Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

nem Oheim entzweyt? meine Geschwister so
lange sich selbst überlassen? als um einer
Idee willen. In Amerika glaubte ich zu
wirken, über dem Meere glaubte ich nützlich
und nothwendig zu seyn; war eine Hand¬
lung nicht mit tausend Gefahren umgeben,
so schien sie mir nicht bedeutend, nicht wür¬
dig. Wie anders seh ich jetzt die Dinge,
und wie ist mir das nächste so werth, so
theuer geworden.

Ich erinnere mich wohl des Briefes, ver¬
setzte Jarno, den ich noch über das Meer
erhielt. Sie schrieben mir: ich werde zurück
kehren, und in meinem Hause, in meinem
Baumgarten, mitten unter den Meinigen
sagen: hier, oder nirgends ist Ame¬
rika!

Ja, mein Freund, und ich wiederhole
noch immer dasselbe, und doch schelte ich
mich zugleich, daß ich hier nicht so thätig

C 2

nem Oheim entzweyt? meine Geſchwiſter ſo
lange ſich ſelbſt überlaſſen? als um einer
Idee willen. In Amerika glaubte ich zu
wirken, über dem Meere glaubte ich nützlich
und nothwendig zu ſeyn; war eine Hand¬
lung nicht mit tauſend Gefahren umgeben,
ſo ſchien ſie mir nicht bedeutend, nicht wür¬
dig. Wie anders ſeh ich jetzt die Dinge,
und wie iſt mir das nächſte ſo werth, ſo
theuer geworden.

Ich erinnere mich wohl des Briefes, ver¬
ſetzte Jarno, den ich noch über das Meer
erhielt. Sie ſchrieben mir: ich werde zurück
kehren, und in meinem Hauſe, in meinem
Baumgarten, mitten unter den Meinigen
ſagen: hier, oder nirgends iſt Ame¬
rika!

Ja, mein Freund, und ich wiederhole
noch immer daſſelbe, und doch ſchelte ich
mich zugleich, daß ich hier nicht ſo thätig

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0039" n="35"/>
nem Oheim entzweyt? meine Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter &#x017F;o<lb/>
lange &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en? als um einer<lb/>
Idee willen. In Amerika glaubte ich zu<lb/>
wirken, über dem Meere glaubte ich nützlich<lb/>
und nothwendig zu &#x017F;eyn; war eine Hand¬<lb/>
lung nicht mit tau&#x017F;end Gefahren umgeben,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chien &#x017F;ie mir nicht bedeutend, nicht wür¬<lb/>
dig. Wie anders &#x017F;eh ich jetzt die Dinge,<lb/>
und wie i&#x017F;t mir das näch&#x017F;te &#x017F;o werth, &#x017F;o<lb/>
theuer geworden.</p><lb/>
            <p>Ich erinnere mich wohl des Briefes, ver¬<lb/>
&#x017F;etzte Jarno, den ich noch über das Meer<lb/>
erhielt. Sie &#x017F;chrieben mir: ich werde zurück<lb/>
kehren, und in meinem Hau&#x017F;e, in meinem<lb/>
Baumgarten, mitten unter den Meinigen<lb/>
&#x017F;agen: <hi rendition="#g">hier</hi>, <hi rendition="#g">oder nirgends i&#x017F;t Ame¬<lb/>
rika</hi>!</p><lb/>
            <p>Ja, mein Freund, und ich wiederhole<lb/>
noch immer da&#x017F;&#x017F;elbe, und doch &#x017F;chelte ich<lb/>
mich zugleich, daß ich hier nicht &#x017F;o thätig<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0039] nem Oheim entzweyt? meine Geſchwiſter ſo lange ſich ſelbſt überlaſſen? als um einer Idee willen. In Amerika glaubte ich zu wirken, über dem Meere glaubte ich nützlich und nothwendig zu ſeyn; war eine Hand¬ lung nicht mit tauſend Gefahren umgeben, ſo ſchien ſie mir nicht bedeutend, nicht wür¬ dig. Wie anders ſeh ich jetzt die Dinge, und wie iſt mir das nächſte ſo werth, ſo theuer geworden. Ich erinnere mich wohl des Briefes, ver¬ ſetzte Jarno, den ich noch über das Meer erhielt. Sie ſchrieben mir: ich werde zurück kehren, und in meinem Hauſe, in meinem Baumgarten, mitten unter den Meinigen ſagen: hier, oder nirgends iſt Ame¬ rika! Ja, mein Freund, und ich wiederhole noch immer daſſelbe, und doch ſchelte ich mich zugleich, daß ich hier nicht ſo thätig C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/39
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/39>, abgerufen am 19.05.2024.