Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
seit vierzehn Tagen verbraucht und sich seitdem nur von Brod und einer kleinen1772.
Julius.

Portion Wein genährt hätten. In diesem elenden Zustande, waren ihnen ver-
schiedene Schiffe und besonders etliche spanische Kriegs-Schiffe begegnet, nie-
mand aber war menschlich genug gewesen, ihrer Noth abzuhelfen. Der Offi-
cier, welcher unser Boot commandirte, schickte sogleich die ledigen Fässer an das
Schiff um sie anfüllen zu lassen, und die armen Leute nahmen sie alsdenn mit
solchen Minen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafteste Freude stralte. Sie
dankten dem Himmel und uns, und freuten sich, daß sie endlich wieder Feuer ma-
chen und nach langem Fasten etwas warmes genießen könnten. So wahr ists,
daß ein gefühlvolles Herz oft Gelegenheit hat seine Wohlthätigkeit ohne Kosten zu
üben.

Des folgenden Nachmittags seegelten drey spanische Kriegs-Schiffe nach
dem Hafen Ferrol vorbey. Eines schien 74 Kanonen, die andern zwey aber nur
60 zu führen. Das letzte zog anfänglich Englische Flaggen auf, nachdem wir
aber die unsrige gezeigt, lies es diese wieder herunter, feuerte eine Kanone unter
dem Winde ab, und steckte die spanische Flagge auf. Bald darnach feuerte es
eine Kugel nach der Adventure; weil wir aber fortseegelten ohne uns an sein
Feuern zu kehren, so kam das Spanische Schiff zurück, und schoß noch eine
Kugel, welche dicht vor der Adventure vorbeygieng. Als Capitain Cook dies
sahe lies er unser Schiff in den Wind legen, (d. i. wir hielten mit seegeln inne)
und die Adventure that nun ein gleiches, doch schien es als ob sie sich hierinn
blos nach unserm Beyspiel richtete. Der Spanier rief dies Schif auf Englisch an,
und frug "was für eine Fregatte die vor ihnen wäre?" indem er auf uns zeigte.
Sobald er hierauf Antwort bekommen hatte, wollte er eine ähnliche Frage, die
man ihm vorlegte, nicht beantworten, sondern erwiderte beständig: "Ich wünsch'
euch glückliche Reise." Nach diesem Auftritte, der für die "Herren der See"
eben nicht schmeichelhaft war, setzten wir unsre Reise fort und paßirten das Vor-
gebürge Finisterre in der Nacht. *)


*) Zum Besten mancher Leser auf dem festen Lande, wird vielleicht die nachstehende Erläu-
terung obiger Stelle nicht ganz überflüßig seyn. Wenn ein Kriegesschiff, ein Kaufsar-
they- oder ein kleineres Kriegsschiff anhalten will, um dasselbe entweder auszufragen oder
gar zu durchsuchen, so geschiehet das gewöhnliche Zeichen dazu, durch Abfeurung einer
Forsters Reise u. d. W., erster Th. B

in den Jahren 1772 bis 1775.
ſeit vierzehn Tagen verbraucht und ſich ſeitdem nur von Brod und einer kleinen1772.
Julius.

Portion Wein genaͤhrt haͤtten. In dieſem elenden Zuſtande, waren ihnen ver-
ſchiedene Schiffe und beſonders etliche ſpaniſche Kriegs-Schiffe begegnet, nie-
mand aber war menſchlich genug geweſen, ihrer Noth abzuhelfen. Der Offi-
cier, welcher unſer Boot commandirte, ſchickte ſogleich die ledigen Faͤſſer an das
Schiff um ſie anfuͤllen zu laſſen, und die armen Leute nahmen ſie alsdenn mit
ſolchen Minen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafteſte Freude ſtralte. Sie
dankten dem Himmel und uns, und freuten ſich, daß ſie endlich wieder Feuer ma-
chen und nach langem Faſten etwas warmes genießen koͤnnten. So wahr iſts,
daß ein gefuͤhlvolles Herz oft Gelegenheit hat ſeine Wohlthaͤtigkeit ohne Koſten zu
uͤben.

Des folgenden Nachmittags ſeegelten drey ſpaniſche Kriegs-Schiffe nach
dem Hafen Ferrol vorbey. Eines ſchien 74 Kanonen, die andern zwey aber nur
60 zu fuͤhren. Das letzte zog anfaͤnglich Engliſche Flaggen auf, nachdem wir
aber die unſrige gezeigt, lies es dieſe wieder herunter, feuerte eine Kanone unter
dem Winde ab, und ſteckte die ſpaniſche Flagge auf. Bald darnach feuerte es
eine Kugel nach der Adventure; weil wir aber fortſeegelten ohne uns an ſein
Feuern zu kehren, ſo kam das Spaniſche Schiff zuruͤck, und ſchoß noch eine
Kugel, welche dicht vor der Adventure vorbeygieng. Als Capitain Cook dies
ſahe lies er unſer Schiff in den Wind legen, (d. i. wir hielten mit ſeegeln inne)
und die Adventure that nun ein gleiches, doch ſchien es als ob ſie ſich hierinn
blos nach unſerm Beyſpiel richtete. Der Spanier rief dies Schif auf Engliſch an,
und frug “was fuͤr eine Fregatte die vor ihnen waͤre?“ indem er auf uns zeigte.
Sobald er hierauf Antwort bekommen hatte, wollte er eine aͤhnliche Frage, die
man ihm vorlegte, nicht beantworten, ſondern erwiderte beſtaͤndig: “Ich wuͤnſch’
euch gluͤckliche Reiſe.“ Nach dieſem Auftritte, der fuͤr die “Herren der See“
eben nicht ſchmeichelhaft war, ſetzten wir unſre Reiſe fort und paßirten das Vor-
gebuͤrge Finiſterre in der Nacht. *)


