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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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Das Atemholen. VIII. Buch.
anfängt, so verrichten das übrige die eignen Kräfte sei-
ner Blase weiter (k).

Der Mastdarm leert sich durch die Kräfte des Atem-
holens aus, und er schaft im gesunden Menschen fast nie-
mals ohne diese Gewalt den Koth fort, welche Gewalt der
Reiz des ausgedehnten Darmes rege macht.

Die Gebärmutter entlediget sich durch eben diese Kraft,
über die kein Anstrengen stärker wirkt, von der Frucht (m).
Denn ob ich gleich die Kräfte der Gebärmutter davon
nicht ausfliessen mag, so mus man doch von diesen weni-
ger erwarten, da die Kräfte des Atemholens die Mutter
gegen die Frucht bei ganz vollem Unterleibe dergestallt
drükken, daß sie allenthalben angelehnt, kaum eine sol-
che Wirkung hervorbringen kan, welche sich mit den
Kräften der Anstrengung vergleichen liesse. Endlich so
sind alle geflügelte Thiere ohne eine muskelhafte Gebär-
mutter, und sie legen ihre Eier, blos von den Kräften
des Atemholens unterstüzzt, von sich.

Die Wirksamkeit des Zwerchfells in Verengerung der
untern Holader, scheint einen besondern Nuzzen nach sich
zu ziehen. Denn indem es, wärend dem Einatmen,
das Blut zurükke treibt, so sorgt es davor, daß das sonst
von den obern Blutadern in der Lunge zusammen fliessende
Blut, dieses Eingeweide nicht zu sehr überhäufe.

Das Einatmen führt die Luft zur Nase hin (n), und
es zieht zugleich aus der Luft die flüchtige Theile herbei,
welche ohne diesen aufgewülten Luftstrudel, sich unfülbar
machen würden. Wir können nämlich die heftigsten Ge-
rüche von uns abhalten, wenn wir blos den Atem zurükke
halten: selbst die Hunde spüren nicht, wenn sie durch eine
Wunde an der Luftröhre Atem holen müssen (o).

(l)
Jch
(k) [Spaltenumbruch] Mem. sur les part. irritabl. et
sensibl.
(m) Ebendas. T. V. P. II.
(n) [Spaltenumbruch] ORIBAS. S. 48. Praelect.
boerh. T. IV.
S. 69. 70.
(o) PERRAVLT ess. de phys.
T. III.
S. 29.
(l) Prael. BOERH. T. I. S. 539.

Das Atemholen. VIII. Buch.
anfaͤngt, ſo verrichten das uͤbrige die eignen Kraͤfte ſei-
ner Blaſe weiter (k).

Der Maſtdarm leert ſich durch die Kraͤfte des Atem-
holens aus, und er ſchaft im geſunden Menſchen faſt nie-
mals ohne dieſe Gewalt den Koth fort, welche Gewalt der
Reiz des ausgedehnten Darmes rege macht.

Die Gebaͤrmutter entlediget ſich durch eben dieſe Kraft,
uͤber die kein Anſtrengen ſtaͤrker wirkt, von der Frucht (m).
Denn ob ich gleich die Kraͤfte der Gebaͤrmutter davon
nicht ausflieſſen mag, ſo mus man doch von dieſen weni-
ger erwarten, da die Kraͤfte des Atemholens die Mutter
gegen die Frucht bei ganz vollem Unterleibe dergeſtallt
druͤkken, daß ſie allenthalben angelehnt, kaum eine ſol-
che Wirkung hervorbringen kan, welche ſich mit den
Kraͤften der Anſtrengung vergleichen lieſſe. Endlich ſo
ſind alle gefluͤgelte Thiere ohne eine muskelhafte Gebaͤr-
mutter, und ſie legen ihre Eier, blos von den Kraͤften
des Atemholens unterſtuͤzzt, von ſich.

