linie mit den beiden andern kürzen i und u, nämlich 1) i und u verkehren sich in e und o (ai und au) in la- gen, wo das a gewöhnlich unangefochten bleibt. 2) i und u verkehren sich in j und v, welche consonantisierung das a wieder nicht trifft. 3) i und u zeugen umlaute, niemahls das a. Wenigstens mitwirken mögen diese ur- sachen dazu, daß dem a keine ableitungskraft an und für sich beiwohnt, es auch, wie sich hernach zeigen wird, mit cons. verbunden leichter, als i und u schwindet. Das mittlere a im altn. kallada (1, 923.) scheint assimiliert oder entstellt; im ags. veisade (1, 906.) alth. erata (1, 879.) habe ich a (für e) angenommen.
Die eintretenden ableitungsvocale sind nunmehr im einzelnen zu betrachten; wörter, in denen sie geschwun- den sind, dürfen historisch, so scheinbar sich ihr ansehen durch die entstellung vereinfacht haben mag, nie für einfache gelten. Belege für die reinvocalischen ableitun- gen brauchen hier nicht gegeben zu werden, sie sind im zweiten buche zu suchen, oder, wenn sie consonantischen derivationen hinzutreten, bei diesen.
(I) ableitung durch kurzes i hat
1) statt regelmäßig in der ersten schwachen conj. und in sämmtlichen zweiten declinationen, vgl. nas-i-an, sok-i-an, har-i (voc.) haird-i (voc.) thiv-i, kun-i, vil-i-a, rath-i-o, mid-i-s; ausnahmsweise in einigen verbis starker conj. bid-i-an etc. in einigen verbis zwei- ter, seltner dritter schw. conj., deren ableitungs-i eigent- lich schon in dem nomen steckt, von welchem sie her- stammen, z. b. goth. auh-i-on, alth. her-i-on, altn. her-i-a; endlich in einzelnen masc. dritter starker (stub- jus, vaddjus) und einzelnen fem. erster starker decl. wie sun-i-a (1, 603.). Daß die alth. zweite weibliche der goth. nicht recht parallel liegt wurde schon 1, 618. be- merkt, weiteres hernach bei den ableitungen -ei (-ei).
2) wandlung des i in j vor flexionsvocalen, deren silbe es dann hinzutritt, leidet nach genauer goth. schrei- bung keinen zweifel: nas-jan, har-jis, thiu-jos, kun-jis, vil-jins, rath-jon; im altn. entscheidet die isländ. aus- sprache für tel-ja, kyn-ja (gen. pl.) vil-ja, kirk-ja; im alth. ist j nur nach goth. und altn. analogie gesetzt worden. Doch im alth. zuweilen, häufiger im alts., noch entschiedner im ags. zeigt sich vocalisches e statt i, näm- lich alth. vor flexionsvocalen a, o, o (offenbar erregen und fordern die schwächungen e, o einander wechsel-
III. reinvocaliſche ableitungen.
linie mit den beiden andern kürzen i und u, nämlich 1) i und u verkehren ſich in ë und o (aí und aú) in la- gen, wo das a gewöhnlich unangefochten bleibt. 2) i und u verkehren ſich in j und v, welche conſonantiſierung das a wieder nicht trifft. 3) i und u zeugen umlaute, niemahls das a. Wenigſtens mitwirken mögen dieſe ur- ſachen dazu, daß dem a keine ableitungskraft an und für ſich beiwohnt, es auch, wie ſich hernach zeigen wird, mit conſ. verbunden leichter, als i und u ſchwindet. Das mittlere a im altn. kallada (1, 923.) ſcheint aſſimiliert oder entſtellt; im agſ. vîſade (1, 906.) alth. êrata (1, 879.) habe ich â (für ê) angenommen.
Die eintretenden ableitungsvocale ſind nunmehr im einzelnen zu betrachten; wörter, in denen ſie geſchwun- den ſind, dürfen hiſtoriſch, ſo ſcheinbar ſich ihr anſehen durch die entſtellung vereinfacht haben mag, nie für einfache gelten. Belege für die reinvocaliſchen ableitun- gen brauchen hier nicht gegeben zu werden, ſie ſind im zweiten buche zu ſuchen, oder, wenn ſie conſonantiſchen derivationen hinzutreten, bei dieſen.
