Servius gibt jedoch die bessere Erklärung, und sagt: es sey deßwegen geschehen, weil er seine Frau aus Unenthaltsamkeit im Tempel des Apollo beschlafen habe.
Das Ganze vom Laokoon zeigt einen Men- schen, der gestraft wird, und den endlich der Arm göttlicher Gerechtigkeit erreicht hat; er sinkt in die Nacht des Todes unter dem schrecklichen Gerichte, und um seine Lippen herum liegt noch Erkenntniß seiner Sünden. Ueber dem rechten Auge und dem weggezuckten Blick aus beyden ist der höchste Ausdruck des Schmerzens. Sein ganzer Körper zittert und bebt und brennt schwel- lend unter dem folternden tödtenden Gifte, das wie ein Quell sich verbreitet.
Seine Gesichtsbildung mit dem schönen ge- kräuselten Barte ist völlig griechisch, und aus dem täglichen Umgange von einem tiefschauenden Menschen weggefühlt, und drückt einen gescheid- ten Mann aus, der wenig ander Gesetz, als
sei-
Ardingbello 2ter B. F
Servius gibt jedoch die beſſere Erklaͤrung, und ſagt: es ſey deßwegen geſchehen, weil er ſeine Frau aus Unenthaltſamkeit im Tempel des Apollo beſchlafen habe.
Das Ganze vom Laokoon zeigt einen Men- ſchen, der geſtraft wird, und den endlich der Arm goͤttlicher Gerechtigkeit erreicht hat; er ſinkt in die Nacht des Todes unter dem ſchrecklichen Gerichte, und um ſeine Lippen herum liegt noch Erkenntniß ſeiner Suͤnden. Ueber dem rechten Auge und dem weggezuckten Blick aus beyden iſt der hoͤchſte Ausdruck des Schmerzens. Sein ganzer Koͤrper zittert und bebt und brennt ſchwel- lend unter dem folternden toͤdtenden Gifte, das wie ein Quell ſich verbreitet.
Seine Geſichtsbildung mit dem ſchoͤnen ge- kraͤuſelten Barte iſt voͤllig griechiſch, und aus dem taͤglichen Umgange von einem tiefſchauenden Menſchen weggefuͤhlt, und druͤckt einen geſcheid- ten Mann aus, der wenig ander Geſetz, als
ſei-
Ardingbello 2ter B. F
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Servius gibt jedoch die beſſere Erklaͤrung,
und ſagt: es ſey deßwegen geſchehen, weil er
ſeine Frau aus Unenthaltſamkeit im Tempel
des Apollo beſchlafen habe.
Das Ganze vom Laokoon zeigt einen Men-
ſchen, der geſtraft wird, und den endlich der
Arm goͤttlicher Gerechtigkeit erreicht hat; er ſinkt
in die Nacht des Todes unter dem ſchrecklichen
Gerichte, und um ſeine Lippen herum liegt noch
Erkenntniß ſeiner Suͤnden. Ueber dem rechten
Auge und dem weggezuckten Blick aus beyden iſt
der hoͤchſte Ausdruck des Schmerzens. Sein
ganzer Koͤrper zittert und bebt und brennt ſchwel-
lend unter dem folternden toͤdtenden Gifte, das
wie ein Quell ſich verbreitet.
Seine Geſichtsbildung mit dem ſchoͤnen ge-
kraͤuſelten Barte iſt voͤllig griechiſch, und aus
dem taͤglichen Umgange von einem tiefſchauenden
Menſchen weggefuͤhlt, und druͤckt einen geſcheid-
ten Mann aus, der wenig ander Geſetz, als
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/89>, abgerufen am 01.06.2024.
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