flitterwochen müſſen doch anders geweſen ſein, wie heutzutage Flitterwochen zu ſein pflegen. Alles junge Glück der Liebe ſchloß eine immer wachſende geiſtliche und geiſtige Thätigkeit ſo wenig aus, daß im Jahre 1751 bereits zwei ſtarke Bände „Evangeliſche Pſalmen“ vorlagen, die Zeugniß ablegten von dem ſchöpferiſchen Drang des jungen Geiſtlichen. Sie waren, beinah 200 an der Zahl, mit nur wenig Ausnahmen ein Product der letzten drei Jahre. Ueber die Art, wie dieſelben entſtanden, laſſen wir ihn ſelber ſprechen: „Was den Urſprung dieſer Lieder betrifft, ſo kann ich wohl mit Wahrheit ſagen: ich habe ſie von dem Herrn empfangen. Sonſt würd ich auch in meinem Gewiſſen keine Freiheit haben ſie drucken zu laſſen … Gott hat mir von Natur eine Neigung zur Poeſie gegeben. Schon in meiner Kindheit fing ich an Verſe zu machen. Aber erſt als ich des ſeligen Lehr und nach einiger Zeit auch des ſeligen Lau Leben und letzte Stunden in die Hände bekam, ging etwas in mir vor. Von dieſer Zeit an iſt der Trieb, dem Herrn Lieder zu dichten, in mir recht aufgewachet. Ja er iſt von Zeit zu Zeit immer ſtärker worden, daß er ſich auch beſon- ders in meinem Amt, in welchem ihn die vielen überhäuften Ge- ſchäfte ſonſt hätten erſticken müſſen, ſo vermehret hat, daß ich oft ſelbſt nicht gewußt, wie es zugegangen. Ich kann nichts anders ſagen, als daß ich’s für eine augenſcheinliche Erhöhung meines Gebets anſehen muß. „Oft hab ich an nichts weniger gedacht, als Verſe zu machen. Aber es fiel mir plötzlich ins Gemüth, und regte ſich ein Trieb, daß ich die Feder ergreifen mußte. Ein andermal hatt ich keine Luſt; aber es war, als müßt ich wider Willen ſchreiben. Zuwei- len war ich von vieler Arbeit ganz entkräftet, allein es wurde mir eine Materie ſo lebendig und floß ſo ungezwungen und ohne Müh in die Feder, daß es ſchien, ich könnte das Schreiben nicht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/172>, abgerufen am 01.11.2024.