die Leute, so sich vor ihm fürchteten, von ihrer Furcht befreyte, indem es, vor Aller Augen, seinen Schädel von den Schultern herabnahm, und jedem zeigte, daß er inwendig ganz hohl und leer sey.
Ich kann nicht umhin nachträglich zu erzäh¬ len, daß ich Gelegenheit fand, den dicken Mann mit den glänzend neuen Hosen genauer zu beob¬ achten, und mich zu überzeugen, daß er kein Jesuit war, sondern ein ganz gewöhnliches Vieh Gottes. Ich traf ihn nemlich in der Gaststube meines Wirthshauses, wo er zu Nacht speiste, in Gesellschaft eines langen, magern Excellenz ge¬ nannten Mannes, der jenem alten, hagestolz¬ lichen Landjunker, den uns Shakespear geschil¬ dert, so ähnlich war, daß es schien, als habe die Natur ein Plagiat begangen. Beide würzten ihr Mahl, indem sie die Aufwärterin mit Ca¬ ressen bedrängten, die das liebe, bildschöne Mäd¬
die Leute, ſo ſich vor ihm fuͤrchteten, von ihrer Furcht befreyte, indem es, vor Aller Augen, ſeinen Schaͤdel von den Schultern herabnahm, und jedem zeigte, daß er inwendig ganz hohl und leer ſey.
Ich kann nicht umhin nachtraͤglich zu erzaͤh¬ len, daß ich Gelegenheit fand, den dicken Mann mit den glaͤnzend neuen Hoſen genauer zu beob¬ achten, und mich zu uͤberzeugen, daß er kein Jeſuit war, ſondern ein ganz gewoͤhnliches Vieh Gottes. Ich traf ihn nemlich in der Gaſtſtube meines Wirthshauſes, wo er zu Nacht ſpeiſte, in Geſellſchaft eines langen, magern Excellenz ge¬ nannten Mannes, der jenem alten, hageſtolz¬ lichen Landjunker, den uns Shakespear geſchil¬ dert, ſo aͤhnlich war, daß es ſchien, als habe die Natur ein Plagiat begangen. Beide wuͤrzten ihr Mahl, indem ſie die Aufwaͤrterin mit Ca¬ reſſen bedraͤngten, die das liebe, bildſchoͤne Maͤd¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0068"n="60"/>
die Leute, ſo ſich vor ihm fuͤrchteten, von ihrer<lb/>
Furcht befreyte, indem es, vor Aller Augen,<lb/>ſeinen Schaͤdel von den Schultern herabnahm,<lb/>
und jedem zeigte, daß er inwendig ganz hohl und<lb/>
leer ſey.</p><lb/><p>Ich kann nicht umhin nachtraͤglich zu erzaͤh¬<lb/>
len, daß ich Gelegenheit fand, den dicken Mann<lb/>
mit den glaͤnzend neuen Hoſen genauer zu beob¬<lb/>
achten, und mich zu uͤberzeugen, daß er kein<lb/>
Jeſuit war, ſondern ein ganz gewoͤhnliches Vieh<lb/>
Gottes. Ich traf ihn nemlich in der Gaſtſtube<lb/>
meines Wirthshauſes, wo er zu Nacht ſpeiſte,<lb/>
in Geſellſchaft eines langen, magern Excellenz ge¬<lb/>
nannten Mannes, der jenem alten, hageſtolz¬<lb/>
lichen Landjunker, den uns Shakespear geſchil¬<lb/>
dert, ſo aͤhnlich war, daß es ſchien, als habe die<lb/>
Natur ein Plagiat begangen. Beide wuͤrzten<lb/>
ihr Mahl, indem ſie die Aufwaͤrterin mit Ca¬<lb/>
reſſen bedraͤngten, die das liebe, bildſchoͤne Maͤd¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0068]
die Leute, ſo ſich vor ihm fuͤrchteten, von ihrer
Furcht befreyte, indem es, vor Aller Augen,
ſeinen Schaͤdel von den Schultern herabnahm,
und jedem zeigte, daß er inwendig ganz hohl und
leer ſey.
Ich kann nicht umhin nachtraͤglich zu erzaͤh¬
len, daß ich Gelegenheit fand, den dicken Mann
mit den glaͤnzend neuen Hoſen genauer zu beob¬
achten, und mich zu uͤberzeugen, daß er kein
Jeſuit war, ſondern ein ganz gewoͤhnliches Vieh
Gottes. Ich traf ihn nemlich in der Gaſtſtube
meines Wirthshauſes, wo er zu Nacht ſpeiſte,
in Geſellſchaft eines langen, magern Excellenz ge¬
nannten Mannes, der jenem alten, hageſtolz¬
lichen Landjunker, den uns Shakespear geſchil¬
dert, ſo aͤhnlich war, daß es ſchien, als habe die
Natur ein Plagiat begangen. Beide wuͤrzten
ihr Mahl, indem ſie die Aufwaͤrterin mit Ca¬
reſſen bedraͤngten, die das liebe, bildſchoͤne Maͤd¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/68>, abgerufen am 10.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.