sels-weise in verschiedenen anbringen und was rechtes machen können. Das war aber wohl die wahre Ursache nicht, war- um er nichts regel-mäßiges gemacht. Jndessen ist es doch gut, wenn man ihn liest; um dadurch auf manchen guten Einfall zu kommen; der sich nach unserer Art in der Comö- die anbringen läst. Was sonst von deutschen Comödianten gespielet wird, ist gemeiniglich aus Jtaliänern und Frantzo- sen übersetzt; aus einem Roman zusammen gestümpelt; oder aus der Ollapatrida entlehnet. Daher ist es kein Wunder, daß man noch nichts gescheidtes vorstellen sieht, dafern es nicht irgend aus Molieren entlehnt, oder gantz übersetzet worden.
Die Comödie ist nichts anders, als eine Nachahmung einer lasterhafften Handlung, die durch ihr lächerliches We- sen den Zuschauer belustigen, aber auch zugleich erbauen kan. So hat sie Aristoteles beschrieben, und zugleich erkläret, was er durch das lächerliche verstünde. Er sagt aber sehr wohl, daß es was ungestaltes oder ungereimtes sey, so doch demjeni- gen, der es an sich hat, keinen Schmertz verursachet; wobey er aus dem Homer das Gesichte des Thersites zum Exempel anführet. Es ist also wohl zu mercken, daß weder das la- sterhaffte noch das lächerliche vor sich allein in die Comödie gehöre: sondern beydes zusammen, wenn es in einer Hand- lung verbunden angetroffen wird. Vieles läuft wieder die Tugend, ist aber mehr strafbar und wiederlich, oder gar ab- scheulich; als lächerlich. Vieles ist auch lächerlich; wie zum Exempel die Harlekins-Possen der Jtaliener: Aber darum gar nicht lasterhafft. Beydes gehört also nicht zum Wesen eines rechten Lust-Spiels: Denn
Nach dieser Regel ist es leicht, alle Comödien zu beurtheilen: wo man denn finden wird; daß eine grosse Menge nicht nach den Regeln der Vernunft gemacht sind. Z. E. Machiavel- lus hat die Mandragola gemacht: die zwar sonst ziemlich re- gelmäßig ist; aber weiter nichts, als einen durch viele Spitz- findigkeiten betrogenen Ehmann vorstellt. Der gute Kerl wird im höchsten Grade lächerlich gemacht; indem er seinen
Neben-
Des II Theils XI Capitel
ſels-weiſe in verſchiedenen anbringen und was rechtes machen koͤnnen. Das war aber wohl die wahre Urſache nicht, war- um er nichts regel-maͤßiges gemacht. Jndeſſen iſt es doch gut, wenn man ihn lieſt; um dadurch auf manchen guten Einfall zu kommen; der ſich nach unſerer Art in der Comoͤ- die anbringen laͤſt. Was ſonſt von deutſchen Comoͤdianten geſpielet wird, iſt gemeiniglich aus Jtaliaͤnern und Frantzo- ſen uͤberſetzt; aus einem Roman zuſammen geſtuͤmpelt; oder aus der Ollapatrida entlehnet. Daher iſt es kein Wunder, daß man noch nichts geſcheidtes vorſtellen ſieht, dafern es nicht irgend aus Molieren entlehnt, oder gantz uͤberſetzet worden.
