Einige Stufen führen uns in den Flur und der Flur wieder in die Küche, drin ein Dutzend Hände geschäftig ist und das über- kochende Wasser eben in die Herdflamme zischt. Unbestimmte Vorstellungen von einem "hier ist es gut sein" erfüllen unser Herz; aber alle Zimmer im Hause sind bereits vergeben (eine Hochzeit ist im Dorf) und so haben wir uns schließlich noch zu beglück- wünschen, uns von der freundlichen Frau Wirthin ein Abendbrod und ein Strohlager sammt ein paar Decken zugestanden zu sehn
Und nun beurlauben wir uns, um unsern ersten Gang in den Park zu machen.
Die Zeit des Sonnenuntergangs ist die geeignetste dazu -- die grauen Schleier des Abends sind es, die diesem Parke kleiden. Wo Springquellen hoch in die Luft steigen und des Lichts bedürfen um in allen Farben zu schillern, wo Blumenvierecks in den Rasen eingewoben sind oder Statuen in den grünen Nischen stehen, da mag es gerathen sein um Morgen- oder Mittagszeit auf und ab zu schreiten. Aber ein solcher Park ist nicht der, in den wir eben eingetreten sind. Nicht Cascaden und Fontainen sind hier zu Haus, kein Bach rieselt und plätschert über Steine hinweg, als liefen spielende Kinder durch den Garten, ein stiller und breiter Graben nur durchschneidet ihn und dehnt sich aus als wär es ein Teich. Die Buche hängt ihr Gezweige tief in das Wasser nieder und die Tanne streut ihre Schuppenäpfel über die Kiesgänge hin. Alles Bunte fehlt. Die Rüsternalleen, die sich wie Kirchenschiffe wölben, erscheinen nicht wie Weg und Steg in die freie Natur hinaus, sondern wie Gitter und Spaliere gegen die- el be. Dieser Park hat zu lachen verlernt. Wenn das Sonnen- licht auf ihn fällt und ihn erheitern will, ist es wie eine Wittwe, die man mit Bändern und Blumen schmückt.
Es war neun als wir aus dem Park in das Wirthshaus zurückkehrten und uns an den gedeckten Tisch setzten, der unsrer schon wartete. Bald danach erschien auch die Magd, um unser Nachtlager herzurichten. Ein paar nach oben gekehrte Stühle gaben die Schrägung, eine Schütte Stroh ward ausgebreitet und zwei große rothe Deckbetten, deren jedes mich an eine dicke, wulstige Paeonie gemahnte, vollendeten den Hoch- und Tiefbau, darin wir eine halbe Stunde später versanken.
Einige Stufen führen uns in den Flur und der Flur wieder in die Küche, drin ein Dutzend Hände geſchäftig iſt und das über- kochende Waſſer eben in die Herdflamme ziſcht. Unbeſtimmte Vorſtellungen von einem „hier iſt es gut ſein“ erfüllen unſer Herz; aber alle Zimmer im Hauſe ſind bereits vergeben (eine Hochzeit iſt im Dorf) und ſo haben wir uns ſchließlich noch zu beglück- wünſchen, uns von der freundlichen Frau Wirthin ein Abendbrod und ein Strohlager ſammt ein paar Decken zugeſtanden zu ſehn
Und nun beurlauben wir uns, um unſern erſten Gang in den Park zu machen.
Die Zeit des Sonnenuntergangs iſt die geeignetſte dazu — die grauen Schleier des Abends ſind es, die dieſem Parke kleiden. Wo Springquellen hoch in die Luft ſteigen und des Lichts bedürfen um in allen Farben zu ſchillern, wo Blumenvierecks in den Raſen eingewoben ſind oder Statuen in den grünen Niſchen ſtehen, da mag es gerathen ſein um Morgen- oder Mittagszeit auf und ab zu ſchreiten. Aber ein ſolcher Park iſt nicht der, in den wir eben eingetreten ſind. Nicht Cascaden und Fontainen ſind hier zu Haus, kein Bach rieſelt und plätſchert über Steine hinweg, als liefen ſpielende Kinder durch den Garten, ein ſtiller und breiter Graben nur durchſchneidet ihn und dehnt ſich aus als wär es ein Teich. Die Buche hängt ihr Gezweige tief in das Waſſer nieder und die Tanne ſtreut ihre Schuppenäpfel über die Kiesgänge hin. Alles Bunte fehlt. Die Rüſternalleen, die ſich wie Kirchenſchiffe wölben, erſcheinen nicht wie Weg und Steg in die freie Natur hinaus, ſondern wie Gitter und Spaliere gegen die- el be. Dieſer Park hat zu lachen verlernt. Wenn das Sonnen- licht auf ihn fällt und ihn erheitern will, iſt es wie eine Wittwe, die man mit Bändern und Blumen ſchmückt.
