Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Glückliche Naivetät der vergangenen Zeiten!
Ich komme von einer Ausstellung alter Ge¬
mälde. Auf vielen, die Transfigurationen und
Glorien der Heiligen vorstellen, sah' ich Engel,
welche die Geige spielten. Dies würde mir
weniger auffallend gewesen sein, wenn sie es
nicht nach Noten gethan hätten.

Und doch gleicht die Malerei selbst, die
Kunst, diese Lächerlichkeit aus. Die Poesie
würde es nicht können. Die Poesie hat diese
Einfachheit nicht; sie würde solche Anomalien
immer nur als Travestie geben.

Und wie entwürdigt sie sich, wenn sie es
thut! Man sollte den Spott über das Hei¬
lige, das Wühlen der Mistkäfer in duftenden
Blumen, bitter verfolgen, auch die Freigeister
sollten es; sie, die alle Sorge tragen müssen,
nicht mit den Spöttern verwechselt zu werden.


Glückliche Naivetät der vergangenen Zeiten!
Ich komme von einer Ausſtellung alter Ge¬
mälde. Auf vielen, die Transfigurationen und
Glorien der Heiligen vorſtellen, ſah' ich Engel,
welche die Geige ſpielten. Dies würde mir
weniger auffallend geweſen ſein, wenn ſie es
nicht nach Noten gethan hätten.

Und doch gleicht die Malerei ſelbſt, die
Kunſt, dieſe Lächerlichkeit aus. Die Poeſie
würde es nicht können. Die Poeſie hat dieſe
Einfachheit nicht; ſie würde ſolche Anomalien
immer nur als Traveſtie geben.

Und wie entwürdigt ſie ſich, wenn ſie es
thut! Man ſollte den Spott über das Hei¬
lige, das Wühlen der Miſtkäfer in duftenden
Blumen, bitter verfolgen, auch die Freigeiſter
ſollten es; ſie, die alle Sorge tragen müſſen,
nicht mit den Spöttern verwechſelt zu werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0240" n="231"/>
          <p>Glückliche Naivetät der vergangenen Zeiten!<lb/>
Ich komme von einer Aus&#x017F;tellung alter Ge¬<lb/>
mälde. Auf vielen, die Transfigurationen und<lb/>
Glorien der Heiligen vor&#x017F;tellen, &#x017F;ah' ich Engel,<lb/>
welche die Geige &#x017F;pielten. Dies würde mir<lb/>
weniger auffallend gewe&#x017F;en &#x017F;ein, wenn &#x017F;ie es<lb/>
nicht nach Noten gethan hätten.</p><lb/>
          <p>Und doch gleicht die Malerei &#x017F;elb&#x017F;t, die<lb/>
Kun&#x017F;t, die&#x017F;e Lächerlichkeit aus. Die Poe&#x017F;ie<lb/>
würde es nicht können. Die Poe&#x017F;ie hat die&#x017F;e<lb/>
Einfachheit nicht; &#x017F;ie würde &#x017F;olche Anomalien<lb/>
immer nur als Trave&#x017F;tie geben.</p><lb/>
          <p>Und wie entwürdigt &#x017F;ie &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie es<lb/>
thut! Man &#x017F;ollte den Spott über das Hei¬<lb/>
lige, das Wühlen der Mi&#x017F;tkäfer in duftenden<lb/>
Blumen, bitter verfolgen, auch die Freigei&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;ollten es; &#x017F;ie, die alle Sorge tragen mü&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
nicht mit den Spöttern verwech&#x017F;elt zu werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0240] Glückliche Naivetät der vergangenen Zeiten! Ich komme von einer Ausſtellung alter Ge¬ mälde. Auf vielen, die Transfigurationen und Glorien der Heiligen vorſtellen, ſah' ich Engel, welche die Geige ſpielten. Dies würde mir weniger auffallend geweſen ſein, wenn ſie es nicht nach Noten gethan hätten. Und doch gleicht die Malerei ſelbſt, die Kunſt, dieſe Lächerlichkeit aus. Die Poeſie würde es nicht können. Die Poeſie hat dieſe Einfachheit nicht; ſie würde ſolche Anomalien immer nur als Traveſtie geben. Und wie entwürdigt ſie ſich, wenn ſie es thut! Man ſollte den Spott über das Hei¬ lige, das Wühlen der Miſtkäfer in duftenden Blumen, bitter verfolgen, auch die Freigeiſter ſollten es; ſie, die alle Sorge tragen müſſen, nicht mit den Spöttern verwechſelt zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/240
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/240>, abgerufen am 02.06.2024.