als Erb- und Grundfehler der Deutschen, dieses als die Cardinaltugend der Franzosen allgemein anerkannt. Als öffentlichem Red¬ ner geht es ihm nicht besser. Läßt er eine wohl ausgearbeitete Rede an den König oder die Fürsten drucken, so passen die Jesuiten auf, die ihm, als einem Protestanten, gram sind, und zeigen das Unfranzösische seiner Wendungen.
Anstatt uns nun hieran zu trösten und, als grünes Holz, dasjenige zu ertragen, was dem dürren auflag, so ärgerte uns dagegen diese pedantische Ungerechtigkeit; wir verzwei¬ feln und überzeugen uns vielmehr an diesem auffallenden Beyspiele, daß die Bemühung vergebens sey, den Franzosen durch die Sa¬ che genug zu thun, da sie an die äußern Be¬ dingungen, unter welchen alles erscheinen soll, allzu genau gebunden sind. Wir fassen daher den umgekehrten Entschluß, die französische Sprache gänzlich abzulehnen und uns mehr
III. 6
als Erb- und Grundfehler der Deutſchen, dieſes als die Cardinaltugend der Franzoſen allgemein anerkannt. Als oͤffentlichem Red¬ ner geht es ihm nicht beſſer. Laͤßt er eine wohl ausgearbeitete Rede an den Koͤnig oder die Fuͤrſten drucken, ſo paſſen die Jeſuiten auf, die ihm, als einem Proteſtanten, gram ſind, und zeigen das Unfranzoͤſiſche ſeiner Wendungen.
Anſtatt uns nun hieran zu troͤſten und, als gruͤnes Holz, dasjenige zu ertragen, was dem duͤrren auflag, ſo aͤrgerte uns dagegen dieſe pedantiſche Ungerechtigkeit; wir verzwei¬ feln und uͤberzeugen uns vielmehr an dieſem auffallenden Beyſpiele, daß die Bemuͤhung vergebens ſey, den Franzoſen durch die Sa¬ che genug zu thun, da ſie an die aͤußern Be¬ dingungen, unter welchen alles erſcheinen ſoll, allzu genau gebunden ſind. Wir faſſen daher den umgekehrten Entſchluß, die franzoͤſiſche Sprache gaͤnzlich abzulehnen und uns mehr
III. 6
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als Erb- und Grundfehler der Deutſchen,
dieſes als die Cardinaltugend der Franzoſen
allgemein anerkannt. Als oͤffentlichem Red¬
ner geht es ihm nicht beſſer. Laͤßt er eine
wohl ausgearbeitete Rede an den Koͤnig oder
die Fuͤrſten drucken, ſo paſſen die Jeſuiten
auf, die ihm, als einem Proteſtanten, gram
ſind, und zeigen das Unfranzoͤſiſche ſeiner
Wendungen.
Anſtatt uns nun hieran zu troͤſten und,
als gruͤnes Holz, dasjenige zu ertragen, was
dem duͤrren auflag, ſo aͤrgerte uns dagegen
dieſe pedantiſche Ungerechtigkeit; wir verzwei¬
feln und uͤberzeugen uns vielmehr an dieſem
auffallenden Beyſpiele, daß die Bemuͤhung
vergebens ſey, den Franzoſen durch die Sa¬
che genug zu thun, da ſie an die aͤußern Be¬
dingungen, unter welchen alles erſcheinen ſoll,
allzu genau gebunden ſind. Wir faſſen daher
den umgekehrten Entſchluß, die franzoͤſiſche
Sprache gaͤnzlich abzulehnen und uns mehr
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/89>, abgerufen am 31.10.2024.
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