Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.hinten aussieht? -- und man nicht zurükkehrt? -- Und daß das nun die Eigenschaft unseres Geistes ist, da Verwirrung und Finsterniß zu ahnden, wovon wir nichts Bestimmtes wissen. Den Verdruß, den er bey der Gesandtschaft ge- M 2
hinten ausſieht? — und man nicht zuruͤkkehrt? — Und daß das nun die Eigenſchaft unſeres Geiſtes iſt, da Verwirrung und Finſterniß zu ahnden, wovon wir nichts Beſtimmtes wiſſen. Den Verdruß, den er bey der Geſandtſchaft ge- M 2
<TEI> <text> <body> <div type="diaryEntry"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="179"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> hinten ausſieht? — und man nicht zuruͤkkehrt? —<lb/> Und daß das nun die Eigenſchaft unſeres Geiſtes<lb/> iſt, da Verwirrung und Finſterniß zu ahnden,<lb/> wovon wir nichts Beſtimmtes wiſſen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Den Verdruß, den er bey der Geſandtſchaft ge-<lb/> habt, konnte er nicht vergeſſen. Er erwaͤhnte deſ-<lb/> ſen ſelten, doch wenn es auch auf die entfernteſte<lb/> Weiſe geſchah, ſo konnte man fuͤhlen, daß er ſeine<lb/> Ehre dadurch unwiederbringlich gekraͤnkt hielte, und<lb/> daß ihm dieſer Vorfall eine Abneigung gegen alle<lb/> Geſchaͤfte und politiſche Wirkſamkeit gegeben hatte.<lb/> Daher uͤberließ er ſich ganz der wunderbaren Em-<lb/> pfind- und Denkensart, die wir aus ſeinen Brie-<lb/> fen kennen, und einer endloſen Leidenſchaft, wor-<lb/> uͤber noch endlich alles, was thaͤtige Kraft an ihm<lb/> war, verloͤſchen mußte. Das ewige einerley eines<lb/> traurigen Umgangs mit dem liebenswuͤrdigen und<lb/> geliebten Geſchoͤpfe, deſſen Ruhe er ſtoͤrte, das<lb/> ſtuͤrmende Abarbeiten ſeiner Kraͤfte, ohne Zwek<lb/> und Ausſicht, draͤngten ihn endlich zu der ſchroͤkli-<lb/> chen That.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0067]
hinten ausſieht? — und man nicht zuruͤkkehrt? —
Und daß das nun die Eigenſchaft unſeres Geiſtes
iſt, da Verwirrung und Finſterniß zu ahnden,
wovon wir nichts Beſtimmtes wiſſen.
Den Verdruß, den er bey der Geſandtſchaft ge-
habt, konnte er nicht vergeſſen. Er erwaͤhnte deſ-
ſen ſelten, doch wenn es auch auf die entfernteſte
Weiſe geſchah, ſo konnte man fuͤhlen, daß er ſeine
Ehre dadurch unwiederbringlich gekraͤnkt hielte, und
daß ihm dieſer Vorfall eine Abneigung gegen alle
Geſchaͤfte und politiſche Wirkſamkeit gegeben hatte.
Daher uͤberließ er ſich ganz der wunderbaren Em-
pfind- und Denkensart, die wir aus ſeinen Brie-
fen kennen, und einer endloſen Leidenſchaft, wor-
uͤber noch endlich alles, was thaͤtige Kraft an ihm
war, verloͤſchen mußte. Das ewige einerley eines
traurigen Umgangs mit dem liebenswuͤrdigen und
geliebten Geſchoͤpfe, deſſen Ruhe er ſtoͤrte, das
ſtuͤrmende Abarbeiten ſeiner Kraͤfte, ohne Zwek
und Ausſicht, draͤngten ihn endlich zu der ſchroͤkli-
chen That.
M 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/67 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/67>, abgerufen am 15.06.2024. |