Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.gefühl, das dadurch in des Fräuleins Seele geweckt wurde, be- 1787. Juni 87. Meine Nichte sagte mir heute unter Thränen, *) In der Regel wird bei dieser Gelegenheit versichert, "diese Trauung sei
seitens des Berliner Consistoriums und zwar unter Berufung auf die von Melanchthon erlaubte Doppelehe Philipps des Großmüthigen von Hessen für zulässig erklärt worden." Die stete Wiederkehr dieser Versicherung hat den Consistorial-Präsidenten Hegel veranlaßt, unterm 27. April 1876 eine Erklärung abzugeben, in der ausgesprochen wird, "daß weder die gründlichsten Recherchen in der Registratur des Königlichen Consistoriums, im Geheimen Staats-Archiv, im Geheimen Ministerial-Archiv und Königlichen Haus-Archiv, noch auch ander- weite Forschungen und Erkundigungen irgend etwas zur Begründung obiger Ansicht (Gutheißung der Trauung durch das Consistorium) ergeben haben." Es läßt sich in der That annehmen, daß Leopold v. Ranke das Richtige ge- troffen hat, als er in seinem Werke: "Die deutschen Mächte und der Fürstenbund. Deutsche Geschichte von 1780 bis 1790" wörtlich sagte: "In neueren Zeiten ist die Behauptung aufgetaucht, das Consistorium habe in aller Form seine Einwilligung zu dieser Verbindung ausgesprochen; vergeblich hat man nach einem Actenstück dieser Art gesucht; wahrscheinlich ist dabei der Kreis privater Besprechung nicht überschritten worden.' gefühl, das dadurch in des Fräuleins Seele geweckt wurde, be- 1787. Juni 87. Meine Nichte ſagte mir heute unter Thränen, *) In der Regel wird bei dieſer Gelegenheit verſichert, „dieſe Trauung ſei
ſeitens des Berliner Conſiſtoriums und zwar unter Berufung auf die von Melanchthon erlaubte Doppelehe Philipps des Großmüthigen von Heſſen für zuläſſig erklärt worden.“ Die ſtete Wiederkehr dieſer Verſicherung hat den Conſiſtorial-Präſidenten Hegel veranlaßt, unterm 27. April 1876 eine Erklärung abzugeben, in der ausgeſprochen wird, „daß weder die gründlichſten Recherchen in der Regiſtratur des Königlichen Conſiſtoriums, im Geheimen Staats-Archiv, im Geheimen Miniſterial-Archiv und Königlichen Haus-Archiv, noch auch ander- weite Forſchungen und Erkundigungen irgend etwas zur Begründung obiger Anſicht (Gutheißung der Trauung durch das Conſiſtorium) ergeben haben.“ Es läßt ſich in der That annehmen, daß Leopold v. Ranke das Richtige ge- troffen hat, als er in ſeinem Werke: „Die deutſchen Mächte und der Fürſtenbund. Deutſche Geſchichte von 1780 bis 1790“ wörtlich ſagte: „In neueren Zeiten iſt die Behauptung aufgetaucht, das Conſiſtorium habe in aller Form ſeine Einwilligung zu dieſer Verbindung ausgeſprochen; vergeblich hat man nach einem Actenſtück dieſer Art geſucht; wahrſcheinlich iſt dabei der Kreis privater Beſprechung nicht überſchritten worden.’ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0198" n="182"/> gefühl, das dadurch in des Fräuleins Seele geweckt wurde, be-<lb/> ſchleunigte den Liebesroman. Sie zeigte ſich von dieſer Zeit an<lb/> weniger ablehnend und drang nur noch auf Erfüllung einzelner Be-<lb/> dingungen. Dieſe Bedingungen waren: die regierende Königin<lb/> giebt ihre ſchriftliche Einwilligung zu der Verbindung; zweitens<lb/> Antrauung zur linken Hand, und drittens die Rietz ſammt ihren<lb/> Kindern verläßt Berlin für immer. In die beiden erſten Punkte<lb/> willigte der König ſofort, aber den dritten Punkt wollt’ er nicht<lb/> zugeſtehn. Die Rietz blieb. Am 25. oder 26. Mai 1787 erfolgte<lb/> die Trauung zur linken Hand und wurde wahrſcheinlich durch<lb/> Johann Friedrich Zöllner, damals Diakonus an St. Marien, in<lb/> der Charlottenburger Schloßkapelle vollzogen. <note place="foot" n="*)">In der Regel wird bei dieſer Gelegenheit verſichert, „dieſe Trauung ſei<lb/> ſeitens des <hi rendition="#g">Berliner Conſiſtoriums</hi> und zwar unter Berufung auf die<lb/> von Melanchthon erlaubte Doppelehe Philipps des Großmüthigen von Heſſen<lb/> für zuläſſig erklärt worden.