Stelle an Ihrem Herzen verdient. Aber ver¬ geben Sie mir: das Bild ist ungeschickt groß, und dieses Metall, dieses Glas macht mir tau¬ send Aengsten, wenn Sie ein Kind in die Höhe heben, etwas vor sich hintragen, wenn die Kutsche schwankt, wenn wir durchs Ge¬ büsch dringen, eben jetzt, wie wir vom Fel¬ sen herabstiegen. Mir ist die Möglichkeit schrecklich, daß irgend ein unvorgesehener Stoß, ein Fall, eine Berührung Ihnen schädlich und verderblich seyn könnte. Thun Sie es mir zu Liebe, entfernen Sie das Bild, nicht aus Ihrem Andenken, nicht aus Ihrem Zimmer; ja geben Sie ihm den schönsten, den heiligsten Ort Ihrer Wohnung: nur von Ihrer Brust entfernen Sie etwas, dessen Nähe mir, viel¬ leicht aus übertriebener Aengstlichkeit, so ge¬ fährlich scheint.
Ottilie schwieg, und hatte während er sprach vor sich hingesehen; dann, ohne Ueber¬ eilung und ohne Zaudern, mit einem Blick
Stelle an Ihrem Herzen verdient. Aber ver¬ geben Sie mir: das Bild iſt ungeſchickt groß, und dieſes Metall, dieſes Glas macht mir tau¬ ſend Aengſten, wenn Sie ein Kind in die Hoͤhe heben, etwas vor ſich hintragen, wenn die Kutſche ſchwankt, wenn wir durchs Ge¬ buͤſch dringen, eben jetzt, wie wir vom Fel¬ ſen herabſtiegen. Mir iſt die Moͤglichkeit ſchrecklich, daß irgend ein unvorgeſehener Stoß, ein Fall, eine Beruͤhrung Ihnen ſchaͤdlich und verderblich ſeyn koͤnnte. Thun Sie es mir zu Liebe, entfernen Sie das Bild, nicht aus Ihrem Andenken, nicht aus Ihrem Zimmer; ja geben Sie ihm den ſchoͤnſten, den heiligſten Ort Ihrer Wohnung: nur von Ihrer Bruſt entfernen Sie etwas, deſſen Naͤhe mir, viel¬ leicht aus uͤbertriebener Aengſtlichkeit, ſo ge¬ faͤhrlich ſcheint.
Ottilie ſchwieg, und hatte waͤhrend er ſprach vor ſich hingeſehen; dann, ohne Ueber¬ eilung und ohne Zaudern, mit einem Blick
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0137"n="132"/>
Stelle an Ihrem Herzen verdient. Aber ver¬<lb/>
geben Sie mir: das Bild iſt ungeſchickt groß,<lb/>
und dieſes Metall, dieſes Glas macht mir tau¬<lb/>ſend Aengſten, wenn Sie ein Kind in die<lb/>
Hoͤhe heben, etwas vor ſich hintragen, wenn<lb/>
die Kutſche ſchwankt, wenn wir durchs Ge¬<lb/>
buͤſch dringen, eben jetzt, wie wir vom Fel¬<lb/>ſen herabſtiegen. Mir iſt die Moͤglichkeit<lb/>ſchrecklich, daß irgend ein unvorgeſehener Stoß,<lb/>
ein Fall, eine Beruͤhrung Ihnen ſchaͤdlich und<lb/>
verderblich ſeyn koͤnnte. Thun Sie es mir<lb/>
zu Liebe, entfernen Sie das Bild, nicht aus<lb/>
Ihrem Andenken, nicht aus Ihrem Zimmer;<lb/>
ja geben Sie ihm den ſchoͤnſten, den heiligſten<lb/>
Ort Ihrer Wohnung: nur von Ihrer Bruſt<lb/>
entfernen Sie etwas, deſſen Naͤhe mir, viel¬<lb/>
leicht aus uͤbertriebener Aengſtlichkeit, ſo ge¬<lb/>
faͤhrlich ſcheint.</p><lb/><p>Ottilie ſchwieg, und hatte waͤhrend er<lb/>ſprach vor ſich hingeſehen; dann, ohne Ueber¬<lb/>
eilung und ohne Zaudern, mit einem Blick<lb/></p></div></body></text></TEI>
[132/0137]
Stelle an Ihrem Herzen verdient. Aber ver¬
geben Sie mir: das Bild iſt ungeſchickt groß,
und dieſes Metall, dieſes Glas macht mir tau¬
ſend Aengſten, wenn Sie ein Kind in die
Hoͤhe heben, etwas vor ſich hintragen, wenn
die Kutſche ſchwankt, wenn wir durchs Ge¬
buͤſch dringen, eben jetzt, wie wir vom Fel¬
ſen herabſtiegen. Mir iſt die Moͤglichkeit
ſchrecklich, daß irgend ein unvorgeſehener Stoß,
ein Fall, eine Beruͤhrung Ihnen ſchaͤdlich und
verderblich ſeyn koͤnnte. Thun Sie es mir
zu Liebe, entfernen Sie das Bild, nicht aus
Ihrem Andenken, nicht aus Ihrem Zimmer;
ja geben Sie ihm den ſchoͤnſten, den heiligſten
Ort Ihrer Wohnung: nur von Ihrer Bruſt
entfernen Sie etwas, deſſen Naͤhe mir, viel¬
leicht aus uͤbertriebener Aengſtlichkeit, ſo ge¬
faͤhrlich ſcheint.
Ottilie ſchwieg, und hatte waͤhrend er
ſprach vor ſich hingeſehen; dann, ohne Ueber¬
eilung und ohne Zaudern, mit einem Blick
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/137>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.