Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
An Kühnheit wird's euch auch nicht fehlen, Und wenn ihr euch nur selbst vertraut, Vertrauen euch die andern Seelen. Besonders lernt die Weiber führen; Es ist ihr ewig Weh und Ach So tausendfach Aus Einem Puncte zu curiren, Und wenn ihr halbweg ehrbar thut, Dann habt ihr sie all' unter'm Hut. Ein Titel muß sie erst vertraulich machen, Daß eure Kunst viel Künste übersteigt; Zum Willkomm' tappt ihr dann nach allen Siebensachen, Um die ein andrer viele Jahre streicht, Versteht das Pülslein wohl zu drücken, Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken, Wohl um die schlanke Hüfte frey, Zu seh'n, wie fest geschnürt sie sey. Schüler. Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie. Mephistopheles. Grau, theurer Freund, ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldner Baum.
An Kuͤhnheit wird’s euch auch nicht fehlen, Und wenn ihr euch nur ſelbſt vertraut, Vertrauen euch die andern Seelen. Beſonders lernt die Weiber fuͤhren; Es iſt ihr ewig Weh und Ach So tauſendfach Aus Einem Puncte zu curiren, Und wenn ihr halbweg ehrbar thut, Dann habt ihr ſie all’ unter’m Hut. Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen, Daß eure Kunſt viel Kuͤnſte uͤberſteigt; Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebenſachen, Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht, Verſteht das Puͤlslein wohl zu druͤcken, Und faſſet ſie, mit feurig ſchlauen Blicken, Wohl um die ſchlanke Huͤfte frey, Zu ſeh’n, wie feſt geſchnuͤrt ſie ſey. Schuͤler. Das ſieht ſchon beſſer aus! Man ſieht doch wo und wie. Mephiſtopheles. Grau, theurer Freund, iſt alle Theorie, Und gruͤn des Lebens goldner Baum. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MEP"> <p><pb facs="#f0130" n="124"/> An Kuͤhnheit wird’s euch auch nicht fehlen,<lb/> Und wenn ihr euch nur ſelbſt vertraut,<lb/> Vertrauen euch die andern Seelen.<lb/> Beſonders lernt die Weiber fuͤhren;<lb/> Es iſt ihr ewig Weh und Ach<lb/> So tauſendfach<lb/> Aus Einem Puncte zu curiren,<lb/> Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,<lb/> Dann habt ihr ſie all’ unter’m Hut.<lb/> Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen,<lb/> Daß eure Kunſt viel Kuͤnſte uͤberſteigt;<lb/> Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebenſachen,<lb/> Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht,<lb/> Verſteht das Puͤlslein wohl zu druͤcken,<lb/> Und faſſet ſie, mit feurig ſchlauen Blicken,<lb/> Wohl um die ſchlanke Huͤfte frey,<lb/> Zu ſeh’n, wie feſt geſchnuͤrt ſie ſey.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHUE"> <speaker><hi rendition="#g">Schuͤler</hi>.</speaker><lb/> <p>Das ſieht ſchon beſſer aus! Man ſieht doch wo und wie.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Grau, theurer Freund, iſt alle Theorie,<lb/> Und gruͤn des Lebens goldner Baum.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0130]
An Kuͤhnheit wird’s euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur ſelbſt vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Beſonders lernt die Weiber fuͤhren;
Es iſt ihr ewig Weh und Ach
So tauſendfach
Aus Einem Puncte zu curiren,
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr ſie all’ unter’m Hut.
Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen,
Daß eure Kunſt viel Kuͤnſte uͤberſteigt;
Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebenſachen,
Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht,
Verſteht das Puͤlslein wohl zu druͤcken,
Und faſſet ſie, mit feurig ſchlauen Blicken,
Wohl um die ſchlanke Huͤfte frey,
Zu ſeh’n, wie feſt geſchnuͤrt ſie ſey.
Schuͤler.
Das ſieht ſchon beſſer aus! Man ſieht doch wo und wie.
Mephiſtopheles.
Grau, theurer Freund, iſt alle Theorie,
Und gruͤn des Lebens goldner Baum.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/130 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/130>, abgerufen am 18.06.2024. |