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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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wenn für eine Stadt Uebervölkerung drohe, ihren Bürgerinnen an, es so zu machen, wie die Frauen auf Formosa, wenn sie noch nicht fünfunddreißig Jahre alt sind. Bald aber änderten sich diese Rathschläge und gingen auf das Gegentheil über. Die kleinen Staaten wurden von den großen verschlungen, diese wieder von dem Weltreich der Römer. Die Bevölkerung war überall, der Kriege und der Noth wegen, nur dünn und sparsam: wie auch Plutarch so schön sagt, die Orakel hätten in Griechenland zu reden aufgehört, weil es ja keine Menschen mehr im Lande gäbe. Rom mit der Ahnung, daß es die Welt erobern und dazu Menschen brauchen würde, munterte von seiner ersten Stiftung an seine Bürger auf, sich zu vermehren und zu heirathen. Hagestolze wurden von den Censoren bestraft. Die Ansicht der Römer drückt Metellus Numidicus beim Aulus Gellius folgendermaßen aus: "Wenn es möglich wäre, sich kein Weibsbild auf den Hals zu laden, so würden wir Römer uns bald von diesem Uebel befreien. Aber da einmal die Natur festgesetzt hat, daß man mit ihnen nicht glücklich leben, aber ohne sie auch nicht fortdauern kann, so müssen wir freilich mehr auf unsre Erhaltung als auf unsre Zufriedenheit sehen." Trotz dieser Lehre, die allerdings wenig zur Heirath Aufmunterndes hat, vermehrte sich die Zahl der Hagestolzen, und verminderte sich die Nachkommenschaft. Die Bürger- und Eroberungskriege rafften die blühenden Geschlechter des Adels und die unteren Volksklassen, die sich dem Ehrgeiz derselben opferten,

wenn für eine Stadt Uebervölkerung drohe, ihren Bürgerinnen an, es so zu machen, wie die Frauen auf Formosa, wenn sie noch nicht fünfunddreißig Jahre alt sind. Bald aber änderten sich diese Rathschläge und gingen auf das Gegentheil über. Die kleinen Staaten wurden von den großen verschlungen, diese wieder von dem Weltreich der Römer. Die Bevölkerung war überall, der Kriege und der Noth wegen, nur dünn und sparsam: wie auch Plutarch so schön sagt, die Orakel hätten in Griechenland zu reden aufgehört, weil es ja keine Menschen mehr im Lande gäbe. Rom mit der Ahnung, daß es die Welt erobern und dazu Menschen brauchen würde, munterte von seiner ersten Stiftung an seine Bürger auf, sich zu vermehren und zu heirathen. Hagestolze wurden von den Censoren bestraft. Die Ansicht der Römer drückt Metellus Numidicus beim Aulus Gellius folgendermaßen aus: "Wenn es möglich wäre, sich kein Weibsbild auf den Hals zu laden, so würden wir Römer uns bald von diesem Uebel befreien. Aber da einmal die Natur festgesetzt hat, daß man mit ihnen nicht glücklich leben, aber ohne sie auch nicht fortdauern kann, so müssen wir freilich mehr auf unsre Erhaltung als auf unsre Zufriedenheit sehen." Trotz dieser Lehre, die allerdings wenig zur Heirath Aufmunterndes hat, vermehrte sich die Zahl der Hagestolzen, und verminderte sich die Nachkommenschaft. Die Bürger- und Eroberungskriege rafften die blühenden Geschlechter des Adels und die unteren Volksklassen, die sich dem Ehrgeiz derselben opferten,

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wenn für eine Stadt Uebervölkerung drohe, ihren Bürgerinnen an, es so zu machen, wie die Frauen auf Formosa, wenn sie noch nicht fünfunddreißig Jahre alt sind. Bald aber änderten sich diese Rathschläge und gingen auf das Gegentheil über. Die kleinen Staaten wurden von den großen verschlungen, diese wieder von dem Weltreich der Römer. Die Bevölkerung war überall, der Kriege und der Noth wegen, nur dünn und sparsam: wie auch Plutarch so schön sagt, die Orakel hätten in Griechenland zu reden aufgehört, weil es ja keine Menschen mehr im Lande gäbe. Rom mit der Ahnung, daß es die Welt erobern und dazu Menschen brauchen würde, munterte von seiner ersten Stiftung an seine Bürger auf, sich zu vermehren und zu heirathen. Hagestolze wurden von den Censoren bestraft. Die Ansicht der Römer drückt Metellus Numidicus beim Aulus Gellius folgendermaßen aus: "Wenn es möglich wäre, sich kein Weibsbild auf den Hals zu laden, so würden wir Römer uns bald von diesem Uebel befreien. Aber da einmal die Natur festgesetzt hat, daß man mit ihnen nicht glücklich leben, aber ohne sie auch nicht fortdauern kann, so müssen wir freilich mehr auf unsre Erhaltung als auf unsre Zufriedenheit sehen." Trotz dieser Lehre, die allerdings wenig zur Heirath Aufmunterndes hat, vermehrte sich die Zahl der Hagestolzen, und verminderte sich die Nachkommenschaft. Die Bürger- und Eroberungskriege rafften die blühenden Geschlechter des Adels und die unteren Volksklassen, die sich dem Ehrgeiz derselben opferten,
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[181/0209] wenn für eine Stadt Uebervölkerung drohe, ihren Bürgerinnen an, es so zu machen, wie die Frauen auf Formosa, wenn sie noch nicht fünfunddreißig Jahre alt sind. Bald aber änderten sich diese Rathschläge und gingen auf das Gegentheil über. Die kleinen Staaten wurden von den großen verschlungen, diese wieder von dem Weltreich der Römer. Die Bevölkerung war überall, der Kriege und der Noth wegen, nur dünn und sparsam: wie auch Plutarch so schön sagt, die Orakel hätten in Griechenland zu reden aufgehört, weil es ja keine Menschen mehr im Lande gäbe. Rom mit der Ahnung, daß es die Welt erobern und dazu Menschen brauchen würde, munterte von seiner ersten Stiftung an seine Bürger auf, sich zu vermehren und zu heirathen. Hagestolze wurden von den Censoren bestraft. Die Ansicht der Römer drückt Metellus Numidicus beim Aulus Gellius folgendermaßen aus: "Wenn es möglich wäre, sich kein Weibsbild auf den Hals zu laden, so würden wir Römer uns bald von diesem Uebel befreien. Aber da einmal die Natur festgesetzt hat, daß man mit ihnen nicht glücklich leben, aber ohne sie auch nicht fortdauern kann, so müssen wir freilich mehr auf unsre Erhaltung als auf unsre Zufriedenheit sehen." Trotz dieser Lehre, die allerdings wenig zur Heirath Aufmunterndes hat, vermehrte sich die Zahl der Hagestolzen, und verminderte sich die Nachkommenschaft. Die Bürger- und Eroberungskriege rafften die blühenden Geschlechter des Adels und die unteren Volksklassen, die sich dem Ehrgeiz derselben opferten,

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/209>, abgerufen am 14.05.2024.