(I) ableitung durch kurzes i hat
1) ſtatt regelmäßig in der erſten ſchwachen conj. und in ſämmtlichen zweiten declinationen, vgl. naſ-i-an, ſôk-i-an, har-i (voc.) haírd-i (voc.) þiv-i, kun-i, vil-i-a, raþ-i-ô, mid-i-s; ausnahmsweiſe in einigen verbis ſtarker conj. bid-i-an etc. in einigen verbis zwei- ter, ſeltner dritter ſchw. conj., deren ableitungs-i eigent- lich ſchon in dem nomen ſteckt, von welchem ſie her- ſtammen, z. b. goth. aúh-i-ôn, alth. her-i-ôn, altn. her-i-a; endlich in einzelnen maſc. dritter ſtarker (ſtub- jus, vaddjus) und einzelnen fem. erſter ſtarker decl. wie ſun-i-a (1, 603.). Daß die alth. zweite weibliche der goth. nicht recht parallel liegt wurde ſchon 1, 618. be- merkt, weiteres hernach bei den ableitungen -ei (-î).
2) wandlung des i in j vor flexionsvocalen, deren ſilbe es dann hinzutritt, leidet nach genauer goth. ſchrei- bung keinen zweifel: naſ-jan, har-jis, þiu-jôs, kun-jis, vil-jins, raþ-jôn; im altn. entſcheidet die iſländ. aus- ſprache für tel-ja, kyn-ja (gen. pl.) vil-ja, kirk-ja; im alth. iſt j nur nach goth. und altn. analogie geſetzt worden. Doch im alth. zuweilen, häufiger im altſ., noch entſchiedner im agſ. zeigt ſich vocaliſches ë ſtatt i, näm- lich alth. vor flexionsvocalen a, o, ô (offenbar erregen und fordern die ſchwächungen ë, o einander wechſel-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0111"n="93"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">reinvocaliſche ableitungen.</hi></hi></fw><lb/>
linie mit den beiden andern kürzen i und u, nämlich<lb/>
1) i und u verkehren ſich in ë und o (aí und aú) in la-<lb/>
gen, wo das a gewöhnlich unangefochten bleibt. 2) i und<lb/>
u verkehren ſich in j und v, welche conſonantiſierung<lb/>
das a wieder nicht trifft. 3) i und u zeugen umlaute,<lb/>
niemahls das a. Wenigſtens mitwirken mögen dieſe ur-<lb/>ſachen dazu, daß dem a keine ableitungskraft an und für<lb/>ſich beiwohnt, es auch, wie ſich hernach zeigen wird,<lb/>
mit conſ. verbunden leichter, als i und u ſchwindet.<lb/>
Das mittlere a im altn. kallada (1, 923.) ſcheint aſſimiliert<lb/>
oder entſtellt; im agſ. vîſade (1, 906.) alth. êrata (1, 879.)<lb/>
habe ich â (für ê) angenommen.</p><lb/><p>Die eintretenden ableitungsvocale ſind nunmehr im<lb/>
einzelnen zu betrachten; wörter, in denen ſie geſchwun-<lb/>
den ſind, dürfen hiſtoriſch, ſo ſcheinbar ſich ihr anſehen<lb/>
durch die entſtellung vereinfacht haben mag, nie für<lb/>
einfache gelten. Belege für die reinvocaliſchen ableitun-<lb/>
gen brauchen hier nicht gegeben zu werden, ſie ſind im<lb/>
zweiten buche zu ſuchen, oder, wenn ſie conſonantiſchen<lb/>
derivationen hinzutreten, bei dieſen.</p><lb/><p>(I) ableitung durch kurzes i hat</p><lb/><p>1) ſtatt regelmäßig in der erſten ſchwachen conj. und<lb/>
in ſämmtlichen zweiten declinationen, vgl. naſ-i-an,<lb/>ſôk-i-an, har-i (voc.) haírd-i (voc.) þiv-i, kun-i,<lb/>
vil-i-a, raþ-i-ô, mid-i-s; ausnahmsweiſe in einigen<lb/>
verbis ſtarker conj. bid-i-an etc. in einigen verbis zwei-<lb/>
ter, ſeltner dritter ſchw. conj., deren ableitungs-i eigent-<lb/>
lich ſchon in dem nomen ſteckt, von welchem ſie her-<lb/>ſtammen, z. b. goth. aúh-i-ôn, alth. her-i-ôn, altn.<lb/>
her-i-a; endlich in einzelnen maſc. dritter ſtarker (ſtub-<lb/>
jus, vaddjus) und einzelnen fem. erſter ſtarker decl. wie<lb/>ſun-i-a (1, 603.). Daß die alth. zweite weibliche der<lb/>
goth. nicht recht parallel liegt wurde ſchon 1, 618. be-<lb/>
merkt, weiteres hernach bei den ableitungen -ei (-î).</p><lb/><p>2) wandlung des i in j vor flexionsvocalen, deren<lb/>ſilbe es dann hinzutritt, leidet nach genauer goth. ſchrei-<lb/>
bung keinen zweifel: naſ-jan, har-jis, þiu-jôs, kun-jis,<lb/>
vil-jins, raþ-jôn; im altn. entſcheidet die iſländ. aus-<lb/>ſprache für tel-ja, kyn-ja (gen. pl.) vil-ja, kirk-ja;<lb/>
im alth. iſt j nur nach goth. und altn. analogie geſetzt<lb/>
worden. Doch im alth. zuweilen, häufiger im altſ., noch<lb/>
entſchiedner im agſ. zeigt ſich vocaliſches ë ſtatt i, näm-<lb/>
lich alth. vor flexionsvocalen a, o, ô (offenbar erregen<lb/>
und fordern die ſchwächungen ë, o einander wechſel-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[93/0111]
