"Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt "Babel".
Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in deutscher Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort "thou comest in such a questionable shape" auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der "Schlesien, sein Heimatland" ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard - Franzose - der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein
„Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt „Babel“.
Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in deutscher Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort „thou comest in such a questionable shape“ auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der „Schlesien, sein Heimatland“ ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard – Franzose – der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0079"n="70"/><p>„Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt „<hirendition="#g">Babel</hi>“.</p><lb/><p>Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in <hirendition="#g">deutscher</hi> Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort <hirendition="#aq">„thou comest in such a questionable shape“</hi> auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der „Schlesien, sein Heimatland“ ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard – Franzose – der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[70/0079]
„Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt „Babel“.
Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in deutscher Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort „thou comest in such a questionable shape“ auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der „Schlesien, sein Heimatland“ ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard – Franzose – der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/79>, abgerufen am 14.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.