Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

fäß auf, und es kann eine ziemliche Zeit ver¬
gehen, ehe dieses neue Ingrediens eine merk¬
liche Gärung verursacht und schäumend über
den Rand schwillt.

Bey unsern Freunden waren die entstehen¬
den wechselseitigen Neigungen von der ange¬
nehmsten Wirkung. Die Gemüther öffneten
sich, und ein allgemeines Wohlwollen ent¬
sprang aus dem besonderen. Jeder Theil
fühlte sich glücklich und gönnte dem andern
sein Glück.

Ein solcher Zustand erhebt den Geist, in¬
dem er das Herz erweitert, und alles was
man thut und vornimmt, hat eine Richtung
gegen das Unermeßliche. So waren auch die
Freunde nicht mehr in ihrer Wohnung be¬
fangen. Ihre Spazirgänge dehnten sich wei¬
ter aus, und wenn dabey Eduard mit Ottilien,
die Pfade zu wählen, die Wege zu bahnen,
vorauseilte; so folgte der Hauptmann mit

faͤß auf, und es kann eine ziemliche Zeit ver¬
gehen, ehe dieſes neue Ingrediens eine merk¬
liche Gaͤrung verurſacht und ſchaͤumend uͤber
den Rand ſchwillt.

Bey unſern Freunden waren die entſtehen¬
den wechſelſeitigen Neigungen von der ange¬
nehmſten Wirkung. Die Gemuͤther oͤffneten
ſich, und ein allgemeines Wohlwollen ent¬
ſprang aus dem beſonderen. Jeder Theil
fuͤhlte ſich gluͤcklich und goͤnnte dem andern
ſein Gluͤck.

Ein ſolcher Zuſtand erhebt den Geiſt, in¬
dem er das Herz erweitert, und alles was
man thut und vornimmt, hat eine Richtung
gegen das Unermeßliche. So waren auch die
Freunde nicht mehr in ihrer Wohnung be¬
fangen. Ihre Spazirgaͤnge dehnten ſich wei¬
ter aus, und wenn dabey Eduard mit Ottilien,
die Pfade zu waͤhlen, die Wege zu bahnen,
vorauseilte; ſo folgte der Hauptmann mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="128"/>
fa&#x0364;ß auf, und es kann eine ziemliche Zeit ver¬<lb/>
gehen, ehe die&#x017F;es neue Ingrediens eine merk¬<lb/>
liche Ga&#x0364;rung verur&#x017F;acht und &#x017F;cha&#x0364;umend u&#x0364;ber<lb/>
den Rand &#x017F;chwillt.</p><lb/>
        <p>Bey un&#x017F;ern Freunden waren die ent&#x017F;tehen¬<lb/>
den wech&#x017F;el&#x017F;eitigen Neigungen von der ange¬<lb/>
nehm&#x017F;ten Wirkung. Die Gemu&#x0364;ther o&#x0364;ffneten<lb/>
&#x017F;ich, und ein allgemeines Wohlwollen ent¬<lb/>
&#x017F;prang aus dem be&#x017F;onderen. Jeder Theil<lb/>
fu&#x0364;hlte &#x017F;ich glu&#x0364;cklich und go&#x0364;nnte dem andern<lb/>
&#x017F;ein Glu&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>Ein &#x017F;olcher Zu&#x017F;tand erhebt den Gei&#x017F;t, in¬<lb/>
dem er das Herz erweitert, und alles was<lb/>
man thut und vornimmt, hat eine Richtung<lb/>
gegen das Unermeßliche. So waren auch die<lb/>
Freunde nicht mehr in ihrer Wohnung be¬<lb/>
fangen. Ihre Spazirga&#x0364;nge dehnten &#x017F;ich wei¬<lb/>
ter aus, und wenn dabey Eduard mit Ottilien,<lb/>
die Pfade zu wa&#x0364;hlen, die Wege zu bahnen,<lb/>
vorauseilte; &#x017F;o folgte der Hauptmann mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0133] faͤß auf, und es kann eine ziemliche Zeit ver¬ gehen, ehe dieſes neue Ingrediens eine merk¬ liche Gaͤrung verurſacht und ſchaͤumend uͤber den Rand ſchwillt. Bey unſern Freunden waren die entſtehen¬ den wechſelſeitigen Neigungen von der ange¬ nehmſten Wirkung. Die Gemuͤther oͤffneten ſich, und ein allgemeines Wohlwollen ent¬ ſprang aus dem beſonderen. Jeder Theil fuͤhlte ſich gluͤcklich und goͤnnte dem andern ſein Gluͤck. Ein ſolcher Zuſtand erhebt den Geiſt, in¬ dem er das Herz erweitert, und alles was man thut und vornimmt, hat eine Richtung gegen das Unermeßliche. So waren auch die Freunde nicht mehr in ihrer Wohnung be¬ fangen. Ihre Spazirgaͤnge dehnten ſich wei¬ ter aus, und wenn dabey Eduard mit Ottilien, die Pfade zu waͤhlen, die Wege zu bahnen, vorauseilte; ſo folgte der Hauptmann mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/133
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/133>, abgerufen am 31.10.2024.