über die Sache. Die treffliche Frau erkannte ihren Fehler. Wir beriethen, wir besprachen uns lange, und ohne deshalb weitläufiger zu seyn, will ich Ew. Gnaden unsern Beschluß und unsre Bitte vortragen: Ottilien auf ei¬ nige Zeit zu sich zu nehmen. Die Gründe werden Sie sich selbst am besten entfalten. Bestimmen Sie sich hiezu, so sage ich mehr über die Behandlung des guten Kindes. Ver¬ läßt uns dann Ihre Fräulein Tochter, wie zu vermuthen steht; so sehen wir Ottilien mit Freuden zurückkehren.
Noch eins, das ich vielleicht in der Folge vergessen könnte: ich habe nie gesehen, daß Ottilie etwas verlangt, oder gar um etwas dringend gebethen hätte. Dagegen kommen Fälle, wiewohl selten, daß sie etwas abzuleh¬ nen sucht was man von ihr fordert. Sie thut das mit einer Gebärde, die für den der den Sinn davon gefaßt hat unwiderstehlich ist. Sie drückt die flachen Hände, die sie in
uͤber die Sache. Die treffliche Frau erkannte ihren Fehler. Wir beriethen, wir beſprachen uns lange, und ohne deshalb weitlaͤufiger zu ſeyn, will ich Ew. Gnaden unſern Beſchluß und unſre Bitte vortragen: Ottilien auf ei¬ nige Zeit zu ſich zu nehmen. Die Gruͤnde werden Sie ſich ſelbſt am beſten entfalten. Beſtimmen Sie ſich hiezu, ſo ſage ich mehr uͤber die Behandlung des guten Kindes. Ver¬ laͤßt uns dann Ihre Fraͤulein Tochter, wie zu vermuthen ſteht; ſo ſehen wir Ottilien mit Freuden zuruͤckkehren.
Noch eins, das ich vielleicht in der Folge vergeſſen koͤnnte: ich habe nie geſehen, daß Ottilie etwas verlangt, oder gar um etwas dringend gebethen haͤtte. Dagegen kommen Faͤlle, wiewohl ſelten, daß ſie etwas abzuleh¬ nen ſucht was man von ihr fordert. Sie thut das mit einer Gebaͤrde, die fuͤr den der den Sinn davon gefaßt hat unwiderſtehlich iſt. Sie druͤckt die flachen Haͤnde, die ſie in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0105"n="100"/>
uͤber die Sache. Die treffliche Frau erkannte<lb/>
ihren Fehler. Wir beriethen, wir beſprachen<lb/>
uns lange, und ohne deshalb weitlaͤufiger zu<lb/>ſeyn, will ich Ew. Gnaden unſern Beſchluß<lb/>
und unſre Bitte vortragen: Ottilien auf ei¬<lb/>
nige Zeit zu ſich zu nehmen. Die Gruͤnde<lb/>
werden Sie ſich ſelbſt am beſten entfalten.<lb/>
Beſtimmen Sie ſich hiezu, ſo ſage ich mehr<lb/>
uͤber die Behandlung des guten Kindes. Ver¬<lb/>
laͤßt uns dann Ihre Fraͤulein Tochter, wie<lb/>
zu vermuthen ſteht; ſo ſehen wir Ottilien<lb/>
mit Freuden zuruͤckkehren.</p><lb/><p>Noch eins, das ich vielleicht in der Folge<lb/>
vergeſſen koͤnnte: ich habe nie geſehen, daß<lb/>
Ottilie etwas verlangt, oder gar um etwas<lb/>
dringend gebethen haͤtte. Dagegen kommen<lb/>
Faͤlle, wiewohl ſelten, daß ſie etwas abzuleh¬<lb/>
nen ſucht was man von ihr fordert. Sie<lb/>
thut das mit einer Gebaͤrde, die fuͤr den der<lb/>
den Sinn davon gefaßt hat unwiderſtehlich<lb/>
iſt. Sie druͤckt die flachen Haͤnde, die ſie in<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[100/0105]
uͤber die Sache. Die treffliche Frau erkannte
ihren Fehler. Wir beriethen, wir beſprachen
uns lange, und ohne deshalb weitlaͤufiger zu
ſeyn, will ich Ew. Gnaden unſern Beſchluß
und unſre Bitte vortragen: Ottilien auf ei¬
nige Zeit zu ſich zu nehmen. Die Gruͤnde
werden Sie ſich ſelbſt am beſten entfalten.
Beſtimmen Sie ſich hiezu, ſo ſage ich mehr
uͤber die Behandlung des guten Kindes. Ver¬
laͤßt uns dann Ihre Fraͤulein Tochter, wie
zu vermuthen ſteht; ſo ſehen wir Ottilien
mit Freuden zuruͤckkehren.
Noch eins, das ich vielleicht in der Folge
vergeſſen koͤnnte: ich habe nie geſehen, daß
Ottilie etwas verlangt, oder gar um etwas
dringend gebethen haͤtte. Dagegen kommen
Faͤlle, wiewohl ſelten, daß ſie etwas abzuleh¬
nen ſucht was man von ihr fordert. Sie
thut das mit einer Gebaͤrde, die fuͤr den der
den Sinn davon gefaßt hat unwiderſtehlich
iſt. Sie druͤckt die flachen Haͤnde, die ſie in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/105>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.