*) Zum Beſten mancher Leſer auf dem feſten Lande, wird vielleicht die nachſtehende Erlaͤu-
terung obiger Stelle nicht ganz uͤberfluͤßig ſeyn. Wenn ein Kriegesſchiff, ein Kaufſar-
they- oder ein kleineres Kriegsſchiff anhalten will, um daſſelbe entweder auszufragen oder
gar zu durchſuchen, ſo geſchiehet das gewoͤhnliche Zeichen dazu, durch Abfeurung einer
Forſters Reiſe u. d. W., erſter Th. B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
&#x017F;eit vierzehn Tagen verbraucht und &#x017F;ich &#x017F;eitdem nur von Brod und einer kleinen<note place="right">1772.<lb/>
Julius.</note><lb/>
Portion Wein gena&#x0364;hrt ha&#x0364;tten. In die&#x017F;em elenden Zu&#x017F;tande, waren ihnen ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Schiffe und be&#x017F;onders etliche &#x017F;pani&#x017F;che Kriegs-Schiffe begegnet, nie-<lb/>
mand aber war men&#x017F;chlich genug gewe&#x017F;en, ihrer Noth abzuhelfen. Der Offi-<lb/>
cier, welcher un&#x017F;er Boot commandirte, &#x017F;chickte &#x017F;ogleich die ledigen Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er an das<lb/>
Schiff um &#x017F;ie anfu&#x0364;llen zu la&#x017F;&#x017F;en, und die armen Leute nahmen &#x017F;ie alsdenn mit<lb/>
&#x017F;olchen Minen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafte&#x017F;te Freude &#x017F;tralte. Sie<lb/>
dankten dem Himmel und uns, und freuten &#x017F;ich, daß &#x017F;ie endlich wieder Feuer ma-<lb/>
chen und nach langem Fa&#x017F;ten etwas warmes genießen ko&#x0364;nnten. So wahr i&#x017F;ts,<lb/>
daß ein gefu&#x0364;hlvolles Herz oft Gelegenheit hat &#x017F;eine Wohltha&#x0364;tigkeit ohne Ko&#x017F;ten zu<lb/>
u&#x0364;ben.</p><lb/>
        <p>Des folgenden Nachmittags &#x017F;eegelten drey &#x017F;pani&#x017F;che Kriegs-Schiffe nach<lb/>
dem Hafen <hi rendition="#fr"><placeName>Ferrol</placeName></hi> vorbey. Eines &#x017F;chien 74 Kanonen, die andern zwey aber nur<lb/>
60 zu fu&#x0364;hren. Das letzte zog anfa&#x0364;nglich Engli&#x017F;che Flaggen auf, nachdem wir<lb/>
aber die un&#x017F;rige gezeigt, lies es die&#x017F;e wieder herunter, feuerte eine Kanone unter<lb/>
dem Winde ab, und &#x017F;teckte die &#x017F;pani&#x017F;che Flagge auf. Bald darnach feuerte es<lb/>
eine Kugel nach der <hi rendition="#fr">Adventure;</hi> weil wir aber fort&#x017F;eegelten ohne uns an &#x017F;ein<lb/>
Feuern zu kehren, &#x017F;o kam das Spani&#x017F;che Schiff zuru&#x0364;ck, und &#x017F;choß noch eine<lb/>
Kugel, welche dicht vor der <hi rendition="#fr">Adventure</hi> vorbeygieng. Als Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> dies<lb/>
&#x017F;ahe lies er <hi rendition="#fr">un&#x017F;er</hi> Schiff in den Wind legen, (d. i. wir hielten mit &#x017F;eegeln inne)<lb/>
und die <hi rendition="#fr">Adventure</hi> that nun ein gleiches, doch &#x017F;chien es als ob &#x017F;ie &#x017F;ich hierinn<lb/>
blos nach un&#x017F;erm Bey&#x017F;piel richtete. Der Spanier rief dies Schif auf Engli&#x017F;ch an,<lb/>
und frug &#x201C;was fu&#x0364;r eine Fregatte die <hi rendition="#fr">vor</hi> ihnen wa&#x0364;re?&#x201C; indem er auf <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">uns</hi></hi> zeigte.<lb/>
Sobald er hierauf Antwort bekommen hatte, wollte er eine a&#x0364;hnliche Frage, die<lb/>
man <hi rendition="#fr">ihm</hi> vorlegte, nicht beantworten, &#x017F;ondern erwiderte be&#x017F;ta&#x0364;ndig: &#x201C;Ich wu&#x0364;n&#x017F;ch&#x2019;<lb/>
euch glu&#x0364;ckliche Rei&#x017F;e.&#x201C; Nach die&#x017F;em Auftritte, der fu&#x0364;r die &#x201C;Herren der See&#x201C;<lb/>
