Habt Ihr je im Don Juan jenen bangen Moment geschaut, wo Tritte dumpf und im¬ mer näher tönen, wo Leporello schreiend zu¬ rückkömmt und die Statue des Gouverneurs, ihrem Streitroß auf dem Monument entstiegen, zum Gastmal kömmt? Riesengroß, mit abge¬ messenem dröhnendem Schritt, ein ungeheures Schwert in der Hand, gepanzert, aber ohne Helm, trat die Gestalt ins Gemach. Sie war von Stein, das Gesicht steif und seelenlos; aber dennoch that sich der steinerne Mund auf und sprach: "Gott grüß Euch, vielliebe Reben vom Rheine; muß doch das schöne Nachbars¬ kind besuchen an ihrem Jahrestag. Gott grüß Euch, Jungfrau Rose. Darf ich auch Platz nehmen in Eurem Gelaggaden?"
Sie schauten alle verwundert nach der riesigen Statue, Frau Rose aber brach das Stillschwei¬ gen, schlug vor Freude die Hände zusammen und schrie: "Ei, du meine Güte! 's ist ja der
Habt Ihr je im Don Juan jenen bangen Moment geſchaut, wo Tritte dumpf und im¬ mer naͤher toͤnen, wo Leporello ſchreiend zu¬ ruͤckkoͤmmt und die Statue des Gouverneurs, ihrem Streitroß auf dem Monument entſtiegen, zum Gaſtmal koͤmmt? Rieſengroß, mit abge¬ meſſenem droͤhnendem Schritt, ein ungeheures Schwert in der Hand, gepanzert, aber ohne Helm, trat die Geſtalt ins Gemach. Sie war von Stein, das Geſicht ſteif und ſeelenlos; aber dennoch that ſich der ſteinerne Mund auf und ſprach: „Gott gruͤß Euch, vielliebe Reben vom Rheine; muß doch das ſchoͤne Nachbars¬ kind beſuchen an ihrem Jahrestag. Gott gruͤß Euch, Jungfrau Roſe. Darf ich auch Platz nehmen in Eurem Gelaggaden?“
Sie ſchauten alle verwundert nach der rieſigen Statue, Frau Roſe aber brach das Stillſchwei¬ gen, ſchlug vor Freude die Haͤnde zuſammen und ſchrie: „Ei, du meine Guͤte! 's iſt ja der
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Habt Ihr je im Don Juan jenen bangen
Moment geſchaut, wo Tritte dumpf und im¬
mer naͤher toͤnen, wo Leporello ſchreiend zu¬
ruͤckkoͤmmt und die Statue des Gouverneurs,
ihrem Streitroß auf dem Monument entſtiegen,
zum Gaſtmal koͤmmt? Rieſengroß, mit abge¬
meſſenem droͤhnendem Schritt, ein ungeheures
Schwert in der Hand, gepanzert, aber ohne
Helm, trat die Geſtalt ins Gemach. Sie war
von Stein, das Geſicht ſteif und ſeelenlos;
aber dennoch that ſich der ſteinerne Mund auf
und ſprach: „Gott gruͤß Euch, vielliebe Reben
vom Rheine; muß doch das ſchoͤne Nachbars¬
kind beſuchen an ihrem Jahrestag. Gott gruͤß
Euch, Jungfrau Roſe. Darf ich auch Platz
nehmen in Eurem Gelaggaden?“
Sie ſchauten alle verwundert nach der rieſigen
Statue, Frau Roſe aber brach das Stillſchwei¬
gen, ſchlug vor Freude die Haͤnde zuſammen
und ſchrie: „Ei, du meine Guͤte! 's iſt ja der
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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/106>, abgerufen am 16.06.2024.
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