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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. laut u. ablaut. schlußbemerkungen.
erwählte formen gießen, so müsten diese, an sich todt,
erst durch ihn belebt werden. Allein das vermag er
nicht zu thun und es gibt kein ursprünglich unlebendiges
wort. Namen schafft der sprachgeist in glücklichem wurf
durch kühne und kurze beschreibung der sachen. Hier-
nach wird man leicht beobachten, daß in allen sprachen,
z. b. jeder einfachere thier-, stein- und pflanzenname
aus einem verbum stammt und eine lebendige eigenschaft
des thiers oder der pflanze ausdrückt. So auch im deut-
schen, obgleich die meisten solcher namen, ihres hohen
alters halben, aus verlorenen und verdunkelten wurzeln
nicht mehr gedeutet werden können; beispiele auslegbarer
kommen vor: nr. 115. suein; 266. fliuga; 469. hano, huon;
550. haso; 630. vuhs; 601. finke; 626. frosc; 631. lahs,
luhs; 462. dahs, dehsa; 513. weisant; 521. stiurs; 208.
klaufi; 221. naut; 512. eisen; 548. kisil; 564. gold; 255.
lauk; 550. hasal; 325. baris und pirihha; 492. tili u. a. m.
spätere, zusammengesetzte namen bestärken der unzusam-
mengesetzten wahre bedeutung. Eine andere folgerung
ist, daß verba ganz abstracter bedeutung immer eine sinn-
liche zur grundlage oder begleitung gehabt haben müßen;
auf solche ist nr. 115. bei sueinan; 282. bei bidjan; 602.
bei scinkan u. a. m. gerathen worden. Insgemein, wo
aus starker wurzel wenige oder keine ablautsbildungen
vorkommen, scheint die alte urbedeutung verloren oder
verfinstert. --

th) man pflegt sämmtliche verba, nach ihrer entw.
bloß innerlichen, oder außenhin gerichteten thätigkeit
einzutheilen in intransitiva und transitiva. Eine in so
allgemeiner faßung für deutsche form- und wortbildungs-
lehre gleichgültige unterscheidung; es ließe sich bloß be-
haupten, daß in starker form intransitive bedeutung vor-
walte, in schwacher transitive, daneben finden sich aber
genug transitiva dort, genug intransitiva hier. Auch können
die meisten gewöhnlichen intransitiva den umständen nach
transitivisch gestellt werden, z. b. trinken bald heißen potu
satiari, bald vinum consumere; lesen bald legendo occupari,
bald legere librum. Einige grammatiker verbinden mit der
transition einen engeren begriff und verstehen darunter
die übertragung eines immediativen zustandes auf ein an-
deres subject, z. b. tränken, setzen bedeuten: einen trin-
ken, sitzen machen. Diesem bestimmteren sinne entspre-
chen allerdings die meisten der mit dem vocal i abgelei-
teten schwachen verba, doch nicht jedes, wie z. b. das
goth. gasvogjan (ingemiscere) beweist. Der ableitungs-

III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
erwählte formen gießen, ſo müſten dieſe, an ſich todt,
erſt durch ihn belebt werden. Allein das vermag er
nicht zu thun und es gibt kein urſprünglich unlebendiges
wort. Namen ſchafft der ſprachgeiſt in glücklichem wurf
durch kühne und kurze beſchreibung der ſachen. Hier-
nach wird man leicht beobachten, daß in allen ſprachen,
z. b. jeder einfachere thier-, ſtein- und pflanzenname
aus einem verbum ſtammt und eine lebendige eigenſchaft
des thiers oder der pflanze ausdrückt. So auch im deut-
ſchen, obgleich die meiſten ſolcher namen, ihres hohen
alters halben, aus verlorenen und verdunkelten wurzeln
nicht mehr gedeutet werden können; beiſpiele auslegbarer
kommen vor: nr. 115. ſuîn; 266. fliuga; 469. hano, huon;
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klaufi; 221. naut; 512. eiſen; 548. kiſil; 564. gold; 255.
lauk; 550. haſal; 325. baris und pirihha; 492. tili u. a. m.
ſpätere, zuſammengeſetzte namen beſtärken der unzuſam-
mengeſetzten wahre bedeutung. Eine andere folgerung
iſt, daß verba ganz abſtracter bedeutung immer eine ſinn-
liche zur grundlage oder begleitung gehabt haben müßen;
auf ſolche iſt nr. 115. bei ſuînan; 282. bei bidjan; 602.
bei ſcinkan u. a. m. gerathen worden. Insgemein, wo
aus ſtarker wurzel wenige oder keine ablautsbildungen
vorkommen, ſcheint die alte urbedeutung verloren oder
verfinſtert. —

