Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1772.Novem- ber.ist keine einzige Schule von einiger Bedeutung. Die Söhne werden daher ge- meiniglich nach Holland geschickt; die Erziehung der Tochter aber ist fast ganz ver- nachläßigt. Ihre Abneigung gegen das Lesen und der Mangel öffentlicher Ver- änderungen, macht, daß ihre Gespräche nichts weniger als unterhaltend ausfallen und gemeiniglich auf Klatschereyen hinaus laufen, die hier so bitter sind als sie in allen kleinen Städten zu seyn pflegen. Französisch, Englisch, Portugiesisch und Malayisch wird hier häufig gesprochen und viele Frauenzimmer wissen alle diese Sprachen. Dies und ihre Geschicklichkeit im Singen, Lautenspielen und Tan- zen, nebst einer angenehmen Bildung, die hier nicht selten ist, tritt einigermas- sen an die Stelle feiner Sitten und Sentiments, die ihnen gemeiniglich fehlen. Doch giebts unter den Vornehmern, sowohl des einen als des andern Ge- schlechts, Personen, deren Betragen, weitläuftige Lectür und großer Verstand selbst in Europa nicht unbemerkt und unbewundert bleiben würde *) Da alle Lebensmittel außerordentlich wohlfeil sind, so befinden sich die Auf dem Lande sind die Leute schlicht und recht und gastfrey. In den bau *) Ohne Ungerechtigkeit dürfen wir nicht vergessen, hier vorzüglich zu nennen, den Gou-
verneur Baron Joachim von Plettenberg, einen Herrn, der durch seine Gastfrey- heit und Gesprächigkeit seiner Nation Ehre macht; Herrn Hemmy, den zweyten Gou- verneur, und seine Familie; Herrn von Prehn, den Major; den Herrn Secretarius Bergh, einen Mann von Wissenschaft und edler philosophischer Denkungsart, dessen Fa- milie durch Schönheit und Verstand sich von der ganzen Capischen Jugend auszeichnet; Herrn Kersten; Herrn de Wit, und unsern würdigen Hauswirth, Herrn Christoph Brandt, Commandeur von Falsebay -- alle insgesammt mit ihren Familien. Es ist eine wahre Freude, so vieler schätzbaren Glieder der Gesellschaft und so vieler Menschen- freunde Andenken zu erhalten. Forſter’s Reiſe um die Welt 1772.Novem- ber.iſt keine einzige Schule von einiger Bedeutung. Die Soͤhne werden daher ge- meiniglich nach Holland geſchickt; die Erziehung der Tochter aber iſt faſt ganz ver- nachlaͤßigt. Ihre Abneigung gegen das Leſen und der Mangel oͤffentlicher Ver- aͤnderungen, macht, daß ihre Geſpraͤche nichts weniger als unterhaltend ausfallen und gemeiniglich auf Klatſchereyen hinaus laufen, die hier ſo bitter ſind als ſie in allen kleinen Staͤdten zu ſeyn pflegen. Franzoͤſiſch, Engliſch, Portugieſiſch und Malayiſch wird hier haͤufig geſprochen und viele Frauenzimmer wiſſen alle dieſe Sprachen. Dies und ihre Geſchicklichkeit im Singen, Lautenſpielen und Tan- zen, nebſt einer angenehmen Bildung, die hier nicht ſelten iſt, tritt einigermaſ- ſen an die Stelle feiner Sitten und Sentiments, die ihnen gemeiniglich fehlen. Doch giebts unter den Vornehmern, ſowohl des einen als des andern Ge- ſchlechts, Perſonen, deren Betragen, weitlaͤuftige Lectuͤr und großer Verſtand ſelbſt in Europa nicht unbemerkt und unbewundert bleiben wuͤrde *) Da alle Lebensmittel außerordentlich wohlfeil ſind, ſo befinden ſich die Auf dem Lande ſind die Leute ſchlicht und recht und gaſtfrey. In den bau *) Ohne Ungerechtigkeit duͤrfen wir nicht vergeſſen, hier vorzuͤglich zu nennen, den Gou-
