Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.Dieser Stadtbesuch sollte nicht lange dau¬ Dieſer Stadtbeſuch ſollte nicht lange dau¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0063" n="55"/> <p>Dieſer Stadtbeſuch ſollte nicht lange dau¬<lb/> ern, aber die Abreiſe verzoͤgerte ſich. Frie¬<lb/> drike that das Ihrige zur geſelligen Unter¬<lb/> haltung, ich ließ es auch nicht fehlen; aber<lb/> die reichen Huͤlfsquellen, die auf dem Lande<lb/> ſo ergiebig ſind, verſiegten bald in der Stadt<lb/> und der Zuſtand ward um ſo peinlicher als<lb/> die Aeltere nach und nach ganz aus der Faſ¬<lb/> ſung kam. Die beyden Schweſtern waren<lb/> die einzigen in der Geſellſchaft, welche ſich<lb/> deutſch trugen. Friedrike hatte ſich niemals<lb/> anders gedacht und glaubte uͤberall ſo recht<lb/> zu ſeyn, ſie verglich ſich nicht; aber Olivien<lb/> war es ganz unertraͤglich, ſo maͤgdehaft aus¬<lb/> gezeichnet in dieſer vornehm erſcheinenden Ge¬<lb/> ſellſchaft einherzugehn. Auf dem Lande be¬<lb/> merkte ſie kaum die ſtaͤdtiſche Tracht an an¬<lb/> dern, ſie verlangte ſie nicht; in der Stadt<lb/> konnte ſie die laͤndliche nicht ertragen. Dieß<lb/> alles zu dem uͤbrigen Geſchicke ſtaͤdtiſcher<lb/> Frauenzimmer, zu den hundert Kleinigkeiten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0063]
Dieſer Stadtbeſuch ſollte nicht lange dau¬
ern, aber die Abreiſe verzoͤgerte ſich. Frie¬
drike that das Ihrige zur geſelligen Unter¬
haltung, ich ließ es auch nicht fehlen; aber
die reichen Huͤlfsquellen, die auf dem Lande
ſo ergiebig ſind, verſiegten bald in der Stadt
und der Zuſtand ward um ſo peinlicher als
die Aeltere nach und nach ganz aus der Faſ¬
ſung kam. Die beyden Schweſtern waren
die einzigen in der Geſellſchaft, welche ſich
deutſch trugen. Friedrike hatte ſich niemals
anders gedacht und glaubte uͤberall ſo recht
zu ſeyn, ſie verglich ſich nicht; aber Olivien
war es ganz unertraͤglich, ſo maͤgdehaft aus¬
gezeichnet in dieſer vornehm erſcheinenden Ge¬
ſellſchaft einherzugehn. Auf dem Lande be¬
merkte ſie kaum die ſtaͤdtiſche Tracht an an¬
dern, ſie verlangte ſie nicht; in der Stadt
konnte ſie die laͤndliche nicht ertragen. Dieß
alles zu dem uͤbrigen Geſchicke ſtaͤdtiſcher
Frauenzimmer, zu den hundert Kleinigkeiten
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