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Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

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Glasthüre zum vierten Stock, und dahinter ist seine Frau in der Küche bei den Laubfröschen, und er zittert und seufzt und flucht durch einander, bis er sich endlich einzutreten getraut. Aber was ist das? Sie weiß es doch nicht etwa schon? Sie kommt ihm stumm ein paar Schritte entgegen, drückt ihm hastig die Hand und geht wortlos in die Küche zurück, ihre Lippen zucken heftig, das Gesicht ist roth und verweint - - . "Hermine!" ruft er und geht ihr nach. Sie hat schon das Taschentuch vor den Augen. "Ach, es ist was furchtbar Trauriges passirt, - Du hast mir's gleich, - aber ich kann's nicht, - und wenn Du's erst weißt - ." Er bringt schon gar kein Wort mehr heraus, er hält das magere Handgelenk seiner Frau umklammert und fühlt das schnelle, hüpfende Klopfen. "Es kann doch nichts mit der Lotte sein? - Mann," flüstert die alte Frau und enthüllt ihre fließenden Augen, "denk' nur, um Gotteswille, die Emilie - - ." Er athmet auf, es wälzt sich etwas von seiner Brust, die Zunge wird frei: "Was ist mit der Emilie?" "Ach, sie hat sich ins - hat sich ins Wasser gestürzt." Die alte Frau lehnt sich an des Mannes Schulter und schluchzt, abgebrochene Worte murmelt sie dazwischen: "Unter der Eiche, - am Neckar, weißt, - zwanzig Jahr, - so alt wie unsere Lotte, - es ist mir so furchtbar, fuurcht-bar" Ja, sie ist ganz aus einander, die gute Frau. Ihre hageren Backen glühen

Glasthüre zum vierten Stock, und dahinter ist seine Frau in der Küche bei den Laubfröschen, und er zittert und seufzt und flucht durch einander, bis er sich endlich einzutreten getraut. Aber was ist das? Sie weiß es doch nicht etwa schon? Sie kommt ihm stumm ein paar Schritte entgegen, drückt ihm hastig die Hand und geht wortlos in die Küche zurück, ihre Lippen zucken heftig, das Gesicht ist roth und verweint – – . „Hermine!“ ruft er und geht ihr nach. Sie hat schon das Taschentuch vor den Augen. „Ach, es ist was furchtbar Trauriges passirt, – Du hast mir’s gleich, – aber ich kann’s nicht, – und wenn Du’s erst weißt – .“ Er bringt schon gar kein Wort mehr heraus, er hält das magere Handgelenk seiner Frau umklammert und fühlt das schnelle, hüpfende Klopfen. „Es kann doch nichts mit der Lotte sein? – Mann,“ flüstert die alte Frau und enthüllt ihre fließenden Augen, „denk’ nur, um Gotteswille, die Emilie – – .“ Er athmet auf, es wälzt sich etwas von seiner Brust, die Zunge wird frei: „Was ist mit der Emilie?“ „Ach, sie hat sich ins – hat sich ins Wasser gestürzt.“ Die alte Frau lehnt sich an des Mannes Schulter und schluchzt, abgebrochene Worte murmelt sie dazwischen: „Unter der Eiche, – am Neckar, weißt, – zwanzig Jahr, – so alt wie unsere Lotte, – es ist mir so furchtbar, fuurcht-bar“ Ja, sie ist ganz aus einander, die gute Frau. Ihre hageren Backen glühen

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Glasthüre zum vierten Stock, und dahinter ist seine Frau in der Küche bei den Laubfröschen, und er zittert und seufzt und flucht durch einander, bis er sich endlich einzutreten getraut. Aber was ist das? Sie weiß es doch nicht etwa schon? Sie kommt ihm stumm ein paar Schritte entgegen, drückt ihm hastig die Hand und geht wortlos in die Küche zurück, ihre Lippen zucken heftig, das Gesicht ist roth und verweint &#x2013; &#x2013; . &#x201E;Hermine!&#x201C; ruft er und geht ihr nach. Sie hat schon das Taschentuch vor den Augen. &#x201E;Ach, es ist was furchtbar Trauriges passirt, &#x2013; Du hast mir&#x2019;s gleich, &#x2013; aber ich kann&#x2019;s nicht, &#x2013; und wenn Du&#x2019;s erst weißt &#x2013; .&#x201C; Er bringt schon gar kein Wort mehr heraus, er hält das magere Handgelenk seiner Frau umklammert und fühlt das schnelle, hüpfende Klopfen. &#x201E;Es kann doch nichts mit der Lotte sein? &#x2013; Mann,&#x201C; flüstert die alte Frau und enthüllt ihre fließenden Augen, &#x201E;denk&#x2019; nur, um Gotteswille, die Emilie &#x2013; &#x2013; .&#x201C; Er athmet auf, es wälzt sich etwas von seiner Brust, die Zunge wird frei: &#x201E;Was ist mit der Emilie?&#x201C; &#x201E;Ach, sie hat sich ins &#x2013; hat sich ins Wasser gestürzt.&#x201C; Die alte Frau lehnt sich an des Mannes Schulter und schluchzt, abgebrochene Worte murmelt sie dazwischen: &#x201E;Unter der Eiche, &#x2013; am Neckar, weißt, &#x2013; zwanzig Jahr, &#x2013; so alt wie unsere Lotte, &#x2013; es ist mir so furchtbar, fuurcht-bar&#x201C; Ja, sie ist ganz aus einander, die gute Frau. Ihre hageren Backen glühen
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[281/0289] Glasthüre zum vierten Stock, und dahinter ist seine Frau in der Küche bei den Laubfröschen, und er zittert und seufzt und flucht durch einander, bis er sich endlich einzutreten getraut. Aber was ist das? Sie weiß es doch nicht etwa schon? Sie kommt ihm stumm ein paar Schritte entgegen, drückt ihm hastig die Hand und geht wortlos in die Küche zurück, ihre Lippen zucken heftig, das Gesicht ist roth und verweint – – . „Hermine!“ ruft er und geht ihr nach. Sie hat schon das Taschentuch vor den Augen. „Ach, es ist was furchtbar Trauriges passirt, – Du hast mir’s gleich, – aber ich kann’s nicht, – und wenn Du’s erst weißt – .“ Er bringt schon gar kein Wort mehr heraus, er hält das magere Handgelenk seiner Frau umklammert und fühlt das schnelle, hüpfende Klopfen. „Es kann doch nichts mit der Lotte sein? – Mann,“ flüstert die alte Frau und enthüllt ihre fließenden Augen, „denk’ nur, um Gotteswille, die Emilie – – .“ Er athmet auf, es wälzt sich etwas von seiner Brust, die Zunge wird frei: „Was ist mit der Emilie?“ „Ach, sie hat sich ins – hat sich ins Wasser gestürzt.“ Die alte Frau lehnt sich an des Mannes Schulter und schluchzt, abgebrochene Worte murmelt sie dazwischen: „Unter der Eiche, – am Neckar, weißt, – zwanzig Jahr, – so alt wie unsere Lotte, – es ist mir so furchtbar, fuurcht-bar“ Ja, sie ist ganz aus einander, die gute Frau. Ihre hageren Backen glühen

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/289>, abgerufen am 03.06.2024.