genstände dargestellt, kaum hatte die Belage¬ rung von Calais sich einen enthusiastischen Beyfall gewonnen, so sollte schon dieses Stück, mit sammt seinen vaterländischen Gesellen, hohl und in jedem Sinne verwerflich seyn. Die Sittenschilderungen des Destouches, an denen ich mich als Knabe so oft ergetzt, hieß man schwach, der Name dieses Ehren¬ manns war verschollen, und wie viel andere Schriftsteller müßte ich nicht nennen, um de¬ rentwillen ich den Vorwurf, als urtheile ich wie ein Provinzler, habe erdulden müssen, wenn ich gegen Jemand, der mit dem neu¬ sten literarischen Strome dahinfuhr, irgend einen Antheil an solchen Männern und ihren Werken gezeigt hatte.
So wurden wir andern deutschen Gesel¬ len denn immer verdrießlicher. Nach unsern Gesinnungen, nach unserer Natureigenheit liebten wir die Eindrücke der Gegenstände fest¬ zuhalten, sie nur langsam zu verarbeiten, und
genſtaͤnde dargeſtellt, kaum hatte die Belage¬ rung von Calais ſich einen enthuſiaſtiſchen Beyfall gewonnen, ſo ſollte ſchon dieſes Stuͤck, mit ſammt ſeinen vaterlaͤndiſchen Geſellen, hohl und in jedem Sinne verwerflich ſeyn. Die Sittenſchilderungen des Destouches, an denen ich mich als Knabe ſo oft ergetzt, hieß man ſchwach, der Name dieſes Ehren¬ manns war verſchollen, und wie viel andere Schriftſteller muͤßte ich nicht nennen, um de¬ rentwillen ich den Vorwurf, als urtheile ich wie ein Provinzler, habe erdulden muͤſſen, wenn ich gegen Jemand, der mit dem neu¬ ſten literariſchen Strome dahinfuhr, irgend einen Antheil an ſolchen Maͤnnern und ihren Werken gezeigt hatte.
So wurden wir andern deutſchen Geſel¬ len denn immer verdrießlicher. Nach unſern Geſinnungen, nach unſerer Natureigenheit liebten wir die Eindruͤcke der Gegenſtaͤnde feſt¬ zuhalten, ſie nur langſam zu verarbeiten, und
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genſtaͤnde dargeſtellt, kaum hatte die Belage¬
rung von Calais ſich einen enthuſiaſtiſchen
Beyfall gewonnen, ſo ſollte ſchon dieſes Stuͤck,
mit ſammt ſeinen vaterlaͤndiſchen Geſellen,
hohl und in jedem Sinne verwerflich ſeyn.
Die Sittenſchilderungen des Destouches,
an denen ich mich als Knabe ſo oft ergetzt,
hieß man ſchwach, der Name dieſes Ehren¬
manns war verſchollen, und wie viel andere
Schriftſteller muͤßte ich nicht nennen, um de¬
rentwillen ich den Vorwurf, als urtheile ich
wie ein Provinzler, habe erdulden muͤſſen,
wenn ich gegen Jemand, der mit dem neu¬
ſten literariſchen Strome dahinfuhr, irgend
einen Antheil an ſolchen Maͤnnern und ihren
Werken gezeigt hatte.
So wurden wir andern deutſchen Geſel¬
len denn immer verdrießlicher. Nach unſern
Geſinnungen, nach unſerer Natureigenheit
liebten wir die Eindruͤcke der Gegenſtaͤnde feſt¬
zuhalten, ſie nur langſam zu verarbeiten, und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/103>, abgerufen am 31.10.2024.
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