Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. Verfolg dieser Reise in so gefährlichen Umständen befunden, wo alle menschli-1772.Julius. che Hülfe vergeblich gewesen seyn würde, wenn unser besseres Schicksal nicht unter einer höhern Aufsicht gestanden hätte, ohne welche kein Haar von unserm Haupte fällt? Zwar sind wir geneigt, der Vortreflichkeit und dem wachsamen Auge unsrer erfahrnen Welt-Umseegler die billigste und rühmlichste Gerechtig- keit wiederfahren zu lassen; allein im Grunde werden wir uns nie enthalten, al- les auf seinen wahren Ursprung, fürnemlich aber solche Vorfälle auf eine höhere Macht zurückzuführen, wovon keine menschliche Kunst, wäre sie auch mit fre- cher Religions-Verachtung gewaffnet, die Ehre sich anmaßen darf. Montags früh, am 13ten, seegelten wir in Begleitung der Adventure In eben dem Maaße als wir uns vom Lande entfernten, ward der in den Jahren 1772 bis 1775. Verfolg dieſer Reiſe in ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden befunden, wo alle menſchli-1772.Julius. che Huͤlfe vergeblich geweſen ſeyn wuͤrde, wenn unſer beſſeres Schickſal nicht unter einer hoͤhern Aufſicht geſtanden haͤtte, ohne welche kein Haar von unſerm Haupte faͤllt? Zwar ſind wir geneigt, der Vortreflichkeit und dem wachſamen Auge unſrer erfahrnen Welt-Umſeegler die billigſte und ruͤhmlichſte Gerechtig- keit wiederfahren zu laſſen; allein im Grunde werden wir uns nie enthalten, al- les auf ſeinen wahren Urſprung, fuͤrnemlich aber ſolche Vorfaͤlle auf eine hoͤhere Macht zuruͤckzufuͤhren, wovon keine menſchliche Kunſt, waͤre ſie auch mit fre- cher Religions-Verachtung gewaffnet, die Ehre ſich anmaßen darf. Montags fruͤh, am 13ten, ſeegelten wir in Begleitung der Adventure In eben dem Maaße als wir uns vom Lande entfernten, ward der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/> Verfolg dieſer Reiſe in ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden befunden, wo alle menſchli-<note place="right">1772.<lb/> Julius.</note><lb/> che Huͤlfe vergeblich geweſen ſeyn wuͤrde, wenn unſer beſſeres Schickſal nicht<lb/> unter einer hoͤhern Aufſicht geſtanden haͤtte, ohne welche kein Haar von unſerm<lb/> Haupte faͤllt? Zwar ſind wir geneigt, der Vortreflichkeit und dem wachſamen<lb/> Auge unſrer erfahrnen Welt-Umſeegler die billigſte und ruͤhmlichſte Gerechtig-<lb/> keit wiederfahren zu laſſen; allein im Grunde werden wir uns nie enthalten, al-<lb/> les auf ſeinen wahren Urſprung, fuͤrnemlich aber ſolche Vorfaͤlle auf eine hoͤhere<lb/> Macht zuruͤckzufuͤhren, wovon keine menſchliche Kunſt, waͤre ſie auch mit fre-<lb/> cher Religions-Verachtung gewaffnet, die Ehre ſich anmaßen darf.</p><lb/> <p>Montags fruͤh, am 13ten, ſeegelten wir in Begleitung der <hi rendition="#fr">Adventure</hi><lb/> von <hi rendition="#fr"><placeName>Plymouth</placeName></hi> ab. Ich kehrte einen Abſchieds-Blick gegen <placeName>Englands</placeName> frucht-<lb/> bare Huͤgel zuruͤck, und lies dem natuͤrlichen Gefuͤhl der Verbindungen, woran<lb/> mich dieſe Ausſicht erinnerte, freyen Lauf; bis endlich die Heiterkeit des ſchoͤ-<lb/> nen Morgens, und die Neuheit unſrer Fahrt, durch die noch glatte See, die<lb/> Oberhand gewannen und jene truͤben Gedanken zerſtreuten. Bald blieb nun hin-<lb/> ter uns der beruͤhmte hohe Leucht-Thurm, der mitten im Meer auf dem Felſen<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Eddiſtone</placeName>,</hi> zum Beſten der Schiffahrt, gebauet iſt, und den man unmoͤglich an-<lb/> ſehen kann, ohne fuͤr die einſamen Waͤchter zu zittern, die oft drey Monathe<lb/> lang, von aller Gemeinſchaft mit dem feſten Lande abgeſchnitten, daſelbſt zu-<lb/> bringen muͤſſen. Denn das Schickſal eines gewiſſen <hi rendition="#fr"><persName>Winſtanley</persName>,</hi> der unter<lb/> dem Schutt eines aͤhnlichen Gebaͤndes, das er ſelbſt auf dieſer Klippe angelegt<lb/> hatte, vergraben wurde, und die ſchwankende Bewegung des jetzigen Thurms,<lb/> wenn Wind und Wetter ihn beſtuͤrmen, muͤſſen ſie unaufhoͤrlich mit einem ſchleu-<lb/> nigen und ſchreckenvollen Untergange bedrohen.