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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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als er immer keine Antwort erhielt, nahm er einen Anlauf und stieß das Gespenst hinab, daß es Hals und Bein brach. Darauf läutete er die Glocke und wie das geschehn war, stieg er wieder hinab, legte sich ohne ein Wort zu sprechen ins Bett und schlief fort. Die Küsterfrau wartete auf ihren Mann lange Zeit, aber der kam immer nicht wieder, da ward ihr endlich Angst, daß sie den Jungen weckte und fragte: "weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist mit auf den Thurm gestiegen." "Nein, antwortete der Bub, aber da hat einer im Schallloch gestanden, und weil er nicht weggehn und keine Antwort geben wollte, so habe ich ihn hinunter geschmissen; geht einmal hin, so werdet ihr sehen, ob ers ist." Die Frau eilte voll Angst auf den Kirchhof und fand ihren Mann todt auf der Erde liegen.

Da lief sie schreiend zu dem Vater des Jungen und weckte ihn und sprach: "ach was hat euer Taugenichts für ein Unglück angerichtet, meinen Mann hat er zum Schallloch hinunter gestürzt, daß er todt auf dem Kirchhof liegt!" Der Vater erschrack, kam herbei gelaufen und schalt den Jungen: "was sind das für gottlose Streiche! die muß dir der Böse eingegeben haben!" "Ei Vater, antwortete er, ich bin ganz unschuldig; er stand da in der Nacht, wie einer der Böses vor hat, ich wußte nicht wers war, ich habs ihm ja dreimal voraus gesagt, warum ist er nicht weggegangen." "Ach, sprach der Vater, mit dir erleb ich nur Unglück, geh mir vor den Augen weg, ich will dich nicht mehr ansehn." "Ja, Vater, recht gern, wartet nur bis Tag ist, da will ich ausgehn und das Gruseln lernen, so versteh ich doch auch eine

als er immer keine Antwort erhielt, nahm er einen Anlauf und stieß das Gespenst hinab, daß es Hals und Bein brach. Darauf laͤutete er die Glocke und wie das geschehn war, stieg er wieder hinab, legte sich ohne ein Wort zu sprechen ins Bett und schlief fort. Die Kuͤsterfrau wartete auf ihren Mann lange Zeit, aber der kam immer nicht wieder, da ward ihr endlich Angst, daß sie den Jungen weckte und fragte: „weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist mit auf den Thurm gestiegen.“ „Nein, antwortete der Bub, aber da hat einer im Schallloch gestanden, und weil er nicht weggehn und keine Antwort geben wollte, so habe ich ihn hinunter geschmissen; geht einmal hin, so werdet ihr sehen, ob ers ist.“ Die Frau eilte voll Angst auf den Kirchhof und fand ihren Mann todt auf der Erde liegen.

Da lief sie schreiend zu dem Vater des Jungen und weckte ihn und sprach: „ach was hat euer Taugenichts fuͤr ein Ungluͤck angerichtet, meinen Mann hat er zum Schallloch hinunter gestuͤrzt, daß er todt auf dem Kirchhof liegt!“ Der Vater erschrack, kam herbei gelaufen und schalt den Jungen: „was sind das fuͤr gottlose Streiche! die muß dir der Boͤse eingegeben haben!“ „Ei Vater, antwortete er, ich bin ganz unschuldig; er stand da in der Nacht, wie einer der Boͤses vor hat, ich wußte nicht wers war, ich habs ihm ja dreimal voraus gesagt, warum ist er nicht weggegangen.“ „Ach, sprach der Vater, mit dir erleb ich nur Ungluͤck, geh mir vor den Augen weg, ich will dich nicht mehr ansehn.“ „Ja, Vater, recht gern, wartet nur bis Tag ist, da will ich ausgehn und das Gruseln lernen, so versteh ich doch auch eine

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[16/0080] als er immer keine Antwort erhielt, nahm er einen Anlauf und stieß das Gespenst hinab, daß es Hals und Bein brach. Darauf laͤutete er die Glocke und wie das geschehn war, stieg er wieder hinab, legte sich ohne ein Wort zu sprechen ins Bett und schlief fort. Die Kuͤsterfrau wartete auf ihren Mann lange Zeit, aber der kam immer nicht wieder, da ward ihr endlich Angst, daß sie den Jungen weckte und fragte: „weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist mit auf den Thurm gestiegen.“ „Nein, antwortete der Bub, aber da hat einer im Schallloch gestanden, und weil er nicht weggehn und keine Antwort geben wollte, so habe ich ihn hinunter geschmissen; geht einmal hin, so werdet ihr sehen, ob ers ist.“ Die Frau eilte voll Angst auf den Kirchhof und fand ihren Mann todt auf der Erde liegen. Da lief sie schreiend zu dem Vater des Jungen und weckte ihn und sprach: „ach was hat euer Taugenichts fuͤr ein Ungluͤck angerichtet, meinen Mann hat er zum Schallloch hinunter gestuͤrzt, daß er todt auf dem Kirchhof liegt!“ Der Vater erschrack, kam herbei gelaufen und schalt den Jungen: „was sind das fuͤr gottlose Streiche! die muß dir der Boͤse eingegeben haben!“ „Ei Vater, antwortete er, ich bin ganz unschuldig; er stand da in der Nacht, wie einer der Boͤses vor hat, ich wußte nicht wers war, ich habs ihm ja dreimal voraus gesagt, warum ist er nicht weggegangen.“ „Ach, sprach der Vater, mit dir erleb ich nur Ungluͤck, geh mir vor den Augen weg, ich will dich nicht mehr ansehn.“ „Ja, Vater, recht gern, wartet nur bis Tag ist, da will ich ausgehn und das Gruseln lernen, so versteh ich doch auch eine

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/80>, abgerufen am 02.06.2024.