Die Wirkſamkeit des Zwerchfells in Verengerung der
untern Holader, ſcheint einen beſondern Nuzzen nach ſich
zu ziehen. Denn indem es, waͤrend dem Einatmen,
das Blut zuruͤkke treibt, ſo ſorgt es davor, daß das ſonſt
von den obern Blutadern in der Lunge zuſammen flieſſende
Blut, dieſes Eingeweide nicht zu ſehr uͤberhaͤufe.

Das Einatmen fuͤhrt die Luft zur Naſe hin (n), und
es zieht zugleich aus der Luft die fluͤchtige Theile herbei,
welche ohne dieſen aufgewuͤlten Luftſtrudel, ſich unfuͤlbar
machen wuͤrden. Wir koͤnnen naͤmlich die heftigſten Ge-
ruͤche von uns abhalten, wenn wir blos den Atem zuruͤkke
halten: ſelbſt die Hunde ſpuͤren nicht, wenn ſie durch eine
Wunde an der Luftroͤhre Atem holen muͤſſen (o).

(l)
Jch
(k) [Spaltenumbruch] Mem. ſur les part. irritabl. et
ſenſibl.
(m) Ebendaſ. T. V. P. II.
(n) [Spaltenumbruch] ORIBAS. S. 48. Praelect.
boerh. T. IV.
S. 69. 70.
(o) PERRAVLT eſſ. de phyſ.
T. III.
S. 29.
(l) Prael. BOERH. T. I. S. 539.
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[566[568]/0574] Das Atemholen. VIII. Buch. anfaͤngt, ſo verrichten das uͤbrige die eignen Kraͤfte ſei- ner Blaſe weiter (k). Der Maſtdarm leert ſich durch die Kraͤfte des Atem- holens aus, und er ſchaft im geſunden Menſchen faſt nie- mals ohne dieſe Gewalt den Koth fort, welche Gewalt der Reiz des ausgedehnten Darmes rege macht. Die Gebaͤrmutter entlediget ſich durch eben dieſe Kraft, uͤber die kein Anſtrengen ſtaͤrker wirkt, von der Frucht (m). Denn ob ich gleich die Kraͤfte der Gebaͤrmutter davon nicht ausflieſſen mag, ſo mus man doch von dieſen weni- ger erwarten, da die Kraͤfte des Atemholens die Mutter gegen die Frucht bei ganz vollem Unterleibe dergeſtallt druͤkken, daß ſie allenthalben angelehnt, kaum eine ſol- che Wirkung hervorbringen kan, welche ſich mit den Kraͤften der Anſtrengung vergleichen lieſſe. Endlich ſo ſind alle gefluͤgelte Thiere ohne eine muskelhafte Gebaͤr- mutter, und ſie legen ihre Eier, blos von den Kraͤften des Atemholens unterſtuͤzzt, von ſich. Die Wirkſamkeit des Zwerchfells in Verengerung der untern Holader, ſcheint einen beſondern Nuzzen nach ſich zu ziehen. Denn indem es, waͤrend dem Einatmen, das Blut zuruͤkke treibt, ſo ſorgt es davor, daß das ſonſt von den obern Blutadern in der Lunge zuſammen flieſſende Blut, dieſes Eingeweide nicht zu ſehr uͤberhaͤufe. Das Einatmen fuͤhrt die Luft zur Naſe hin (n), und es zieht zugleich aus der Luft die fluͤchtige Theile herbei, welche ohne dieſen aufgewuͤlten Luftſtrudel, ſich unfuͤlbar machen wuͤrden. Wir koͤnnen naͤmlich die heftigſten Ge- ruͤche von uns abhalten, wenn wir blos den Atem zuruͤkke halten: ſelbſt die Hunde ſpuͤren nicht, wenn ſie durch eine Wunde an der Luftroͤhre Atem holen muͤſſen (o). Jch (l) (k) Mem. ſur les part. irritabl. et ſenſibl. (m) Ebendaſ. T. V. P. II. (n) ORIBAS. S. 48. Praelect. boerh. T. IV. S. 69. 70. (o) PERRAVLT eſſ. de phyſ. T. III. S. 29. (l) Prael. BOERH. T. I. S. 539.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 566[568]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/574>, abgerufen am 03.06.2024.