Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. mal in dem Hause eines freyen Mohamedaners, um einige Gebethe und Capitel1772.October. aus dem Coran zu lesen und abzusingen, als worauf sich ihr ganzer äußerlicher Gottesdienst alhier einschränkt, weil sie keine Priester haben. *) Die Anzahl der Sclaven, welche die Compagnie allhier zu ihrem Dienst *) Wir sind nicht gemeinet dies den Holländern allein schuld zu geben; denn es ist zu be-
kannt, daß alle Neger in Englischen und Französischen Colonien, in diesem Punkt eben so vernachläßigt sind. Wir wünschten nur unter den Colonisten aller Nationen ein mit- leidiges Gefühl gegen diese Unglücklichen rege zu machen; und sie, die das unschätzbare Glück der Freyheit selbst genießen oder wenigstens darnach streben, -- zu erinnern, daß sie menschlich und gütig gegen Elende seyn sollen, denen sie den Seegen der Freiheit, viel leicht ohne alles Mitleid vorenthalten. in den Jahren 1772 bis 1775. mal in dem Hauſe eines freyen Mohamedaners, um einige Gebethe und Capitel1772.October. aus dem Coran zu leſen und abzuſingen, als worauf ſich ihr ganzer aͤußerlicher Gottesdienſt alhier einſchraͤnkt, weil ſie keine Prieſter haben. *) Die Anzahl der Sclaven, welche die Compagnie allhier zu ihrem Dienſt *) Wir ſind nicht gemeinet dies den Hollaͤndern allein ſchuld zu geben; denn es iſt zu be-
kannt, daß alle Neger in Engliſchen und Franzoͤſiſchen Colonien, in dieſem Punkt eben ſo vernachlaͤßigt ſind. Wir wuͤnſchten nur unter den Coloniſten aller Nationen ein mit- leidiges Gefuͤhl gegen dieſe Ungluͤcklichen rege zu machen; und ſie, die das unſchaͤtzbare Gluͤck der Freyheit ſelbſt genießen oder wenigſtens darnach ſtreben, — zu erinnern, daß ſie menſchlich und guͤtig gegen Elende ſeyn ſollen, denen ſie den Seegen der Freiheit, viel leicht ohne alles Mitleid vorenthalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="47"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/> mal in dem Hauſe eines freyen Mohamedaners, um einige Gebethe und Capitel<note place="right">1772.<lb/> October.</note><lb/> aus dem Coran zu leſen und abzuſingen, als worauf ſich ihr ganzer aͤußerlicher<lb/> Gottesdienſt alhier einſchraͤnkt, weil ſie keine Prieſter haben. <note place="foot" n="*)">Wir ſind nicht gemeinet dies den Hollaͤndern allein ſchuld zu geben; denn es iſt zu be-<lb/> kannt, daß alle Neger in Engliſchen und Franzoͤſiſchen Colonien, in dieſem Punkt eben<lb/> ſo vernachlaͤßigt ſind. Wir wuͤnſchten nur unter den Coloniſten aller Nationen ein mit-<lb/> leidiges Gefuͤhl gegen dieſe Ungluͤcklichen rege zu machen; und ſie, die das unſchaͤtzbare<lb/> Gluͤck der Freyheit ſelbſt genießen oder wenigſtens darnach ſtreben, — zu erinnern, daß<lb/> ſie menſchlich und guͤtig gegen Elende ſeyn ſollen, denen ſie den Seegen der Freiheit, viel<lb/> leicht ohne alles Mitleid vorenthalten.</note></p><lb/> <p>Die Anzahl der Sclaven, welche die Compagnie allhier zu ihrem Dienſt<lb/> haͤlt, belaͤuft ſich auf etliche hundert, die ſaͤmmtlich in einem geraͤnmigen Hauſe<lb/> wohnen, in welchem ſie auch zur Arbeit angehalten werden. Ein anderes groſ-<lb/> ſes Gebaͤude iſt zum Hoſpital fuͤr die Matroſen der Compagnie-Schiffe beſtimmt,<lb/> die hier anzulegen pflegen und auf ihren Reiſen von <placeName>Europa</placeName> nach <placeName>Indien</placeName> gemei-<lb/> niglich eine ungeheure Menge von Kranken an Bord haben. Ein ſolcher Oſt-<lb/> Indienfahrer fuͤhrt oft ſechs bis achthundert Mann Recruten nach <placeName>Batavia</placeName> und<lb/> da ſie auf der langen Reiſe durch den heißen Himmelsſtrich, ſehr eng zuſammenge-<lb/> ſteckt, auch an Waſſer ſehr knap gehalten werden, und nichts als Eingeſalznes zu<lb/> eſſen bekommen, ſo iſt kein Wunder, daß ihrer ſo viele drauf gehen. Es iſt was<lb/> ſehr gewoͤhnliches, daß ein Hollaͤndiſches Schiff, von <placeName>Europa</placeName> bis hierher 80, oder<lb/> gar 100. Mann Todte zaͤhlt und bey ſeiner Ankunft alhier noch uͤberdies zwey<lb/> bis drey hundert gefaͤhrlich Kranke ins Hoſpital ſchickt. Die geringen Koſten<lb/> und große Leichtigkeit, womit die Hollaͤndiſchen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Ziel-verkoopers</hi></hi> ihren, die<lb/> Menſchheit entehrenden, Recruten-Handel fuͤr die Oſtindiſche Compagnie zu<lb/> treiben im Stande ſind, macht ſie gegen die Erhaltung der armen Menſchen<lb/> ſo gleichguͤltig. Nichts iſt hier und in andern Hollaͤndiſchen Colonien gemeiner,<lb/> als Soldaten in der Compagnie Dienſten zu finden, die oͤffentlich geſtehen, daß<lb/> ſie in <placeName>Holland</placeName> „<hi rendition="#fr">weggeſtohlen</hi>„ ſind. In der zum Hoſpital gehoͤrenden Apo-<lb/> thecke werden die noͤthigen Arzeneyen zubereitet; aber kein einziges etwas theu-<lb/> res Medicament iſt darin anzutreffen, und da zwo oder drey große Bouteillen<lb/> ohne Unterſchied <hi rendition="#fr">fuͤr alle</hi> Patienten dienen muͤſſen, ſo ſcheint wohl die geſunde<lb/> Land-Luft nebſt den friſchen Lebensmitteln zur Geneſung der Kranken mehr bey-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0092]
in den Jahren 1772 bis 1775.
