[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch scriptum manet? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: allgemeine ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von "künftigen Reichsständen" gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch scriptum manet? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: allgemeine ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von »künftigen Reichsständen« gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="201"/> deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch <hi rendition="#aq">scriptum manet</hi>? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: <hi rendition="#g">allgemeine</hi> ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von »künftigen Reichsständen« gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit </p> </div> </body> </text> </TEI> [201/0214]
deutschen Fürsten können uns doch auf keinem Wege, selbst auf dem langweiligsten, dem Wege Rechtens nicht entgehen! Man wird sie zu vernichten drohen, und sie zittern. Man wird sie verehren wollen, und sie entsetzen sich. Ueberall sind ihnen die Hände gebunden. Einer hat dem Andern ein Versprechen gegeben; sie möchten Alle davon befreit sein, und wagen doch ohne dasselbe nicht, auf der Parade zu erscheinen. Selbst das verschlagene Preußen hat sich eine Grube gegraben. Warum gilt der Spruch scriptum manet? Warum mußten wir vor zehen Jahren Concessionen geben, nach deren Erfüllung sich jetzt Niemand mehr sehnt? Jetzt fühlt sich bei uns Alles glücklich und befriedigt; hätten wir je das Wort: allgemeine ständische Versammlungen brauchen dürfen? O hätten wir doch in dem unseligen Edict über Feststellung der Reichsschuld nie von »künftigen Reichsständen« gesprochen! Geliebte, was hilft Dir nun Dein sammtnes Kleid, Dein goldener Schmuck, Dein Glanzgeschmeid? Wohlangestellte Leute können es beweisen, daß wir Preußen ohne Vertretung glücklich sind; und nun dürfen wir die Kinder unseres eigenen Geistes, die schönen Früchte der Gesinnungen, die die Regierung bei uns nur hat aufkommen lassen, nicht anerkennen und genießen! Wir müssen einmal mit
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