viel gekostet hat, daß ich nämlich gern sehe, wenn jüngere Wesen sich um mich versammeln und an mich anknüpfen, wodurch ich denn freylich zuletzt mit ihrem Schicksal belastet werde. Eine unangenehme Erfahrung nach der andern konnte mich von dem angebornen Trieb nicht zurückbringen, der noch gegen¬ wärtig, bey der deutlichsten Ueberzeugung, von Zeit zu Zeit mich irre zu führen droht. Mei¬ ne Mutter, klärer als ich, sah wohl voraus, wie sonderbar es meinem Vater vorkommen müßte, wenn ein musicalischer Meßläufer, von einem so ansehnlichen Hause her, zu Gasthö¬ fen und Schenken ginge, sein Brod zu ver¬ dienen; daher sorgte sie in der Nachbarschaft für Herberge und Kost desselben; ich empfahl ihn meinen Freunden, und so befand sich das Kind nicht übel. Nach mehreren Jahren sah ich ihn wieder, wo er größer und tölpischer geworden war, ohne in seiner Kunst viel zu¬ genommen zu haben. Die wackere Frau, mit dem ersten Probestück des Ausgleichens
viel gekoſtet hat, daß ich naͤmlich gern ſehe, wenn juͤngere Weſen ſich um mich verſammeln und an mich anknuͤpfen, wodurch ich denn freylich zuletzt mit ihrem Schickſal belaſtet werde. Eine unangenehme Erfahrung nach der andern konnte mich von dem angebornen Trieb nicht zuruͤckbringen, der noch gegen¬ waͤrtig, bey der deutlichſten Ueberzeugung, von Zeit zu Zeit mich irre zu fuͤhren droht. Mei¬ ne Mutter, klaͤrer als ich, ſah wohl voraus, wie ſonderbar es meinem Vater vorkommen muͤßte, wenn ein muſicaliſcher Meßlaͤufer, von einem ſo anſehnlichen Hauſe her, zu Gaſthoͤ¬ fen und Schenken ginge, ſein Brod zu ver¬ dienen; daher ſorgte ſie in der Nachbarſchaft fuͤr Herberge und Koſt deſſelben; ich empfahl ihn meinen Freunden, und ſo befand ſich das Kind nicht uͤbel. Nach mehreren Jahren ſah ich ihn wieder, wo er groͤßer und toͤlpiſcher geworden war, ohne in ſeiner Kunſt viel zu¬ genommen zu haben. Die wackere Frau, mit dem erſten Probeſtuͤck des Ausgleichens
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viel gekoſtet hat, daß ich naͤmlich gern ſehe,
wenn juͤngere Weſen ſich um mich verſammeln
und an mich anknuͤpfen, wodurch ich denn
freylich zuletzt mit ihrem Schickſal belaſtet
werde. Eine unangenehme Erfahrung nach
der andern konnte mich von dem angebornen
Trieb nicht zuruͤckbringen, der noch gegen¬
waͤrtig, bey der deutlichſten Ueberzeugung, von
Zeit zu Zeit mich irre zu fuͤhren droht. Mei¬
ne Mutter, klaͤrer als ich, ſah wohl voraus,
wie ſonderbar es meinem Vater vorkommen
muͤßte, wenn ein muſicaliſcher Meßlaͤufer, von
einem ſo anſehnlichen Hauſe her, zu Gaſthoͤ¬
fen und Schenken ginge, ſein Brod zu ver¬
dienen; daher ſorgte ſie in der Nachbarſchaft
fuͤr Herberge und Koſt deſſelben; ich empfahl
ihn meinen Freunden, und ſo befand ſich das
Kind nicht uͤbel. Nach mehreren Jahren ſah
ich ihn wieder, wo er groͤßer und toͤlpiſcher
geworden war, ohne in ſeiner Kunſt viel zu¬
genommen zu haben. Die wackere Frau,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/146>, abgerufen am 31.10.2024.
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