III. reinvocaliſche ableitungen.
linie mit den beiden andern kürzen i und u, nämlich
1) i und u verkehren ſich in ë und o (aí und aú) in la-
gen, wo das a gewöhnlich unangefochten bleibt. 2) i und
u verkehren ſich in j und v, welche conſonantiſierung
das a wieder nicht trifft. 3) i und u zeugen umlaute,
niemahls das a. Wenigſtens mitwirken mögen dieſe ur-
ſachen dazu, daß dem a keine ableitungskraft an und für
ſich beiwohnt, es auch, wie ſich hernach zeigen wird,
mit conſ. verbunden leichter, als i und u ſchwindet.
Das mittlere a im altn. kallada (1, 923.) ſcheint aſſimiliert
oder entſtellt; im agſ. vîſade (1, 906.) alth. êrata (1, 879.)
habe ich â (für ê) angenommen.
Die eintretenden ableitungsvocale ſind nunmehr im
einzelnen zu betrachten; wörter, in denen ſie geſchwun-
den ſind, dürfen hiſtoriſch, ſo ſcheinbar ſich ihr anſehen
durch die entſtellung vereinfacht haben mag, nie für
einfache gelten. Belege für die reinvocaliſchen ableitun-
gen brauchen hier nicht gegeben zu werden, ſie ſind im
zweiten buche zu ſuchen, oder, wenn ſie conſonantiſchen
derivationen hinzutreten, bei dieſen.
(I) ableitung durch kurzes i hat
1) ſtatt regelmäßig in der erſten ſchwachen conj. und
in ſämmtlichen zweiten declinationen, vgl. naſ-i-an,
ſôk-i-an, har-i (voc.) haírd-i (voc.) þiv-i, kun-i,
vil-i-a, raþ-i-ô, mid-i-s; ausnahmsweiſe in einigen
verbis ſtarker conj. bid-i-an etc. in einigen verbis zwei-
ter, ſeltner dritter ſchw. conj., deren ableitungs-i eigent-
lich ſchon in dem nomen ſteckt, von welchem ſie her-
ſtammen, z. b. goth. aúh-i-ôn, alth. her-i-ôn, altn.
her-i-a; endlich in einzelnen maſc. dritter ſtarker (ſtub-
jus, vaddjus) und einzelnen fem. erſter ſtarker decl. wie
ſun-i-a (1, 603.). Daß die alth. zweite weibliche der
goth. nicht recht parallel liegt wurde ſchon 1, 618. be-
merkt, weiteres hernach bei den ableitungen -ei (-î).
2) wandlung des i in j vor flexionsvocalen, deren
ſilbe es dann hinzutritt, leidet nach genauer goth. ſchrei-
bung keinen zweifel: naſ-jan, har-jis, þiu-jôs, kun-jis,
vil-jins, raþ-jôn; im altn. entſcheidet die iſländ. aus-
ſprache für tel-ja, kyn-ja (gen. pl.) vil-ja, kirk-ja;
im alth. iſt j nur nach goth. und altn. analogie geſetzt
worden. Doch im alth. zuweilen, häufiger im altſ., noch
entſchiedner im agſ. zeigt ſich vocaliſches ë ſtatt i, näm-
lich alth. vor flexionsvocalen a, o, ô (offenbar erregen
und fordern die ſchwächungen ë, o einander wechſel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/111>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.