eben nicht &#x017F;chmeichelhaft war, &#x017F;etzten wir un&#x017F;re Rei&#x017F;e fort und paßirten das Vor-<lb/>
gebu&#x0364;rge <hi rendition="#fr"><placeName>Fini&#x017F;terre</placeName></hi> in der Nacht. <note xml:id="note-0054" next="#note-0055" place="foot" n="*)">Zum Be&#x017F;ten mancher Le&#x017F;er auf dem fe&#x017F;ten Lande, wird vielleicht die nach&#x017F;tehende Erla&#x0364;u-<lb/>
terung obiger Stelle nicht ganz u&#x0364;berflu&#x0364;ßig &#x017F;eyn. Wenn ein Krieges&#x017F;chiff, ein Kauf&#x017F;ar-<lb/>
they- oder ein kleineres Kriegs&#x017F;chiff anhalten will, um da&#x017F;&#x017F;elbe entweder auszufragen oder<lb/>
gar zu durch&#x017F;uchen, &#x017F;o ge&#x017F;chiehet das gewo&#x0364;hnliche Zeichen dazu, durch Abfeurung einer</note></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ters</persName> Rei&#x017F;e u. d. W., er&#x017F;ter Th.</hi> B</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0054] in den Jahren 1772 bis 1775. ſeit vierzehn Tagen verbraucht und ſich ſeitdem nur von Brod und einer kleinen Portion Wein genaͤhrt haͤtten. In dieſem elenden Zuſtande, waren ihnen ver- ſchiedene Schiffe und beſonders etliche ſpaniſche Kriegs-Schiffe begegnet, nie- mand aber war menſchlich genug geweſen, ihrer Noth abzuhelfen. Der Offi- cier, welcher unſer Boot commandirte, ſchickte ſogleich die ledigen Faͤſſer an das Schiff um ſie anfuͤllen zu laſſen, und die armen Leute nahmen ſie alsdenn mit ſolchen Minen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafteſte Freude ſtralte. Sie dankten dem Himmel und uns, und freuten ſich, daß ſie endlich wieder Feuer ma- chen und nach langem Faſten etwas warmes genießen koͤnnten. So wahr iſts, daß ein gefuͤhlvolles Herz oft Gelegenheit hat ſeine Wohlthaͤtigkeit ohne Koſten zu uͤben. 1772. Julius. Des folgenden Nachmittags ſeegelten drey ſpaniſche Kriegs-Schiffe nach dem Hafen Ferrol vorbey. Eines ſchien 74 Kanonen, die andern zwey aber nur 60 zu fuͤhren. Das letzte zog anfaͤnglich Engliſche Flaggen auf, nachdem wir aber die unſrige gezeigt, lies es dieſe wieder herunter, feuerte eine Kanone unter dem Winde ab, und ſteckte die ſpaniſche Flagge auf. Bald darnach feuerte es eine Kugel nach der Adventure; weil wir aber fortſeegelten ohne uns an ſein Feuern zu kehren, ſo kam das Spaniſche Schiff zuruͤck, und ſchoß noch eine Kugel, welche dicht vor der Adventure vorbeygieng. Als Capitain Cook dies ſahe lies er unſer Schiff in den Wind legen, (d. i. wir hielten mit ſeegeln inne) und die Adventure that nun ein gleiches, doch ſchien es als ob ſie ſich hierinn blos nach unſerm Beyſpiel richtete. Der Spanier rief dies Schif auf Engliſch an, und frug “was fuͤr eine Fregatte die vor ihnen waͤre?“ indem er auf uns zeigte. Sobald er hierauf Antwort bekommen hatte, wollte er eine aͤhnliche Frage, die man ihm vorlegte, nicht beantworten, ſondern erwiderte beſtaͤndig: “Ich wuͤnſch’ euch gluͤckliche Reiſe.“ Nach dieſem Auftritte, der fuͤr die “Herren der See“ eben nicht ſchmeichelhaft war, ſetzten wir unſre Reiſe fort und paßirten das Vor- gebuͤrge Finiſterre in der Nacht. *) *) Zum Beſten mancher Leſer auf dem feſten Lande, wird vielleicht die nachſtehende Erlaͤu- terung obiger Stelle nicht ganz uͤberfluͤßig ſeyn. Wenn ein Kriegesſchiff, ein Kaufſar- they- oder ein kleineres Kriegsſchiff anhalten will, um daſſelbe entweder auszufragen oder gar zu durchſuchen, ſo geſchiehet das gewoͤhnliche Zeichen dazu, durch Abfeurung einer Forſters Reiſe u. d. W., erſter Th. B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/54
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/54>, abgerufen am 01.11.2024.