Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

zweifelhaft, ob wir auf die Schönpflästerchen wieder zurückkommen, aber vermuthen möchte man es, wenn man sieht, wie die Kleider der Frauen, wenn auch noch nicht den altfränkischen Zuschnitt, doch allmählich schon wieder die altfränkischen Desseins bekommen. Jene großen Blumen im weißen Felde, welche die Kleidermuster des achtzehnten Jahrhunderts waren, und die sich nur auf Bettüberzügen erhalten hatten, kehren auf die Kleider wieder zurück. Die langen Taillen sind Annäherungen an die alte Zeit, die weiten Aermel ebenfalls, kurz es ist hier dieselbe Erscheinung ersichtlich, welche sich auch in den Formen der zur Bequemlichkeit dienenden Gegenstände wahrnehmen läßt. Das Ameublement bekömmt jenen breiten, kolossalen Charakter wieder, den die Stühle und Schränke des vorigen Jahrhunderts hatten. Das Tafelservice wird durchaus wieder altfränkisch; denn nachdem es die Oekonomie lange mit Wedgeworth, Gesundheitsfayence und ähnlichen Surrogaten versucht hat, ist man wieder darauf zurückgekommen, tiefe, bemalte Teller mit breiten Rändern, Suppenterrinen mit Henkeln, Compottbehälter in viereckter Form, und dieß Alles aus feinstem Porzellan, für das Geschmackvollste und Modernste zu halten.

Doch was sprechen wir von Tellern und Suppenterrinen, wo wir von unsern Weibern reden wollen!

Ein Mädchen unsrer Tage hat ohne Zweifel mehr Wissenschaftsstoff, als ehemals. Jm vorigen Jahrhundert ersetzte die Kenntniß der französischen Sprache alles Uebrige,

zweifelhaft, ob wir auf die Schönpflästerchen wieder zurückkommen, aber vermuthen möchte man es, wenn man sieht, wie die Kleider der Frauen, wenn auch noch nicht den altfränkischen Zuschnitt, doch allmählich schon wieder die altfränkischen Desseins bekommen. Jene großen Blumen im weißen Felde, welche die Kleidermuster des achtzehnten Jahrhunderts waren, und die sich nur auf Bettüberzügen erhalten hatten, kehren auf die Kleider wieder zurück. Die langen Taillen sind Annäherungen an die alte Zeit, die weiten Aermel ebenfalls, kurz es ist hier dieselbe Erscheinung ersichtlich, welche sich auch in den Formen der zur Bequemlichkeit dienenden Gegenstände wahrnehmen läßt. Das Ameublement bekömmt jenen breiten, kolossalen Charakter wieder, den die Stühle und Schränke des vorigen Jahrhunderts hatten. Das Tafelservice wird durchaus wieder altfränkisch; denn nachdem es die Oekonomie lange mit Wedgeworth, Gesundheitsfayence und ähnlichen Surrogaten versucht hat, ist man wieder darauf zurückgekommen, tiefe, bemalte Teller mit breiten Rändern, Suppenterrinen mit Henkeln, Compottbehälter in viereckter Form, und dieß Alles aus feinstem Porzellan, für das Geschmackvollste und Modernste zu halten.

Doch was sprechen wir von Tellern und Suppenterrinen, wo wir von unsern Weibern reden wollen!

Ein Mädchen unsrer Tage hat ohne Zweifel mehr Wissenschaftsstoff, als ehemals. Jm vorigen Jahrhundert ersetzte die Kenntniß der französischen Sprache alles Uebrige,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="42"/>
zweifelhaft, ob wir auf die Schönpflästerchen wieder zurückkommen, aber vermuthen möchte man es, wenn man sieht, wie die Kleider der Frauen, wenn auch noch nicht den altfränkischen Zuschnitt, doch allmählich schon wieder die altfränkischen Desseins bekommen. Jene großen Blumen im weißen Felde, welche die Kleidermuster des achtzehnten Jahrhunderts waren, und die sich nur auf Bettüberzügen erhalten hatten, kehren auf die Kleider wieder zurück. Die langen Taillen sind Annäherungen an die alte Zeit, die weiten Aermel ebenfalls, kurz es ist hier dieselbe Erscheinung ersichtlich, welche sich auch in den Formen der zur Bequemlichkeit dienenden Gegenstände wahrnehmen läßt. Das Ameublement bekömmt jenen breiten, kolossalen Charakter wieder, den die Stühle und Schränke des vorigen Jahrhunderts hatten. Das Tafelservice wird durchaus wieder altfränkisch; denn nachdem es die Oekonomie lange mit Wedgeworth, Gesundheitsfayence und ähnlichen Surrogaten versucht hat, ist man wieder darauf zurückgekommen, tiefe, bemalte Teller mit breiten Rändern, Suppenterrinen mit Henkeln, Compottbehälter in viereckter Form, und dieß Alles aus feinstem Porzellan, für das Geschmackvollste und Modernste zu halten.</p>
        <p>Doch was sprechen wir von Tellern und Suppenterrinen, wo wir von unsern Weibern reden wollen!</p>
        <p>Ein Mädchen unsrer Tage hat ohne Zweifel mehr Wissenschaftsstoff, als ehemals. Jm vorigen Jahrhundert ersetzte die Kenntniß der französischen Sprache alles Uebrige,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0070] zweifelhaft, ob wir auf die Schönpflästerchen wieder zurückkommen, aber vermuthen möchte man es, wenn man sieht, wie die Kleider der Frauen, wenn auch noch nicht den altfränkischen Zuschnitt, doch allmählich schon wieder die altfränkischen Desseins bekommen. Jene großen Blumen im weißen Felde, welche die Kleidermuster des achtzehnten Jahrhunderts waren, und die sich nur auf Bettüberzügen erhalten hatten, kehren auf die Kleider wieder zurück. Die langen Taillen sind Annäherungen an die alte Zeit, die weiten Aermel ebenfalls, kurz es ist hier dieselbe Erscheinung ersichtlich, welche sich auch in den Formen der zur Bequemlichkeit dienenden Gegenstände wahrnehmen läßt. Das Ameublement bekömmt jenen breiten, kolossalen Charakter wieder, den die Stühle und Schränke des vorigen Jahrhunderts hatten. Das Tafelservice wird durchaus wieder altfränkisch; denn nachdem es die Oekonomie lange mit Wedgeworth, Gesundheitsfayence und ähnlichen Surrogaten versucht hat, ist man wieder darauf zurückgekommen, tiefe, bemalte Teller mit breiten Rändern, Suppenterrinen mit Henkeln, Compottbehälter in viereckter Form, und dieß Alles aus feinstem Porzellan, für das Geschmackvollste und Modernste zu halten. Doch was sprechen wir von Tellern und Suppenterrinen, wo wir von unsern Weibern reden wollen! Ein Mädchen unsrer Tage hat ohne Zweifel mehr Wissenschaftsstoff, als ehemals. Jm vorigen Jahrhundert ersetzte die Kenntniß der französischen Sprache alles Uebrige,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/70
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/70>, abgerufen am 12.05.2024.