die scheinbare Größe des Erdschattens kan durch wirkliche Beobachtung unmöglich so genau gefunden werden, als auch nur zu erträglicher Bestimmung der Sonnenparallaxe erfordert würde. Daher haben die neuern Astronomen auch dieses Verfahren für unbrauchbar erklärt, und ihre genauern Bestimmungen geben die Weite der Sonne auf zwanzigmal größer.
Seit der Verbesserung der astronomischen Beobachtungen durch Tycho de Brahe fielen die Bestimmungen der Sonnenparallaxe von Zeit zu Zeit geringer aus. Tycho selbst nahm sie noch 3 Min., Kepler 1 Min., Hevel nur 40 Sec., Riccioli 28 Sec. an; Wendelins angeführte Beobachtung der Mondsviertel gab nur 15 Secunden. Aus allem dem zeigte sich, daß die Sonnenparallaxe sehr klein sey, daß daher ihre Bestimmung die genausten Methoden und besten Instrumente erfordere. Dennoch verlohnte es sich sehr der Mühe, sie sorgfältig zu untersuchen; denn da die keplerischen Regeln und die Theorie des Planetenlaufs blos Verhältnisse der Abstände im Sonnensystem angeben, so war die Weite der Sonne von der Erde gleichsam die allgemeine Standlinie, auf welche alle diese Abstände bezogen wurden, und von deren Messung die Bestimmung aller absoluten Größen im Weltsystem abhieng. So wußte man zwar, daß Jupiter 5 1/5 mal weiter von der Sonne abstehe, als die Erde; aber wie viel dieser Abstand in bekannten Maaßen betrage, konnte nicht eher ausgemacht werden, als bis die Weite der Sonne in solchen Maaßen genau bestimmt war.
Beym Worte Parallaxe (Th. III. S. 402 u. f.) habe ich gezeigt, auf welche Art sich Parallaxen der Gestirne finden lassen. Aber die dort angegebne Methode läßt sich bey der Sonne und den entferntern Planeten, deren Parallaxen zu klein sind, nicht anbringen. Sie ist nur für Mars, Venus und Merkur zu der Zeit, wenn sie uns sehr nahe kommen, brauchbar. Hat man inzwischen die Parallaxe eines der genannten Planeten auf diese Art gefunden, so giebt die keplerische Theorie für den Augenblick der Beobachtung das Verhältniß seines Abstands von der Erde
die ſcheinbare Groͤße des Erdſchattens kan durch wirkliche Beobachtung unmoͤglich ſo genau gefunden werden, als auch nur zu ertraͤglicher Beſtimmung der Sonnenparallaxe erfordert wuͤrde. Daher haben die neuern Aſtronomen auch dieſes Verfahren fuͤr unbrauchbar erklaͤrt, und ihre genauern Beſtimmungen geben die Weite der Sonne auf zwanzigmal groͤßer.
Seit der Verbeſſerung der aſtronomiſchen Beobachtungen durch Tycho de Brahe fielen die Beſtimmungen der Sonnenparallaxe von Zeit zu Zeit geringer aus. Tycho ſelbſt nahm ſie noch 3 Min., Kepler 1 Min., Hevel nur 40 Sec., Riccioli 28 Sec. an; Wendelins angefuͤhrte Beobachtung der Mondsviertel gab nur 15 Secunden. Aus allem dem zeigte ſich, daß die Sonnenparallaxe ſehr klein ſey, daß daher ihre Beſtimmung die genauſten Methoden und beſten Inſtrumente erfordere. Dennoch verlohnte es ſich ſehr der Muͤhe, ſie ſorgfaͤltig zu unterſuchen; denn da die kepleriſchen Regeln und die Theorie des Planetenlaufs blos Verhaͤltniſſe der Abſtaͤnde im Sonnenſyſtem angeben, ſo war die Weite der Sonne von der Erde gleichſam die allgemeine Standlinie, auf welche alle dieſe Abſtaͤnde bezogen wurden, und von deren Meſſung die Beſtimmung aller abſoluten Groͤßen im Weltſyſtem abhieng. So wußte man zwar, daß Jupiter 5 1/5 mal weiter von der Sonne abſtehe, als die Erde; aber wie viel dieſer Abſtand in bekannten Maaßen betrage, konnte nicht eher ausgemacht werden, als bis die Weite der Sonne in ſolchen Maaßen genau beſtimmt war.
