Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.
der Schlangen, denen sie angehören, da sprach er ein Wort aus, das sie zur Verzweiflung trieb; ich, statt sie, als ihr Herz in namenloser Angst vor mir aufsprang, in meine Arme zu schließen, dachte an den Buben, der dazu ein Gesicht ziehen könnte, und -- nun, ich bezahl's mit dem Leben, daß ich mich von Einem, der schlechter war, als ich, so abhängig machte, und auch Er, so eisern er dasteht, auch Er wird noch einmal sprechen: Tochter, ich wollte doch, Du hättest mir das Kopfschütteln und Achselzucken der Pharisäer um mich her nicht erspart, es beugt mich doch tiefer, daß Du nun nicht an meinem Sterbebett sitzen und mir den Angstschweiß abtrocknen kannst! Meister Anton. Sie hat mir Nichts erspart -- man hat's ge- sehen! Secretair. Sie hat gethan, was sie konnte -- Er war's nicht werth, daß ihre That gelang! Meister Anton. Oder sie nicht! (Tumult draußen.)
der Schlangen, denen ſie angehören, da ſprach er ein Wort aus, das ſie zur Verzweiflung trieb; ich, ſtatt ſie, als ihr Herz in namenloſer Angſt vor mir aufſprang, in meine Arme zu ſchließen, dachte an den Buben, der dazu ein Geſicht ziehen könnte, und — nun, ich bezahl’s mit dem Leben, daß ich mich von Einem, der ſchlechter war, als ich, ſo abhängig machte, und auch Er, ſo eiſern er daſteht, auch Er wird noch einmal ſprechen: Tochter, ich wollte doch, Du hätteſt mir das Kopfſchütteln und Achſelzucken der Phariſäer um mich her nicht erſpart, es beugt mich doch tiefer, daß Du nun nicht an meinem Sterbebett ſitzen und mir den Angſtſchweiß abtrocknen kannſt! Meiſter Anton. Sie hat mir Nichts erſpart — man hat’s ge- ſehen! Secretair. Sie hat gethan, was ſie konnte — Er war’s nicht werth, daß ihre That gelang! Meiſter Anton. Oder ſie nicht! (Tumult draußen.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SECRE"> <p><pb facs="#f0193" n="125"/> der <hi rendition="#g">Schlangen</hi>, denen ſie angehören, da ſprach<lb/> er ein Wort aus, das ſie zur Verzweiflung trieb;<lb/> ich, ſtatt ſie, als ihr Herz in namenloſer Angſt vor<lb/> mir aufſprang, in meine Arme zu ſchließen, dachte<lb/> an den Buben, der dazu ein Geſicht ziehen könnte,<lb/> und — nun, ich bezahl’s mit dem Leben, daß ich<lb/> mich von Einem, der <hi rendition="#g">ſchlechter</hi> war, als ich, ſo<lb/><hi rendition="#g">abhängig</hi> machte, und auch Er, ſo eiſern er daſteht,<lb/> auch Er wird noch einmal ſprechen: Tochter, ich<lb/> wollte doch, Du hätteſt mir das Kopfſchütteln und<lb/> Achſelzucken der Phariſäer um mich her nicht erſpart, es<lb/> beugt mich doch tiefer, daß Du nun nicht an meinem<lb/> Sterbebett ſitzen und mir den Angſtſchweiß abtrocknen<lb/> kannſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie hat mir Nichts erſpart — man hat’s ge-<lb/> ſehen!</p> </sp><lb/> <sp who="#SECRE"> <speaker><hi rendition="#g">Secretair</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie hat gethan, was ſie konnte — <hi rendition="#g">Er war’s<lb/> nicht werth, daß ihre That gelang</hi>!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Oder <hi rendition="#g">ſie</hi> nicht!</p><lb/> <stage>(Tumult draußen.)</stage> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0193]
der Schlangen, denen ſie angehören, da ſprach
er ein Wort aus, das ſie zur Verzweiflung trieb;
ich, ſtatt ſie, als ihr Herz in namenloſer Angſt vor
mir aufſprang, in meine Arme zu ſchließen, dachte
an den Buben, der dazu ein Geſicht ziehen könnte,
und — nun, ich bezahl’s mit dem Leben, daß ich
mich von Einem, der ſchlechter war, als ich, ſo
abhängig machte, und auch Er, ſo eiſern er daſteht,
auch Er wird noch einmal ſprechen: Tochter, ich
wollte doch, Du hätteſt mir das Kopfſchütteln und
Achſelzucken der Phariſäer um mich her nicht erſpart, es
beugt mich doch tiefer, daß Du nun nicht an meinem
Sterbebett ſitzen und mir den Angſtſchweiß abtrocknen
kannſt!
Meiſter Anton.
Sie hat mir Nichts erſpart — man hat’s ge-
ſehen!
Secretair.
Sie hat gethan, was ſie konnte — Er war’s
nicht werth, daß ihre That gelang!
Meiſter Anton.
Oder ſie nicht!
(Tumult draußen.)
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Zitationshilfe: | Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/193>, abgerufen am 17.06.2024. |