verneur Baron Joachim von Plettenberg, einen Herrn, der durch ſeine Gaſtfrey- heit und Geſpraͤchigkeit ſeiner Nation Ehre macht; Herrn Hemmy, den zweyten Gou- verneur, und ſeine Familie; Herrn von Prehn, den Major; den Herrn Secretarius Bergh, einen Mann von Wiſſenſchaft und edler philoſophiſcher Denkungsart, deſſen Fa- milie durch Schoͤnheit und Verſtand ſich von der ganzen Capiſchen Jugend auszeichnet; Herrn Kerſten; Herrn de Wit, und unſern wuͤrdigen Hauswirth, Herrn Chriſtoph Brandt, Commandeur von Falſebay — alle insgeſammt mit ihren Familien. Es iſt eine wahre Freude, ſo vieler ſchaͤtzbaren Glieder der Geſellſchaft und ſo vieler Menſchen- freunde Andenken zu erhalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0101" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1772.<lb/> Novem-<lb/> ber.</note>iſt keine einzige Schule von einiger Bedeutung. Die Soͤhne werden daher ge-<lb/> meiniglich nach <placeName>Holland</placeName> geſchickt; die Erziehung der Tochter aber iſt faſt ganz ver-<lb/> nachlaͤßigt. Ihre Abneigung gegen das Leſen und der Mangel oͤffentlicher Ver-<lb/> aͤnderungen, macht, daß ihre Geſpraͤche nichts weniger als unterhaltend ausfallen<lb/> und gemeiniglich auf Klatſchereyen hinaus laufen, die hier ſo bitter ſind als ſie in<lb/> allen kleinen Staͤdten zu ſeyn pflegen. Franzoͤſiſch, Engliſch, Portugieſiſch und<lb/> Malayiſch wird hier haͤufig geſprochen und viele Frauenzimmer wiſſen alle dieſe<lb/> Sprachen. Dies und ihre Geſchicklichkeit im Singen, Lautenſpielen und Tan-<lb/> zen, nebſt einer angenehmen Bildung, die hier nicht ſelten iſt, tritt einigermaſ-<lb/> ſen an die Stelle feiner Sitten und Sentiments, die ihnen gemeiniglich fehlen.<lb/> Doch giebts unter den Vornehmern, ſowohl des einen als des andern Ge-<lb/> ſchlechts, Perſonen, deren Betragen, weitlaͤuftige Lectuͤr und großer Verſtand<lb/> ſelbſt in <placeName>Europa</placeName> nicht unbemerkt und unbewundert bleiben wuͤrde <note place="foot" n="*)">Ohne Ungerechtigkeit duͤrfen wir nicht vergeſſen, hier vorzuͤglich zu nennen, den Gou-<lb/> verneur Baron <hi rendition="#fr"><persName>Joachim von Plettenberg</persName></hi>, einen Herrn, der durch ſeine Gaſtfrey-<lb/> heit und Geſpraͤchigkeit ſeiner Nation Ehre macht; Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Hemmy</persName></hi>, den zweyten Gou-<lb/> verneur, und ſeine Familie; Herrn <hi rendition="#fr"><persName>von Prehn</persName></hi>, den Major; den Herrn Secretarius<lb/><hi rendition="#fr"><persName>Bergh</persName></hi>, einen Mann von Wiſſenſchaft und edler philoſophiſcher Denkungsart, deſſen Fa-<lb/> milie durch Schoͤnheit und Verſtand ſich von der ganzen Capiſchen Jugend auszeichnet;<lb/> Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Kerſten</persName></hi>; Herrn <persName>de <hi rendition="#fr">Wit</hi></persName>, und unſern wuͤrdigen Hauswirth, Herrn <persName>Chriſtoph<lb/><hi rendition="#fr">Brandt</hi></persName>, Commandeur von <placeName>Falſebay</placeName> — alle insgeſammt mit ihren Familien. Es iſt<lb/> eine wahre Freude, ſo vieler ſchaͤtzbaren Glieder der Geſellſchaft und ſo vieler Menſchen-<lb/> freunde Andenken zu erhalten.