Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.saßen sie zu Tisch, und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis den andern Morgen, und das war ein herrlich Leben. Das Vöglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend es wäre lang genug Knecht gewest, und hätte gleichsam ihr Narr sein müssen, sie sollten einmal umwechseln, und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wie wohl die Maus heftig dafür bate, auch die Bratwurst, so ward der Vogel doch Meister, es mußte gewagt seyn, spieleten derowegen, und kam das Loos auf die Bratwurst, die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel sollte Wasser holen. Was geschicht? das Bratwürstchen zog fort gen Holz, das Vöglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf zu, und erwarteten allein, bis Bratwürstchen heim käme, und Holz für den andern Tag brächte. Es blieb aber das Würstlein so lang unterwegs, daß ihnen beiden nichts guts vorkam, und das Vöglein ein Stück Luft hinaus entgegen floge. Unfern aber findet es einen Hund am Weg, der das arme Bratwürstlein als freie Beut angetroffen, angepackt und niedergemacht. Das Vöglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn, sprach der Hund, er hätte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen wäre sie ihm des Lebens verfallen gewesen. Das Vöglein, traurig, nahm das Holz auf sich, flog heim, und erzählete was es gesehn und gehöret. Sie waren sehr betrübt, verglichen sich aber das beste zu thun, und beisammen saßen sie zu Tisch, und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis den andern Morgen, und das war ein herrlich Leben. Das Voͤglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend es waͤre lang genug Knecht gewest, und haͤtte gleichsam ihr Narr sein muͤssen, sie sollten einmal umwechseln, und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wie wohl die Maus heftig dafuͤr bate, auch die Bratwurst, so ward der Vogel doch Meister, es mußte gewagt seyn, spieleten derowegen, und kam das Loos auf die Bratwurst, die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel sollte Wasser holen. Was geschicht? das Bratwuͤrstchen zog fort gen Holz, das Voͤglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf zu, und erwarteten allein, bis Bratwuͤrstchen heim kaͤme, und Holz fuͤr den andern Tag braͤchte. Es blieb aber das Wuͤrstlein so lang unterwegs, daß ihnen beiden nichts guts vorkam, und das Voͤglein ein Stuͤck Luft hinaus entgegen floge. Unfern aber findet es einen Hund am Weg, der das arme Bratwuͤrstlein als freie Beut angetroffen, angepackt und niedergemacht. Das Voͤglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn, sprach der Hund, er haͤtte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen waͤre sie ihm des Lebens verfallen gewesen. Das Voͤglein, traurig, nahm das Holz auf sich, flog heim, und erzaͤhlete was es gesehn und gehoͤret. Sie waren sehr betruͤbt, verglichen sich aber das beste zu thun, und beisammen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="152"/> saßen sie zu Tisch, und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis den andern Morgen, und das war ein herrlich Leben.</p><lb/> <p>Das Voͤglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend es waͤre lang genug Knecht gewest, und haͤtte gleichsam ihr Narr sein muͤssen, sie sollten einmal umwechseln, und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wie wohl die Maus heftig dafuͤr bate, auch die Bratwurst, so ward der Vogel doch Meister, es mußte gewagt seyn, spieleten derowegen, und kam das Loos auf die Bratwurst, die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel sollte Wasser holen.</p><lb/> <p>Was geschicht? das Bratwuͤrstchen zog fort gen Holz, das Voͤglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf zu, und erwarteten allein, bis Bratwuͤrstchen heim kaͤme, und Holz fuͤr den andern Tag braͤchte. Es blieb aber das Wuͤrstlein so lang unterwegs, daß ihnen beiden nichts guts vorkam, und das Voͤglein ein Stuͤck Luft hinaus entgegen floge. Unfern aber findet es einen Hund am Weg, der das arme Bratwuͤrstlein als freie Beut angetroffen, angepackt und niedergemacht. Das Voͤglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn, sprach der Hund, er haͤtte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen waͤre sie ihm des Lebens verfallen gewesen.</p><lb/> <p>Das Voͤglein, traurig, nahm das Holz auf sich, flog heim, und erzaͤhlete was es gesehn und gehoͤret. Sie waren sehr betruͤbt, verglichen sich aber das beste zu thun, und beisammen </p> </div> </body> </text> </TEI> [152/0183]
saßen sie zu Tisch, und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis den andern Morgen, und das war ein herrlich Leben.
Das Voͤglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend es waͤre lang genug Knecht gewest, und haͤtte gleichsam ihr Narr sein muͤssen, sie sollten einmal umwechseln, und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wie wohl die Maus heftig dafuͤr bate, auch die Bratwurst, so ward der Vogel doch Meister, es mußte gewagt seyn, spieleten derowegen, und kam das Loos auf die Bratwurst, die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel sollte Wasser holen.
Was geschicht? das Bratwuͤrstchen zog fort gen Holz, das Voͤglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf zu, und erwarteten allein, bis Bratwuͤrstchen heim kaͤme, und Holz fuͤr den andern Tag braͤchte. Es blieb aber das Wuͤrstlein so lang unterwegs, daß ihnen beiden nichts guts vorkam, und das Voͤglein ein Stuͤck Luft hinaus entgegen floge. Unfern aber findet es einen Hund am Weg, der das arme Bratwuͤrstlein als freie Beut angetroffen, angepackt und niedergemacht. Das Voͤglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn, sprach der Hund, er haͤtte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen waͤre sie ihm des Lebens verfallen gewesen.
Das Voͤglein, traurig, nahm das Holz auf sich, flog heim, und erzaͤhlete was es gesehn und gehoͤret. Sie waren sehr betruͤbt, verglichen sich aber das beste zu thun, und beisammen
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/183>, abgerufen am 17.06.2024. |