Beym Worte Parallaxe (Th. III. S. 402 u. f.) habe ich gezeigt, auf welche Art ſich Parallaxen der Geſtirne finden laſſen. Aber die dort angegebne Methode laͤßt ſich bey der Sonne und den entferntern Planeten, deren Parallaxen zu klein ſind, nicht anbringen. Sie iſt nur fuͤr Mars, Venus und Merkur zu der Zeit, wenn ſie uns ſehr nahe kommen, brauchbar. Hat man inzwiſchen die Parallaxe eines der genannten Planeten auf dieſe Art gefunden, ſo giebt die kepleriſche Theorie fuͤr den Augenblick der Beobachtung das Verhaͤltniß ſeines Abſtands von der Erde
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die ſcheinbare Groͤße des Erdſchattens kan durch wirkliche Beobachtung unmoͤglich ſo genau gefunden werden, als auch nur zu ertraͤglicher Beſtimmung der Sonnenparallaxe erfordert wuͤrde. Daher haben die neuern Aſtronomen auch dieſes Verfahren fuͤr unbrauchbar erklaͤrt, und ihre genauern Beſtimmungen geben die Weite der Sonne auf zwanzigmal groͤßer.
Seit der Verbeſſerung der aſtronomiſchen Beobachtungen durch Tycho de Brahe fielen die Beſtimmungen der Sonnenparallaxe von Zeit zu Zeit geringer aus. Tycho ſelbſt nahm ſie noch 3 Min., Kepler 1 Min., Hevel nur 40 Sec., Riccioli 28 Sec. an; Wendelins angefuͤhrte Beobachtung der Mondsviertel gab nur 15 Secunden. Aus allem dem zeigte ſich, daß die Sonnenparallaxe ſehr klein ſey, daß daher ihre Beſtimmung die genauſten Methoden und beſten Inſtrumente erfordere. Dennoch verlohnte es ſich ſehr der Muͤhe, ſie ſorgfaͤltig zu unterſuchen; denn da die kepleriſchen Regeln und die Theorie des Planetenlaufs blos Verhaͤltniſſe der Abſtaͤnde im Sonnenſyſtem angeben, ſo war die Weite der Sonne von der Erde gleichſam die allgemeine Standlinie, auf welche alle dieſe Abſtaͤnde bezogen wurden, und von deren Meſſung die Beſtimmung aller abſoluten Groͤßen im Weltſyſtem abhieng. So wußte man zwar, daß Jupiter 5 1/5 mal weiter von der Sonne abſtehe, als die Erde; aber wie viel dieſer Abſtand in bekannten Maaßen betrage, konnte nicht eher ausgemacht werden, als bis die Weite der Sonne in ſolchen Maaßen genau beſtimmt war.
Beym Worte Parallaxe (Th. III. S. 402 u. f.) habe ich gezeigt, auf welche Art ſich Parallaxen der Geſtirne finden laſſen. Aber die dort angegebne Methode laͤßt ſich bey der Sonne und den entferntern Planeten, deren Parallaxen zu klein ſind, nicht anbringen. Sie iſt nur fuͤr Mars, Venus und Merkur zu der Zeit, wenn ſie uns ſehr nahe kommen, brauchbar. Hat man inzwiſchen die Parallaxe eines der genannten Planeten auf dieſe Art gefunden, ſo giebt die kepleriſche Theorie fuͤr den Augenblick der Beobachtung das Verhaͤltniß ſeines Abſtands von der Erde
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/79>, abgerufen am 17.06.2024.
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