Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich kenne ihn nicht mehr, sagte Eduard
zu seinem Freund, wie thätig und brauchbar der
Mensch ist. Das macht, versetzte der Haupt¬
mann, wir tragen ihm nichts Neues auf,
als bis er das Alte nach seiner Bequemlich¬
keit vollendet hat, und so leistet er, wie du
siehst, sehr viel; sobald man ihn stört, ver¬
mag er gar nichts.

Brachten die Freunde auf diese Weise ihre
Tage zusammen zu, so versäumten sie Abends
nicht Charlotten regelmäßig zu besuchen. Fand
sich keine Gesellschaft von benachbarten Orten
und Gütern, welches öfter geschah; so war
das Gespräch, wie das Lesen, meist solchen
Gegenständen gewidmet, welche den Wohl¬
stand, die Vortheile und das Behagen der
bürgerlichen Gesellschaft vermehren.

Charlotte, ohnehin gewohnt die Gegen¬
wart zu nutzen, fühlte sich, indem sie ihren
Mann zufrieden sah, auch persönlich geför¬

Ich kenne ihn nicht mehr, ſagte Eduard
zu ſeinem Freund, wie thaͤtig und brauchbar der
Menſch iſt. Das macht, verſetzte der Haupt¬
mann, wir tragen ihm nichts Neues auf,
als bis er das Alte nach ſeiner Bequemlich¬
keit vollendet hat, und ſo leiſtet er, wie du
ſiehſt, ſehr viel; ſobald man ihn ſtoͤrt, ver¬
mag er gar nichts.

Brachten die Freunde auf dieſe Weiſe ihre
Tage zuſammen zu, ſo verſaͤumten ſie Abends
nicht Charlotten regelmaͤßig zu beſuchen. Fand
ſich keine Geſellſchaft von benachbarten Orten
und Guͤtern, welches oͤfter geſchah; ſo war
das Geſpraͤch, wie das Leſen, meiſt ſolchen
Gegenſtaͤnden gewidmet, welche den Wohl¬
ſtand, die Vortheile und das Behagen der
buͤrgerlichen Geſellſchaft vermehren.

Charlotte, ohnehin gewohnt die Gegen¬
wart zu nutzen, fuͤhlte ſich, indem ſie ihren
Mann zufrieden ſah, auch perſoͤnlich gefoͤr¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0073" n="68"/>
        <p>Ich kenne ihn nicht mehr, &#x017F;agte Eduard<lb/>
zu &#x017F;einem Freund, wie tha&#x0364;tig und brauchbar der<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t. Das macht, ver&#x017F;etzte der Haupt¬<lb/>
mann, wir tragen ihm nichts Neues auf,<lb/>
als bis er das Alte nach &#x017F;einer Bequemlich¬<lb/>
keit vollendet hat, und &#x017F;o lei&#x017F;tet er, wie du<lb/>
&#x017F;ieh&#x017F;t, &#x017F;ehr viel; &#x017F;obald man ihn &#x017F;to&#x0364;rt, ver¬<lb/>
mag er gar nichts.</p><lb/>
        <p>Brachten die Freunde auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e ihre<lb/>
Tage zu&#x017F;ammen zu, &#x017F;o ver&#x017F;a&#x0364;umten &#x017F;ie Abends<lb/>
nicht Charlotten regelma&#x0364;ßig zu be&#x017F;uchen. Fand<lb/>
&#x017F;ich keine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von benachbarten Orten<lb/>
und Gu&#x0364;tern, welches o&#x0364;fter ge&#x017F;chah; &#x017F;o war<lb/>
das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch, wie das Le&#x017F;en, mei&#x017F;t &#x017F;olchen<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden gewidmet, welche den Wohl¬<lb/>
&#x017F;tand, die Vortheile und das Behagen der<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft vermehren.</p><lb/>
        <p>Charlotte, ohnehin gewohnt die Gegen¬<lb/>
wart zu nutzen, fu&#x0364;hlte &#x017F;ich, indem &#x017F;ie ihren<lb/>
Mann zufrieden &#x017F;ah, auch per&#x017F;o&#x0364;nlich gefo&#x0364;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0073] Ich kenne ihn nicht mehr, ſagte Eduard zu ſeinem Freund, wie thaͤtig und brauchbar der Menſch iſt. Das macht, verſetzte der Haupt¬ mann, wir tragen ihm nichts Neues auf, als bis er das Alte nach ſeiner Bequemlich¬ keit vollendet hat, und ſo leiſtet er, wie du ſiehſt, ſehr viel; ſobald man ihn ſtoͤrt, ver¬ mag er gar nichts. Brachten die Freunde auf dieſe Weiſe ihre Tage zuſammen zu, ſo verſaͤumten ſie Abends nicht Charlotten regelmaͤßig zu beſuchen. Fand ſich keine Geſellſchaft von benachbarten Orten und Guͤtern, welches oͤfter geſchah; ſo war das Geſpraͤch, wie das Leſen, meiſt ſolchen Gegenſtaͤnden gewidmet, welche den Wohl¬ ſtand, die Vortheile und das Behagen der buͤrgerlichen Geſellſchaft vermehren. Charlotte, ohnehin gewohnt die Gegen¬ wart zu nutzen, fuͤhlte ſich, indem ſie ihren Mann zufrieden ſah, auch perſoͤnlich gefoͤr¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/73
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/73>, abgerufen am 31.10.2024.