Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.welche ihre bestimmte fertige Gesichtsbildung haben. Wir ahnen eine Verirrung der Begriffe und der Leidenschaften in der Gesellschaft, die kein gutes Ende nehmen kann; allein, helfen, rathen dürfen wir erst in dem Augenblicke, wo der Bruch mit der moralischen Ordnung offen zu Tage liegt. Eine ungeheure Revolution würde diese Zustände, die aus Lüge, Jrrthum und Thorheit zusammengesezt sind, von Grund aus verbessern; allein liegt sie in der Macht, liegt sie in dem Wunsch des fühlenden Menschenfreundes? Ach, sie ist ein Schreckbild für Alle, sie ist verabscheut, selbst wenn wir wüßten, daß sie das einzige Heilmittel der unheilbaren Krankheit wäre. So bleibt uns nichts übrig, als von der Gesellschaft das zu nehmen, was sich absondern läßt und sich selbst absondert und es nach Grundsätzen der Humanität zu behandeln. Die Jugend läßt sich trennen von der Gesellschaft, sie läßt sich für das Edle und Schöne bilden. Das Weib läßt sich trennen; seine Bildung wird die Sitten mildern und die Rechte des Gemüthes aufrecht erhalten. Das religiöse Bedürfniß läßt sich trennen; denn gerade dies strebt nach Jsolirung; die Geistlichkeit möge versuchen, es zu befriedigen. Die Kranken, die am Körper Leidenden können wir absondern, ihre Schmerzen lindern, ihre Herzen mildern; endlich können wir aber nur noch den Bodensatz der Gesellschaft von ihren eigenen trüben Gährungen sondern, das offenbare, eingestandene, überführte und der Strafe überlieferte welche ihre bestimmte fertige Gesichtsbildung haben. Wir ahnen eine Verirrung der Begriffe und der Leidenschaften in der Gesellschaft, die kein gutes Ende nehmen kann; allein, helfen, rathen dürfen wir erst in dem Augenblicke, wo der Bruch mit der moralischen Ordnung offen zu Tage liegt. Eine ungeheure Revolution würde diese Zustände, die aus Lüge, Jrrthum und Thorheit zusammengesezt sind, von Grund aus verbessern; allein liegt sie in der Macht, liegt sie in dem Wunsch des fühlenden Menschenfreundes? Ach, sie ist ein Schreckbild für Alle, sie ist verabscheut, selbst wenn wir wüßten, daß sie das einzige Heilmittel der unheilbaren Krankheit wäre. So bleibt uns nichts übrig, als von der Gesellschaft das zu nehmen, was sich absondern läßt und sich selbst absondert und es nach Grundsätzen der Humanität zu behandeln. Die Jugend läßt sich trennen von der Gesellschaft, sie läßt sich für das Edle und Schöne bilden. Das Weib läßt sich trennen; seine Bildung wird die Sitten mildern und die Rechte des Gemüthes aufrecht erhalten. Das religiöse Bedürfniß läßt sich trennen; denn gerade dies strebt nach Jsolirung; die Geistlichkeit möge versuchen, es zu befriedigen. Die Kranken, die am Körper Leidenden können wir absondern, ihre Schmerzen lindern, ihre Herzen mildern; endlich können wir aber nur noch den Bodensatz der Gesellschaft von ihren eigenen trüben Gährungen sondern, das offenbare, eingestandene, überführte und der Strafe überlieferte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="80"/> welche ihre bestimmte fertige Gesichtsbildung haben. Wir <hi rendition="#g">ahnen</hi> eine Verirrung der Begriffe und der Leidenschaften in der Gesellschaft, die kein gutes Ende nehmen kann; allein, helfen, rathen dürfen wir erst in dem Augenblicke, wo der Bruch mit der moralischen Ordnung offen zu Tage liegt. Eine ungeheure Revolution würde diese Zustände, die aus Lüge, Jrrthum und Thorheit zusammengesezt sind, von Grund aus verbessern; allein liegt sie in der Macht, liegt sie in dem Wunsch des fühlenden Menschenfreundes? Ach, sie ist ein Schreckbild für Alle, sie ist verabscheut, selbst wenn wir wüßten, daß sie das einzige Heilmittel der unheilbaren Krankheit wäre. So bleibt uns nichts übrig, als von der Gesellschaft das zu nehmen, was sich absondern läßt und sich selbst absondert und es nach Grundsätzen der Humanität zu behandeln. Die Jugend läßt sich trennen von der Gesellschaft, sie läßt sich für das Edle und Schöne bilden. Das Weib läßt sich trennen; seine Bildung wird die Sitten mildern und die Rechte des Gemüthes aufrecht erhalten. Das religiöse Bedürfniß läßt sich trennen; denn gerade dies strebt nach Jsolirung; die Geistlichkeit möge versuchen, es zu befriedigen. Die Kranken, die am Körper Leidenden können wir absondern, ihre Schmerzen lindern, ihre Herzen mildern; endlich können wir aber nur noch den Bodensatz der Gesellschaft von ihren eigenen trüben Gährungen sondern, das offenbare, eingestandene, <hi rendition="#g">überführte</hi> und der Strafe überlieferte </p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0082]
welche ihre bestimmte fertige Gesichtsbildung haben. Wir ahnen eine Verirrung der Begriffe und der Leidenschaften in der Gesellschaft, die kein gutes Ende nehmen kann; allein, helfen, rathen dürfen wir erst in dem Augenblicke, wo der Bruch mit der moralischen Ordnung offen zu Tage liegt. Eine ungeheure Revolution würde diese Zustände, die aus Lüge, Jrrthum und Thorheit zusammengesezt sind, von Grund aus verbessern; allein liegt sie in der Macht, liegt sie in dem Wunsch des fühlenden Menschenfreundes? Ach, sie ist ein Schreckbild für Alle, sie ist verabscheut, selbst wenn wir wüßten, daß sie das einzige Heilmittel der unheilbaren Krankheit wäre. So bleibt uns nichts übrig, als von der Gesellschaft das zu nehmen, was sich absondern läßt und sich selbst absondert und es nach Grundsätzen der Humanität zu behandeln. Die Jugend läßt sich trennen von der Gesellschaft, sie läßt sich für das Edle und Schöne bilden. Das Weib läßt sich trennen; seine Bildung wird die Sitten mildern und die Rechte des Gemüthes aufrecht erhalten. Das religiöse Bedürfniß läßt sich trennen; denn gerade dies strebt nach Jsolirung; die Geistlichkeit möge versuchen, es zu befriedigen. Die Kranken, die am Körper Leidenden können wir absondern, ihre Schmerzen lindern, ihre Herzen mildern; endlich können wir aber nur noch den Bodensatz der Gesellschaft von ihren eigenen trüben Gährungen sondern, das offenbare, eingestandene, überführte und der Strafe überlieferte
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