</p><lb/> <p>In eben dem Maaße als wir uns vom Lande entfernten, ward der<lb/> Wind heftiger; die Wellen wuchſen an, das Schif rollte von einer Seite zur<lb/> andern und die der See nicht gewohnt waren, ja ſelbſt einige der aͤlteſten See-<lb/> leute, litten nunmehr, doch in verſchiedenem Grade, von der Seekrankheit.<lb/> Auch war dieſe Uebelkeit nicht bey allen von gleicher Dauer, und nachdem ſie<lb/> drey Tage lang angehalten hatte, fanden wir uns groͤſtentheils durch gewaͤrmten-<lb/> rothen Oporto-Wein mit Zucker und Gewuͤrzen wieder hergeſtellt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [7/0052]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Verfolg dieſer Reiſe in ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden befunden, wo alle menſchli-
che Huͤlfe vergeblich geweſen ſeyn wuͤrde, wenn unſer beſſeres Schickſal nicht
unter einer hoͤhern Aufſicht geſtanden haͤtte, ohne welche kein Haar von unſerm
Haupte faͤllt? Zwar ſind wir geneigt, der Vortreflichkeit und dem wachſamen
Auge unſrer erfahrnen Welt-Umſeegler die billigſte und ruͤhmlichſte Gerechtig-
keit wiederfahren zu laſſen; allein im Grunde werden wir uns nie enthalten, al-
les auf ſeinen wahren Urſprung, fuͤrnemlich aber ſolche Vorfaͤlle auf eine hoͤhere
Macht zuruͤckzufuͤhren, wovon keine menſchliche Kunſt, waͤre ſie auch mit fre-
cher Religions-Verachtung gewaffnet, die Ehre ſich anmaßen darf.
1772.
Julius.
Montags fruͤh, am 13ten, ſeegelten wir in Begleitung der Adventure
von Plymouth ab. Ich kehrte einen Abſchieds-Blick gegen Englands frucht-
bare Huͤgel zuruͤck, und lies dem natuͤrlichen Gefuͤhl der Verbindungen, woran
mich dieſe Ausſicht erinnerte, freyen Lauf; bis endlich die Heiterkeit des ſchoͤ-
nen Morgens, und die Neuheit unſrer Fahrt, durch die noch glatte See, die
Oberhand gewannen und jene truͤben Gedanken zerſtreuten. Bald blieb nun hin-
ter uns der beruͤhmte hohe Leucht-Thurm, der mitten im Meer auf dem Felſen
Eddiſtone, zum Beſten der Schiffahrt, gebauet iſt, und den man unmoͤglich an-
ſehen kann, ohne fuͤr die einſamen Waͤchter zu zittern, die oft drey Monathe
lang, von aller Gemeinſchaft mit dem feſten Lande abgeſchnitten, daſelbſt zu-
bringen muͤſſen. Denn das Schickſal eines gewiſſen Winſtanley, der unter
dem Schutt eines aͤhnlichen Gebaͤndes, das er ſelbſt auf dieſer Klippe angelegt
hatte, vergraben wurde, und die ſchwankende Bewegung des jetzigen Thurms,
wenn Wind und Wetter ihn beſtuͤrmen, muͤſſen ſie unaufhoͤrlich mit einem ſchleu-
nigen und ſchreckenvollen Untergange bedrohen.
In eben dem Maaße als wir uns vom Lande entfernten, ward der
Wind heftiger; die Wellen wuchſen an, das Schif rollte von einer Seite zur
andern und die der See nicht gewohnt waren, ja ſelbſt einige der aͤlteſten See-
leute, litten nunmehr, doch in verſchiedenem Grade, von der Seekrankheit.
Auch war dieſe Uebelkeit nicht bey allen von gleicher Dauer, und nachdem ſie
drey Tage lang angehalten hatte, fanden wir uns groͤſtentheils durch gewaͤrmten-
rothen Oporto-Wein mit Zucker und Gewuͤrzen wieder hergeſtellt.
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