“ Die ſtete Wiederkehr dieſer Verſicherung hat den<lb/> Conſiſtorial-Präſidenten Hegel veranlaßt, unterm 27. April 1876 eine Erklärung<lb/> abzugeben, in der ausgeſprochen wird, „daß weder die gründlichſten Recherchen<lb/> in der Regiſtratur des Königlichen Conſiſtoriums, im Geheimen Staats-Archiv,<lb/> im Geheimen Miniſterial-Archiv und Königlichen Haus-Archiv, noch auch ander-<lb/> weite Forſchungen und Erkundigungen irgend etwas zur <hi rendition="#g">Begründung<lb/> obiger Anſicht</hi> (Gutheißung der Trauung durch das Conſiſtorium) ergeben<lb/> haben.“ Es läßt ſich in der That annehmen, daß Leopold v. Ranke das Richtige ge-<lb/> troffen hat, als er in ſeinem Werke: „Die deutſchen Mächte und der Fürſtenbund.<lb/> Deutſche Geſchichte von 1780 bis 1790“ wörtlich ſagte: „In neueren Zeiten<lb/> iſt die Behauptung aufgetaucht, das Conſiſtorium habe in aller Form ſeine<lb/> Einwilligung zu dieſer Verbindung ausgeſprochen; vergeblich hat man nach<lb/> einem Actenſtück dieſer Art geſucht; <hi rendition="#g">wahrſcheinlich iſt dabei der Kreis<lb/> privater Beſprechung nicht überſchritten worden</hi>.’</note></p> </div><lb/> <div n="4"> <head>1787.</head><lb/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Juni</hi> 87. Meine Nichte ſagte mir heute unter Thränen,<lb/> ſeit 8 Tagen ſei ſie mit dem Könige <hi rendition="#g">heimlich getraut</hi>, bat<lb/> mich aber es zu verſchweigen. Es betrübt mich tief und ich<lb/> kann mich mit dem beſten Willen eines Gefühls von Abſcheu<lb/> und Widerwillen gegen eine Sache nicht erwehren, die ſo un-<lb/> erlaubt iſt, man mag an Scheingründen dafür angeben, was<lb/> man will. Ihr Gewiſſen wird es ihr ſchon genugſam ſagen und<lb/> wird nicht wieder ruhig werden. — Sie hat lange widerſtanden,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0198]
gefühl, das dadurch in des Fräuleins Seele geweckt wurde, be-
ſchleunigte den Liebesroman. Sie zeigte ſich von dieſer Zeit an
weniger ablehnend und drang nur noch auf Erfüllung einzelner Be-
dingungen. Dieſe Bedingungen waren: die regierende Königin
giebt ihre ſchriftliche Einwilligung zu der Verbindung; zweitens
Antrauung zur linken Hand, und drittens die Rietz ſammt ihren
Kindern verläßt Berlin für immer. In die beiden erſten Punkte
willigte der König ſofort, aber den dritten Punkt wollt’ er nicht
zugeſtehn. Die Rietz blieb. Am 25. oder 26. Mai 1787 erfolgte
die Trauung zur linken Hand und wurde wahrſcheinlich durch
Johann Friedrich Zöllner, damals Diakonus an St. Marien, in
der Charlottenburger Schloßkapelle vollzogen. *)
1787.
Juni 87. Meine Nichte ſagte mir heute unter Thränen,
ſeit 8 Tagen ſei ſie mit dem Könige heimlich getraut, bat
mich aber es zu verſchweigen. Es betrübt mich tief und ich
kann mich mit dem beſten Willen eines Gefühls von Abſcheu
und Widerwillen gegen eine Sache nicht erwehren, die ſo un-
erlaubt iſt, man mag an Scheingründen dafür angeben, was
man will. Ihr Gewiſſen wird es ihr ſchon genugſam ſagen und
wird nicht wieder ruhig werden. — Sie hat lange widerſtanden,
*) In der Regel wird bei dieſer Gelegenheit verſichert, „dieſe Trauung ſei
ſeitens des Berliner Conſiſtoriums und zwar unter Berufung auf die
von Melanchthon erlaubte Doppelehe Philipps des Großmüthigen von Heſſen
für zuläſſig erklärt worden.“ Die ſtete Wiederkehr dieſer Verſicherung hat den
Conſiſtorial-Präſidenten Hegel veranlaßt, unterm 27. April 1876 eine Erklärung
abzugeben, in der ausgeſprochen wird, „daß weder die gründlichſten Recherchen
in der Regiſtratur des Königlichen Conſiſtoriums, im Geheimen Staats-Archiv,
im Geheimen Miniſterial-Archiv und Königlichen Haus-Archiv, noch auch ander-
weite Forſchungen und Erkundigungen irgend etwas zur Begründung
obiger Anſicht (Gutheißung der Trauung durch das Conſiſtorium) ergeben
haben.“ Es läßt ſich in der That annehmen, daß Leopold v. Ranke das Richtige ge-
troffen hat, als er in ſeinem Werke: „Die deutſchen Mächte und der Fürſtenbund.
Deutſche Geſchichte von 1780 bis 1790“ wörtlich ſagte: „In neueren Zeiten
iſt die Behauptung aufgetaucht, das Conſiſtorium habe in aller Form ſeine
Einwilligung zu dieſer Verbindung ausgeſprochen; vergeblich hat man nach
einem Actenſtück dieſer Art geſucht; wahrſcheinlich iſt dabei der Kreis
privater Beſprechung nicht überſchritten worden.’
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