Die Comoͤdie iſt nichts anders, als eine Nachahmung einer laſterhafften Handlung, die durch ihr laͤcherliches We- ſen den Zuſchauer beluſtigen, aber auch zugleich erbauen kan. So hat ſie Ariſtoteles beſchrieben, und zugleich erklaͤret, was er durch das laͤcherliche verſtuͤnde. Er ſagt aber ſehr wohl, daß es was ungeſtaltes oder ungereimtes ſey, ſo doch demjeni- gen, der es an ſich hat, keinen Schmertz verurſachet; wobey er aus dem Homer das Geſichte des Therſites zum Exempel anfuͤhret. Es iſt alſo wohl zu mercken, daß weder das la- ſterhaffte noch das laͤcherliche vor ſich allein in die Comoͤdie gehoͤre: ſondern beydes zuſammen, wenn es in einer Hand- lung verbunden angetroffen wird. Vieles laͤuft wieder die Tugend, iſt aber mehr ſtrafbar und wiederlich, oder gar ab- ſcheulich; als laͤcherlich. Vieles iſt auch laͤcherlich; wie zum Exempel die Harlekins-Poſſen der Jtaliener: Aber darum gar nicht laſterhafft. Beydes gehoͤrt alſo nicht zum Weſen eines rechten Luſt-Spiels: Denn
Nach dieſer Regel iſt es leicht, alle Comoͤdien zu beurtheilen: wo man denn finden wird; daß eine groſſe Menge nicht nach den Regeln der Vernunft gemacht ſind. Z. E. Machiavel- lus hat die Mandragola gemacht: die zwar ſonſt ziemlich re- gelmaͤßig iſt; aber weiter nichts, als einen durch viele Spitz- findigkeiten betrogenen Ehmann vorſtellt. Der gute Kerl wird im hoͤchſten Grade laͤcherlich gemacht; indem er ſeinen
Neben-
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Des II Theils XI Capitel
ſels-weiſe in verſchiedenen anbringen und was rechtes machen
koͤnnen. Das war aber wohl die wahre Urſache nicht, war-
um er nichts regel-maͤßiges gemacht. Jndeſſen iſt es doch
gut, wenn man ihn lieſt; um dadurch auf manchen guten
Einfall zu kommen; der ſich nach unſerer Art in der Comoͤ-
die anbringen laͤſt. Was ſonſt von deutſchen Comoͤdianten
geſpielet wird, iſt gemeiniglich aus Jtaliaͤnern und Frantzo-
ſen uͤberſetzt; aus einem Roman zuſammen geſtuͤmpelt; oder
aus der Ollapatrida entlehnet. Daher iſt es kein Wunder,
daß man noch nichts geſcheidtes vorſtellen ſieht, dafern es nicht
irgend aus Molieren entlehnt, oder gantz uͤberſetzet worden.
Die Comoͤdie iſt nichts anders, als eine Nachahmung
einer laſterhafften Handlung, die durch ihr laͤcherliches We-
ſen den Zuſchauer beluſtigen, aber auch zugleich erbauen kan.
So hat ſie Ariſtoteles beſchrieben, und zugleich erklaͤret, was
er durch das laͤcherliche verſtuͤnde. Er ſagt aber ſehr wohl,
daß es was ungeſtaltes oder ungereimtes ſey, ſo doch demjeni-
gen, der es an ſich hat, keinen Schmertz verurſachet; wobey
er aus dem Homer das Geſichte des Therſites zum Exempel
anfuͤhret. Es iſt alſo wohl zu mercken, daß weder das la-
ſterhaffte noch das laͤcherliche vor ſich allein in die Comoͤdie
gehoͤre: ſondern beydes zuſammen, wenn es in einer Hand-
lung verbunden angetroffen wird. Vieles laͤuft wieder die
Tugend, iſt aber mehr ſtrafbar und wiederlich, oder gar ab-
ſcheulich; als laͤcherlich. Vieles iſt auch laͤcherlich; wie
zum Exempel die Harlekins-Poſſen der Jtaliener: Aber
darum gar nicht laſterhafft. Beydes gehoͤrt alſo nicht zum
Weſen eines rechten Luſt-Spiels: Denn
Omne tulit punctum, qui miſcuit vtile dulci,
Lectorem delectando periterque monendo.
Nach dieſer Regel iſt es leicht, alle Comoͤdien zu beurtheilen:
wo man denn finden wird; daß eine groſſe Menge nicht nach
den Regeln der Vernunft gemacht ſind. Z. E. Machiavel-
lus hat die Mandragola gemacht: die zwar ſonſt ziemlich re-
gelmaͤßig iſt; aber weiter nichts, als einen durch viele Spitz-
findigkeiten betrogenen Ehmann vorſtellt. Der gute Kerl
wird im hoͤchſten Grade laͤcherlich gemacht; indem er ſeinen
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/622>, abgerufen am 17.06.2024.
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