[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Ungeheuere traut man sich zu, nicht nur die tief, ach! so tief geschlagenen Wurzeln des Hasses auszuheben, sondern sogar an ihre Stelle junge, frische Reiser, Liebe und Vertrauen, zu pflanzen. Neulich hieß es irgendwo, daß die republicanische Richtung, die das Leben in Süddeutschlands constitutionellen Staaten zu nehmen drohe, gefürchtet wird. In der That, dieser Brand ist noch klein, und doch hat er schon so weit um sich gegriffen, daß ich nur noch ein einziges Mittel kenne. Wie man am besten einen Brand erstickt; die Hoheiten müßten sich den Hermelinmantel ihrer Fürstengerechtsame vom Leibe reißen, und die Flamme mit dem Verlust der alten Schönheit ihres Kleides, mit der Entsagung ihrer meisten Vorrechte dämpfen. Aber dazu gehört Entschlossenheit, dazu gehört Demuth, Bescheidenheit. O welche sonderbare Pietät der Fürsten und des Adels! Sie schätzen die Ahnen nicht so hoch, als die Nachkommen, die ihnen noch in der Lende sitzen. Sie wollen ihren Kindeskindern nichts entziehen. Aber es wird eine Zeit kommen, wo die gierige Flamme, die die Väter jetzt noch unschädlich machen könnten, an die Kronen der gesalbten Enkel hinauflecken, und sie auf ihren Häuptern jämmerlich schmelzen wird. Nicht wahr? Du hast mich doch nicht falsch verstanden? Wir sprachen doch von den Telegra- Ungeheuere traut man sich zu, nicht nur die tief, ach! so tief geschlagenen Wurzeln des Hasses auszuheben, sondern sogar an ihre Stelle junge, frische Reiser, Liebe und Vertrauen, zu pflanzen. Neulich hieß es irgendwo, daß die republicanische Richtung, die das Leben in Süddeutschlands constitutionellen Staaten zu nehmen drohe, gefürchtet wird. In der That, dieser Brand ist noch klein, und doch hat er schon so weit um sich gegriffen, daß ich nur noch ein einziges Mittel kenne. Wie man am besten einen Brand erstickt; die Hoheiten müßten sich den Hermelinmantel ihrer Fürstengerechtsame vom Leibe reißen, und die Flamme mit dem Verlust der alten Schönheit ihres Kleides, mit der Entsagung ihrer meisten Vorrechte dämpfen. Aber dazu gehört Entschlossenheit, dazu gehört Demuth, Bescheidenheit. O welche sonderbare Pietät der Fürsten und des Adels! Sie schätzen die Ahnen nicht so hoch, als die Nachkommen, die ihnen noch in der Lende sitzen. Sie wollen ihren Kindeskindern nichts entziehen. Aber es wird eine Zeit kommen, wo die gierige Flamme, die die Väter jetzt noch unschädlich machen könnten, an die Kronen der gesalbten Enkel hinauflecken, und sie auf ihren Häuptern jämmerlich schmelzen wird. Nicht wahr? Du hast mich doch nicht falsch verstanden? Wir sprachen doch von den Telegra- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0205" n="192"/> Ungeheuere traut man sich zu, nicht nur die tief, ach! so tief geschlagenen Wurzeln des Hasses auszuheben, sondern sogar an ihre Stelle junge, frische Reiser, Liebe und Vertrauen, zu pflanzen. Neulich hieß es irgendwo, daß die republicanische Richtung, die das Leben in Süddeutschlands constitutionellen Staaten zu nehmen drohe, gefürchtet wird. In der That, dieser Brand ist noch klein, und doch hat er schon so weit um sich gegriffen, daß ich nur noch ein einziges Mittel kenne. Wie man am besten einen Brand erstickt; die Hoheiten müßten sich den Hermelinmantel ihrer Fürstengerechtsame vom Leibe reißen, und die Flamme mit dem Verlust der alten Schönheit ihres Kleides, mit der Entsagung ihrer meisten Vorrechte dämpfen. Aber dazu gehört Entschlossenheit, dazu gehört Demuth, Bescheidenheit. O welche sonderbare Pietät der Fürsten und des Adels! Sie schätzen die Ahnen nicht so hoch, als die Nachkommen, die ihnen noch in der Lende sitzen. Sie wollen ihren Kindeskindern nichts entziehen. Aber es wird eine Zeit kommen, wo die gierige Flamme, die die Väter jetzt noch unschädlich machen könnten, an die Kronen der gesalbten Enkel hinauflecken, und sie auf ihren Häuptern jämmerlich schmelzen wird.</p> <p>Nicht wahr? Du hast mich doch nicht falsch verstanden? Wir sprachen doch von den Telegra- </p> </div> </body> </text> </TEI> [192/0205]
Ungeheuere traut man sich zu, nicht nur die tief, ach! so tief geschlagenen Wurzeln des Hasses auszuheben, sondern sogar an ihre Stelle junge, frische Reiser, Liebe und Vertrauen, zu pflanzen. Neulich hieß es irgendwo, daß die republicanische Richtung, die das Leben in Süddeutschlands constitutionellen Staaten zu nehmen drohe, gefürchtet wird. In der That, dieser Brand ist noch klein, und doch hat er schon so weit um sich gegriffen, daß ich nur noch ein einziges Mittel kenne. Wie man am besten einen Brand erstickt; die Hoheiten müßten sich den Hermelinmantel ihrer Fürstengerechtsame vom Leibe reißen, und die Flamme mit dem Verlust der alten Schönheit ihres Kleides, mit der Entsagung ihrer meisten Vorrechte dämpfen. Aber dazu gehört Entschlossenheit, dazu gehört Demuth, Bescheidenheit. O welche sonderbare Pietät der Fürsten und des Adels! Sie schätzen die Ahnen nicht so hoch, als die Nachkommen, die ihnen noch in der Lende sitzen. Sie wollen ihren Kindeskindern nichts entziehen. Aber es wird eine Zeit kommen, wo die gierige Flamme, die die Väter jetzt noch unschädlich machen könnten, an die Kronen der gesalbten Enkel hinauflecken, und sie auf ihren Häuptern jämmerlich schmelzen wird.
Nicht wahr? Du hast mich doch nicht falsch verstanden? Wir sprachen doch von den Telegra-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |