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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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und Vorgesetzten mittheilt. Diejenigen die an
Ew. Gnaden gerichtet sind lese ich immer mit
doppelter Aufmerksamkeit, mit doppeltem Ver¬
gnügen: denn indem wir Ihnen zu einer
Tochter Glück zu wünschen haben, die alle
jene glänzenden Eigenschaften vereinigt, wo¬
durch man in der Welt emporsteigt; so muß
ich wenigstens Sie nicht minder glücklich preisen,
daß Ihnen in Ihrer Pflegetochter ein Kind
beschert ist, das zum Wohl, zur Zufrieden¬
heit anderer und gewiß auch zu seinem eigenen
Glück geboren ward. Ottilie ist fast unser ein¬
ziger Zögling, über den ich mit unserer so
sehr verehrten Vorsteherinn nicht einig werden
kann. Ich verarge dieser thätigen Frau kei¬
nesweges, daß sie verlangt, man soll die
Früchte ihrer Sorgfalt äußerlich und deutlich
sehen; aber es giebt auch verschlossene Früchte,
die erst die rechten kernhaften sind, und die
sich früher oder später zu einem schönen Le¬
ben entwickeln. Dergleichen ist gewiß Ihre
Pflegetochter. So lange ich sie unterrichte

und Vorgeſetzten mittheilt. Diejenigen die an
Ew. Gnaden gerichtet ſind leſe ich immer mit
doppelter Aufmerkſamkeit, mit doppeltem Ver¬
gnuͤgen: denn indem wir Ihnen zu einer
Tochter Gluͤck zu wuͤnſchen haben, die alle
jene glaͤnzenden Eigenſchaften vereinigt, wo¬
durch man in der Welt emporſteigt; ſo muß
ich wenigſtens Sie nicht minder gluͤcklich preiſen,
daß Ihnen in Ihrer Pflegetochter ein Kind
beſchert iſt, das zum Wohl, zur Zufrieden¬
heit anderer und gewiß auch zu ſeinem eigenen
Gluͤck geboren ward. Ottilie iſt faſt unſer ein¬
ziger Zoͤgling, uͤber den ich mit unſerer ſo
ſehr verehrten Vorſteherinn nicht einig werden
kann. Ich verarge dieſer thaͤtigen Frau kei¬
nesweges, daß ſie verlangt, man ſoll die
Fruͤchte ihrer Sorgfalt aͤußerlich und deutlich
ſehen; aber es giebt auch verſchloſſene Fruͤchte,
die erſt die rechten kernhaften ſind, und die
ſich fruͤher oder ſpaͤter zu einem ſchoͤnen Le¬
ben entwickeln. Dergleichen iſt gewiß Ihre
Pflegetochter. So lange ich ſie unterrichte

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[60/0065] und Vorgeſetzten mittheilt. Diejenigen die an Ew. Gnaden gerichtet ſind leſe ich immer mit doppelter Aufmerkſamkeit, mit doppeltem Ver¬ gnuͤgen: denn indem wir Ihnen zu einer Tochter Gluͤck zu wuͤnſchen haben, die alle jene glaͤnzenden Eigenſchaften vereinigt, wo¬ durch man in der Welt emporſteigt; ſo muß ich wenigſtens Sie nicht minder gluͤcklich preiſen, daß Ihnen in Ihrer Pflegetochter ein Kind beſchert iſt, das zum Wohl, zur Zufrieden¬ heit anderer und gewiß auch zu ſeinem eigenen Gluͤck geboren ward. Ottilie iſt faſt unſer ein¬ ziger Zoͤgling, uͤber den ich mit unſerer ſo ſehr verehrten Vorſteherinn nicht einig werden kann. Ich verarge dieſer thaͤtigen Frau kei¬ nesweges, daß ſie verlangt, man ſoll die Fruͤchte ihrer Sorgfalt aͤußerlich und deutlich ſehen; aber es giebt auch verſchloſſene Fruͤchte, die erſt die rechten kernhaften ſind, und die ſich fruͤher oder ſpaͤter zu einem ſchoͤnen Le¬ ben entwickeln. Dergleichen iſt gewiß Ihre Pflegetochter. So lange ich ſie unterrichte

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/65>, abgerufen am 31.10.2024.