mal in dem Hauſe eines freyen Mohamedaners, um einige Gebethe und Capitel
aus dem Coran zu leſen und abzuſingen, als worauf ſich ihr ganzer aͤußerlicher
Gottesdienſt alhier einſchraͤnkt, weil ſie keine Prieſter haben. *)
1772.
October.
Die Anzahl der Sclaven, welche die Compagnie allhier zu ihrem Dienſt
haͤlt, belaͤuft ſich auf etliche hundert, die ſaͤmmtlich in einem geraͤnmigen Hauſe
wohnen, in welchem ſie auch zur Arbeit angehalten werden. Ein anderes groſ-
ſes Gebaͤude iſt zum Hoſpital fuͤr die Matroſen der Compagnie-Schiffe beſtimmt,
die hier anzulegen pflegen und auf ihren Reiſen von Europa nach Indien gemei-
niglich eine ungeheure Menge von Kranken an Bord haben. Ein ſolcher Oſt-
Indienfahrer fuͤhrt oft ſechs bis achthundert Mann Recruten nach Batavia und
da ſie auf der langen Reiſe durch den heißen Himmelsſtrich, ſehr eng zuſammenge-
ſteckt, auch an Waſſer ſehr knap gehalten werden, und nichts als Eingeſalznes zu
eſſen bekommen, ſo iſt kein Wunder, daß ihrer ſo viele drauf gehen. Es iſt was
ſehr gewoͤhnliches, daß ein Hollaͤndiſches Schiff, von Europa bis hierher 80, oder
gar 100. Mann Todte zaͤhlt und bey ſeiner Ankunft alhier noch uͤberdies zwey
bis drey hundert gefaͤhrlich Kranke ins Hoſpital ſchickt. Die geringen Koſten
und große Leichtigkeit, womit die Hollaͤndiſchen Ziel-verkoopers ihren, die
Menſchheit entehrenden, Recruten-Handel fuͤr die Oſtindiſche Compagnie zu
treiben im Stande ſind, macht ſie gegen die Erhaltung der armen Menſchen
ſo gleichguͤltig. Nichts iſt hier und in andern Hollaͤndiſchen Colonien gemeiner,
als Soldaten in der Compagnie Dienſten zu finden, die oͤffentlich geſtehen, daß
ſie in Holland „weggeſtohlen„ ſind. In der zum Hoſpital gehoͤrenden Apo-
thecke werden die noͤthigen Arzeneyen zubereitet; aber kein einziges etwas theu-
res Medicament iſt darin anzutreffen, und da zwo oder drey große Bouteillen
ohne Unterſchied fuͤr alle Patienten dienen muͤſſen, ſo ſcheint wohl die geſunde
Land-Luft nebſt den friſchen Lebensmitteln zur Geneſung der Kranken mehr bey-
*) Wir ſind nicht gemeinet dies den Hollaͤndern allein ſchuld zu geben; denn es iſt zu be-
kannt, daß alle Neger in Engliſchen und Franzoͤſiſchen Colonien, in dieſem Punkt eben
ſo vernachlaͤßigt ſind. Wir wuͤnſchten nur unter den Coloniſten aller Nationen ein mit-
leidiges Gefuͤhl gegen dieſe Ungluͤcklichen rege zu machen; und ſie, die das unſchaͤtzbare
Gluͤck der Freyheit ſelbſt genießen oder wenigſtens darnach ſtreben, — zu erinnern, daß
ſie menſchlich und guͤtig gegen Elende ſeyn ſollen, denen ſie den Seegen der Freiheit, viel
leicht ohne alles Mitleid vorenthalten.
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