Es war neun als wir aus dem Park in das Wirthshaus zurückkehrten und uns an den gedeckten Tiſch ſetzten, der unſrer ſchon wartete. Bald danach erſchien auch die Magd, um unſer Nachtlager herzurichten. Ein paar nach oben gekehrte Stühle gaben die Schrägung, eine Schütte Stroh ward ausgebreitet und zwei große rothe Deckbetten, deren jedes mich an eine dicke, wulſtige Paeonie gemahnte, vollendeten den Hoch- und Tiefbau, darin wir eine halbe Stunde ſpäter verſanken.
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Einige Stufen führen uns in den Flur und der Flur wieder in
die Küche, drin ein Dutzend Hände geſchäftig iſt und das über-
kochende Waſſer eben in die Herdflamme ziſcht. Unbeſtimmte
Vorſtellungen von einem „hier iſt es gut ſein“ erfüllen unſer Herz;
aber alle Zimmer im Hauſe ſind bereits vergeben (eine Hochzeit
iſt im Dorf) und ſo haben wir uns ſchließlich noch zu beglück-
wünſchen, uns von der freundlichen Frau Wirthin ein Abendbrod
und ein Strohlager ſammt ein paar Decken zugeſtanden zu ſehn
Und nun beurlauben wir uns, um unſern erſten Gang in
den Park zu machen.
Die Zeit des Sonnenuntergangs iſt die geeignetſte dazu —
die grauen Schleier des Abends ſind es, die dieſem Parke kleiden.
Wo Springquellen hoch in die Luft ſteigen und des Lichts bedürfen
um in allen Farben zu ſchillern, wo Blumenvierecks in den Raſen
eingewoben ſind oder Statuen in den grünen Niſchen ſtehen, da
mag es gerathen ſein um Morgen- oder Mittagszeit auf und
ab zu ſchreiten. Aber ein ſolcher Park iſt nicht der, in den
wir eben eingetreten ſind. Nicht Cascaden und Fontainen ſind
hier zu Haus, kein Bach rieſelt und plätſchert über Steine
hinweg, als liefen ſpielende Kinder durch den Garten, ein ſtiller
und breiter Graben nur durchſchneidet ihn und dehnt ſich aus als
wär es ein Teich. Die Buche hängt ihr Gezweige tief in das
Waſſer nieder und die Tanne ſtreut ihre Schuppenäpfel über die
Kiesgänge hin. Alles Bunte fehlt. Die Rüſternalleen, die ſich
wie Kirchenſchiffe wölben, erſcheinen nicht wie Weg und Steg in die
freie Natur hinaus, ſondern wie Gitter und Spaliere gegen die-
el be. Dieſer Park hat zu lachen verlernt. Wenn das Sonnen-
licht auf ihn fällt und ihn erheitern will, iſt es wie eine Wittwe,
die man mit Bändern und Blumen ſchmückt.
Es war neun als wir aus dem Park in das Wirthshaus
zurückkehrten und uns an den gedeckten Tiſch ſetzten, der unſrer
ſchon wartete. Bald danach erſchien auch die Magd, um unſer
Nachtlager herzurichten. Ein paar nach oben gekehrte Stühle
gaben die Schrägung, eine Schütte Stroh ward ausgebreitet
und zwei große rothe Deckbetten, deren jedes mich an eine dicke,
wulſtige Paeonie gemahnte, vollendeten den Hoch- und Tiefbau,
darin wir eine halbe Stunde ſpäter verſanken.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/182>, abgerufen am 31.10.2024.
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