Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

gerichtetes Siegel zu erbrechen. Meine Schwester hatte indessen mit den Zähnen so laut geknirscht, daß ich hier eine neue Verspottung ahnen mußte. Es erwies sich denn auch bald, daß alle diese Briefe von einer und derselben Feder herkamen, und nicht ein einziger derselben etwas anderes enthielt, als leeres Papier. "Bab, so beruhige dich doch", suchte ich meine vor Wuth schäumende Schwester zu besänftigen. Cecily heulte über die schändliche Verspottung, und die beiden andern Geschwister mußten sich vor schadenfrohem Gelächter die Seiten halten. Gott, dachte ich, das ist eine schöne Wirthschaft! ich wußte nicht, wo mir der Verstand blieb; ich sah nur zu gut ein, daß meine Schwestern und ihre Nichten durch ihren Hochmuth und ihre Albernheit sich einen Ruf mußten verschafft haben, der alle Welt herausforderte, mit ihnen Versteckens zu spielen. Meine Schwester zerknirrte die Spitzen ihrer Haube und schrie: "Das ist der Lümmel, der Macready, der irische Tölpel, der nicht gewußt hat, wie er sich rächen soll, und uns durch diese leeren Briefe an die Leerheit seines Kopfes erinnern will; der Unverschämte läßt auf jeder Poststation von hier nach Dublin in jedem Briefkasten eine inhaltslose Adresse an uns zurück, um sich den Spaß zu machen, daß er uns eine Viertelstunde geärgert hat." Aber, mein Gott, Bab, fiel ich ein, woher denn diese Animosität bei jungen Männern gegen dich und deine Familie? "Ach, Beck," antwortete meine Schwester, "das sind die Folgen einer vornehmen Lebensweise, die man sich muß

gerichtetes Siegel zu erbrechen. Meine Schwester hatte indessen mit den Zähnen so laut geknirscht, daß ich hier eine neue Verspottung ahnen mußte. Es erwies sich denn auch bald, daß alle diese Briefe von einer und derselben Feder herkamen, und nicht ein einziger derselben etwas anderes enthielt, als leeres Papier. "Bab, so beruhige dich doch", suchte ich meine vor Wuth schäumende Schwester zu besänftigen. Cecily heulte über die schändliche Verspottung, und die beiden andern Geschwister mußten sich vor schadenfrohem Gelächter die Seiten halten. Gott, dachte ich, das ist eine schöne Wirthschaft! ich wußte nicht, wo mir der Verstand blieb; ich sah nur zu gut ein, daß meine Schwestern und ihre Nichten durch ihren Hochmuth und ihre Albernheit sich einen Ruf mußten verschafft haben, der alle Welt herausforderte, mit ihnen Versteckens zu spielen. Meine Schwester zerknirrte die Spitzen ihrer Haube und schrie: "Das ist der Lümmel, der Macready, der irische Tölpel, der nicht gewußt hat, wie er sich rächen soll, und uns durch diese leeren Briefe an die Leerheit seines Kopfes erinnern will; der Unverschämte läßt auf jeder Poststation von hier nach Dublin in jedem Briefkasten eine inhaltslose Adresse an uns zurück, um sich den Spaß zu machen, daß er uns eine Viertelstunde geärgert hat." Aber, mein Gott, Bab, fiel ich ein, woher denn diese Animosität bei jungen Männern gegen dich und deine Familie? "Ach, Beck," antwortete meine Schwester, "das sind die Folgen einer vornehmen Lebensweise, die man sich muß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0465" n="437"/>
gerichtetes Siegel zu erbrechen. Meine Schwester hatte indessen mit den Zähnen so laut geknirscht, daß ich hier eine neue Verspottung ahnen mußte. Es erwies sich denn auch bald, daß alle diese Briefe von einer und derselben Feder herkamen, und nicht ein einziger derselben etwas anderes enthielt, als leeres Papier. "Bab, so beruhige dich doch", suchte ich meine vor Wuth schäumende Schwester zu besänftigen. Cecily heulte über die schändliche Verspottung, und die beiden andern Geschwister mußten sich vor schadenfrohem Gelächter die Seiten halten. Gott, dachte ich, das ist eine schöne Wirthschaft! ich wußte nicht, wo mir der Verstand blieb; ich sah nur zu gut ein, daß meine Schwestern und ihre Nichten durch ihren Hochmuth und ihre Albernheit sich einen Ruf mußten verschafft haben, der alle Welt herausforderte, mit ihnen Versteckens zu spielen. Meine Schwester zerknirrte die Spitzen ihrer Haube und schrie: "Das ist der Lümmel, der Macready, der irische Tölpel, der nicht gewußt hat, wie er sich rächen soll, und uns durch diese leeren Briefe an die Leerheit seines Kopfes erinnern will; der Unverschämte läßt auf jeder Poststation von hier nach Dublin in jedem Briefkasten eine inhaltslose Adresse an uns zurück, um sich den Spaß zu machen, daß er uns eine Viertelstunde geärgert hat." Aber, mein Gott, Bab, fiel ich ein, woher denn diese Animosität bei jungen Männern gegen dich und deine Familie? "Ach, Beck," antwortete meine Schwester, "das sind die Folgen einer vornehmen Lebensweise, die man sich muß
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0465] gerichtetes Siegel zu erbrechen. Meine Schwester hatte indessen mit den Zähnen so laut geknirscht, daß ich hier eine neue Verspottung ahnen mußte. Es erwies sich denn auch bald, daß alle diese Briefe von einer und derselben Feder herkamen, und nicht ein einziger derselben etwas anderes enthielt, als leeres Papier. "Bab, so beruhige dich doch", suchte ich meine vor Wuth schäumende Schwester zu besänftigen. Cecily heulte über die schändliche Verspottung, und die beiden andern Geschwister mußten sich vor schadenfrohem Gelächter die Seiten halten. Gott, dachte ich, das ist eine schöne Wirthschaft! ich wußte nicht, wo mir der Verstand blieb; ich sah nur zu gut ein, daß meine Schwestern und ihre Nichten durch ihren Hochmuth und ihre Albernheit sich einen Ruf mußten verschafft haben, der alle Welt herausforderte, mit ihnen Versteckens zu spielen. Meine Schwester zerknirrte die Spitzen ihrer Haube und schrie: "Das ist der Lümmel, der Macready, der irische Tölpel, der nicht gewußt hat, wie er sich rächen soll, und uns durch diese leeren Briefe an die Leerheit seines Kopfes erinnern will; der Unverschämte läßt auf jeder Poststation von hier nach Dublin in jedem Briefkasten eine inhaltslose Adresse an uns zurück, um sich den Spaß zu machen, daß er uns eine Viertelstunde geärgert hat." Aber, mein Gott, Bab, fiel ich ein, woher denn diese Animosität bei jungen Männern gegen dich und deine Familie? "Ach, Beck," antwortete meine Schwester, "das sind die Folgen einer vornehmen Lebensweise, die man sich muß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/465
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/465>, abgerufen am 07.06.2024.