</note></p><lb/> <p>Da alle Lebensmittel außerordentlich wohlfeil ſind, ſo befinden ſich die<lb/> Leute faſt durchgaͤngig in guten Gluͤcksumſtaͤnden, doch giebt es hier keine ſo<lb/> großen Reichthuͤmer als in <hi rendition="#fr"><placeName>Batavia</placeName></hi> zu erwerben; denn wie man mir ſagte, ſo<lb/> hat am <placeName>Cap</placeName> der reichſte Mann nicht uͤber 100,000 Thaler (oder uͤber 20,000<lb/> Pfund Sterling) im Vermoͤgen.</p><lb/> <p>Auf dem Lande ſind die Leute ſchlicht und recht und gaſtfrey. In den<lb/> entfernteſten Gegenden, von daher ſie ſelten zur Stadtkommen, ſollen ſie ſehr un-<lb/> wiſſend ſeyn; welches ſich leicht begreifen laͤßt, weil ſie keine Geſellſchaft als<lb/> Hottentotten haben, und oft etliche Tagereiſen weit auseinander wohnen. Wein-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">bau</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0101]
Forſter’s Reiſe um die Welt
iſt keine einzige Schule von einiger Bedeutung. Die Soͤhne werden daher ge-
meiniglich nach Holland geſchickt; die Erziehung der Tochter aber iſt faſt ganz ver-
nachlaͤßigt. Ihre Abneigung gegen das Leſen und der Mangel oͤffentlicher Ver-
aͤnderungen, macht, daß ihre Geſpraͤche nichts weniger als unterhaltend ausfallen
und gemeiniglich auf Klatſchereyen hinaus laufen, die hier ſo bitter ſind als ſie in
allen kleinen Staͤdten zu ſeyn pflegen. Franzoͤſiſch, Engliſch, Portugieſiſch und
Malayiſch wird hier haͤufig geſprochen und viele Frauenzimmer wiſſen alle dieſe
Sprachen. Dies und ihre Geſchicklichkeit im Singen, Lautenſpielen und Tan-
zen, nebſt einer angenehmen Bildung, die hier nicht ſelten iſt, tritt einigermaſ-
ſen an die Stelle feiner Sitten und Sentiments, die ihnen gemeiniglich fehlen.
Doch giebts unter den Vornehmern, ſowohl des einen als des andern Ge-
ſchlechts, Perſonen, deren Betragen, weitlaͤuftige Lectuͤr und großer Verſtand
ſelbſt in Europa nicht unbemerkt und unbewundert bleiben wuͤrde *)
1772.
Novem-
ber.
Da alle Lebensmittel außerordentlich wohlfeil ſind, ſo befinden ſich die
Leute faſt durchgaͤngig in guten Gluͤcksumſtaͤnden, doch giebt es hier keine ſo
großen Reichthuͤmer als in Batavia zu erwerben; denn wie man mir ſagte, ſo
hat am Cap der reichſte Mann nicht uͤber 100,000 Thaler (oder uͤber 20,000
Pfund Sterling) im Vermoͤgen.
Auf dem Lande ſind die Leute ſchlicht und recht und gaſtfrey. In den
entfernteſten Gegenden, von daher ſie ſelten zur Stadtkommen, ſollen ſie ſehr un-
wiſſend ſeyn; welches ſich leicht begreifen laͤßt, weil ſie keine Geſellſchaft als
Hottentotten haben, und oft etliche Tagereiſen weit auseinander wohnen. Wein-
bau
*) Ohne Ungerechtigkeit duͤrfen wir nicht vergeſſen, hier vorzuͤglich zu nennen, den Gou-
verneur Baron Joachim von Plettenberg, einen Herrn, der durch ſeine Gaſtfrey-
heit und Geſpraͤchigkeit ſeiner Nation Ehre macht; Herrn Hemmy, den zweyten Gou-
verneur, und ſeine Familie; Herrn von Prehn, den Major; den Herrn Secretarius
Bergh, einen Mann von Wiſſenſchaft und edler philoſophiſcher Denkungsart, deſſen Fa-
milie durch Schoͤnheit und Verſtand ſich von der ganzen Capiſchen Jugend auszeichnet;
Herrn Kerſten; Herrn de Wit, und unſern wuͤrdigen Hauswirth, Herrn Chriſtoph
Brandt, Commandeur von Falſebay — alle insgeſammt mit ihren Familien. Es iſt
eine wahre Freude, ſo vieler ſchaͤtzbaren Glieder der Geſellſchaft und ſo vieler Menſchen-
freunde Andenken zu erhalten.
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