[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.sich noch länger zu halten, und sie klingen allmählich in die Region der Töne über. Umgekehrt verstummen die Töne bei fortgesetzten Schwingungen, sie werden farbig, vor Scham roth, vor Aerger blau. Diesmal aber soll nur eines von Beiden übrig bleiben. Zwar wissen wir noch nicht mehr, als Crösus, da ihm die Wahrsager sagten: ein großes Reich wird untergehen! Aber das ist klar, einem gilt es gänzliche Vernichtung. Werden die Maler oder die Tonkünstler aufhören? Wird man Gemälde aus Dur oder Moll schaffen, oder werden die Sonaten mit dem Pinsel componirt werden? Wird statt Abendröthe und Azurblau der Himmel voller Geigen hängen, oder wird man die Winde nicht mehr blasen und wehen, sondern leuchten und dämmern hören? Werden die Blumen auf dem Felde, die Blätter im Walde nicht mehr in Farben spielen, sondern klingen wie Stimmen der Seligen, oder wird man den Jubel der Lerche, die Klage der Nachtigall in Bildern malen, die von Farben sprühen wie funkelnde Krystalle? Geliebteste, der Regenbogen sollte der Himmelsbrief sein, den ich mit jedem meiner Blicke, jedem meiner Worte, jedem Seufzer an Dich schreibe? Theuerste, die Aeolsharfen, die in meinem Garten hängen, sollten nur dunkle Gluth Deiner Augen, Dein leuchtend Haar, Dein rosenrother Mund sich noch länger zu halten, und sie klingen allmählich in die Region der Töne über. Umgekehrt verstummen die Töne bei fortgesetzten Schwingungen, sie werden farbig, vor Scham roth, vor Aerger blau. Diesmal aber soll nur eines von Beiden übrig bleiben. Zwar wissen wir noch nicht mehr, als Crösus, da ihm die Wahrsager sagten: ein großes Reich wird untergehen! Aber das ist klar, einem gilt es gänzliche Vernichtung. Werden die Maler oder die Tonkünstler aufhören? Wird man Gemälde aus Dur oder Moll schaffen, oder werden die Sonaten mit dem Pinsel componirt werden? Wird statt Abendröthe und Azurblau der Himmel voller Geigen hängen, oder wird man die Winde nicht mehr blasen und wehen, sondern leuchten und dämmern hören? Werden die Blumen auf dem Felde, die Blätter im Walde nicht mehr in Farben spielen, sondern klingen wie Stimmen der Seligen, oder wird man den Jubel der Lerche, die Klage der Nachtigall in Bildern malen, die von Farben sprühen wie funkelnde Krystalle? Geliebteste, der Regenbogen sollte der Himmelsbrief sein, den ich mit jedem meiner Blicke, jedem meiner Worte, jedem Seufzer an Dich schreibe? Theuerste, die Aeolsharfen, die in meinem Garten hängen, sollten nur dunkle Gluth Deiner Augen, Dein leuchtend Haar, Dein rosenrother Mund <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0209" n="196"/> sich noch länger zu halten, und sie klingen allmählich in die Region der Töne über. Umgekehrt verstummen die Töne bei fortgesetzten Schwingungen, sie werden farbig, vor Scham roth, vor Aerger blau. Diesmal aber soll nur eines von Beiden übrig bleiben. Zwar wissen wir noch nicht mehr, als Crösus, da ihm die Wahrsager sagten: ein großes Reich wird untergehen! Aber das ist klar, einem gilt es gänzliche Vernichtung. Werden die Maler oder die Tonkünstler aufhören? Wird man Gemälde aus Dur oder Moll schaffen, oder werden die Sonaten mit dem Pinsel componirt werden? Wird statt Abendröthe und Azurblau der Himmel voller Geigen hängen, oder wird man die Winde nicht mehr blasen und wehen, sondern leuchten und dämmern hören? Werden die Blumen auf dem Felde, die Blätter im Walde nicht mehr in Farben spielen, sondern klingen wie Stimmen der Seligen, oder wird man den Jubel der Lerche, die Klage der Nachtigall in Bildern malen, die von Farben sprühen wie funkelnde Krystalle? Geliebteste, der Regenbogen sollte der Himmelsbrief sein, den ich mit jedem meiner Blicke, jedem meiner Worte, jedem Seufzer an Dich schreibe? Theuerste, die Aeolsharfen, die in meinem Garten hängen, sollten nur dunkle Gluth Deiner Augen, Dein leuchtend Haar, Dein rosenrother Mund </p> </div> </body> </text> </TEI> [196/0209]
sich noch länger zu halten, und sie klingen allmählich in die Region der Töne über. Umgekehrt verstummen die Töne bei fortgesetzten Schwingungen, sie werden farbig, vor Scham roth, vor Aerger blau. Diesmal aber soll nur eines von Beiden übrig bleiben. Zwar wissen wir noch nicht mehr, als Crösus, da ihm die Wahrsager sagten: ein großes Reich wird untergehen! Aber das ist klar, einem gilt es gänzliche Vernichtung. Werden die Maler oder die Tonkünstler aufhören? Wird man Gemälde aus Dur oder Moll schaffen, oder werden die Sonaten mit dem Pinsel componirt werden? Wird statt Abendröthe und Azurblau der Himmel voller Geigen hängen, oder wird man die Winde nicht mehr blasen und wehen, sondern leuchten und dämmern hören? Werden die Blumen auf dem Felde, die Blätter im Walde nicht mehr in Farben spielen, sondern klingen wie Stimmen der Seligen, oder wird man den Jubel der Lerche, die Klage der Nachtigall in Bildern malen, die von Farben sprühen wie funkelnde Krystalle? Geliebteste, der Regenbogen sollte der Himmelsbrief sein, den ich mit jedem meiner Blicke, jedem meiner Worte, jedem Seufzer an Dich schreibe? Theuerste, die Aeolsharfen, die in meinem Garten hängen, sollten nur dunkle Gluth Deiner Augen, Dein leuchtend Haar, Dein rosenrother Mund
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