θ) man pflegt ſämmtliche verba, nach ihrer entw.
bloß innerlichen, oder außenhin gerichteten thätigkeit
einzutheilen in intranſitiva und tranſitiva. Eine in ſo
allgemeiner faßung für deutſche form- und wortbildungs-
lehre gleichgültige unterſcheidung; es ließe ſich bloß be-
haupten, daß in ſtarker form intranſitive bedeutung vor-
walte, in ſchwacher tranſitive, daneben finden ſich aber
genug tranſitiva dort, genug intranſitiva hier. Auch können
die meiſten gewöhnlichen intranſitiva den umſtänden nach
tranſitiviſch geſtellt werden, z. b. trinken bald heißen potu
ſatiari, bald vinum conſumere; leſen bald legendo occupari,
bald legere librum. Einige grammatiker verbinden mit der
tranſition einen engeren begriff und verſtehen darunter
die übertragung eines immediativen zuſtandes auf ein an-
deres ſubject, z. b. tränken, ſetzen bedeuten: einen trin-
ken, ſitzen machen. Dieſem beſtimmteren ſinne entſpre-
chen allerdings die meiſten der mit dem vocal i abgelei-
teten ſchwachen verba, doch nicht jedes, wie z. b. das
goth. gaſvôgjan (ingemiſcere) beweiſt. Der ableitungs-

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[85/0103] III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen. erwählte formen gießen, ſo müſten dieſe, an ſich todt, erſt durch ihn belebt werden. Allein das vermag er nicht zu thun und es gibt kein urſprünglich unlebendiges wort. Namen ſchafft der ſprachgeiſt in glücklichem wurf durch kühne und kurze beſchreibung der ſachen. Hier- nach wird man leicht beobachten, daß in allen ſprachen, z. b. jeder einfachere thier-, ſtein- und pflanzenname aus einem verbum ſtammt und eine lebendige eigenſchaft des thiers oder der pflanze ausdrückt. So auch im deut- ſchen, obgleich die meiſten ſolcher namen, ihres hohen alters halben, aus verlorenen und verdunkelten wurzeln nicht mehr gedeutet werden können; beiſpiele auslegbarer kommen vor: nr. 115. ſuîn; 266. fliuga; 469. hano, huon; 550. haſo; 630. vuhs; 601. finke; 626. froſc; 631. lahs, luhs; 462. dahs, dëhſa; 513. wîſant; 521. ſtiurs; 208. klaufi; 221. naut; 512. eiſen; 548. kiſil; 564. gold; 255. lauk; 550. haſal; 325. baris und pirihha; 492. tili u. a. m. ſpätere, zuſammengeſetzte namen beſtärken der unzuſam- mengeſetzten wahre bedeutung. Eine andere folgerung iſt, daß verba ganz abſtracter bedeutung immer eine ſinn- liche zur grundlage oder begleitung gehabt haben müßen; auf ſolche iſt nr. 115. bei ſuînan; 282. bei bidjan; 602. bei ſcinkan u. a. m. gerathen worden. Insgemein, wo aus ſtarker wurzel wenige oder keine ablautsbildungen vorkommen, ſcheint die alte urbedeutung verloren oder verfinſtert. — θ) man pflegt ſämmtliche verba, nach ihrer entw. bloß innerlichen, oder außenhin gerichteten thätigkeit einzutheilen in intranſitiva und tranſitiva. Eine in ſo allgemeiner faßung für deutſche form- und wortbildungs- lehre gleichgültige unterſcheidung; es ließe ſich bloß be- haupten, daß in ſtarker form intranſitive bedeutung vor- walte, in ſchwacher tranſitive, daneben finden ſich aber genug tranſitiva dort, genug intranſitiva hier. Auch können die meiſten gewöhnlichen intranſitiva den umſtänden nach tranſitiviſch geſtellt werden, z. b. trinken bald heißen potu ſatiari, bald vinum conſumere; leſen bald legendo occupari, bald legere librum. Einige grammatiker verbinden mit der tranſition einen engeren begriff und verſtehen darunter die übertragung eines immediativen zuſtandes auf ein an- deres ſubject, z. b. tränken, ſetzen bedeuten: einen trin- ken, ſitzen machen. Dieſem beſtimmteren ſinne entſpre- chen allerdings die meiſten der mit dem vocal i abgelei- teten ſchwachen verba, doch nicht jedes, wie z. b. das goth. gaſvôgjan (ingemiſcere) beweiſt. Der ableitungs-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/103>, abgerufen am 31.10.2024.