und Richtung dieser Theile zum horizontalen und per- pendikularen Gange, mithin zum ganzen Habitus des Ge- schöpfs abhange und hiernach, zufolge eines einfachen Bil- dungsprincipium, in die größeste Mannichfaltigkeit Einheit gebracht werden möge.
O daß ein zweiter Galen in unsern Tagen das Buch des Alten von den Theilen des menschlichen Körpers inson- derheit zu dem Zweck erneute, damit die Vollkommenheit uns- rer Gestalt im aufrechten Gange nach allen Proportionen und Wirkungen offenbar würde! daß er in fortgehender Verglei- chung mit denen uns nächsten Thieren den Menschen vom er- sten Anfange seiner Sichtbarkeit in seinen thierischen und gei- stigen Verrichtungen, in der feinern Proportion aller Theile zu einander, zuletzt den ganzen sprossenden Baum bis zu sei- ner Krone, dem Gehirn verfolgte und durch Vergleichun- gen zeigte, wie eine solche nur hier sprossen konnte. Die aufgerichtete Gestalt ist die schönste und natürlichste für alle Gewächse der Erde. Wie der Baum aufwärts wächst, wie die Pflanze aufwärts blühet: so sollte man auch vermuthen, daß jedes edlere Geschöpf diesen Wuchs, diese Stellung ha- ben und nicht wie ein hingestrecktes, auf vier Stützen ge- schlagenes Gerippe sich herschleppen sollte. Aber das Thier mußte in diesen früheren Perioden seiner Niedergeschlagen-
heit
und Richtung dieſer Theile zum horizontalen und per- pendikularen Gange, mithin zum ganzen Habitus des Ge- ſchoͤpfs abhange und hiernach, zufolge eines einfachen Bil- dungsprincipium, in die groͤßeſte Mannichfaltigkeit Einheit gebracht werden moͤge.
O daß ein zweiter Galen in unſern Tagen das Buch des Alten von den Theilen des menſchlichen Koͤrpers inſon- derheit zu dem Zweck erneute, damit die Vollkommenheit unſ- rer Geſtalt im aufrechten Gange nach allen Proportionen und Wirkungen offenbar wuͤrde! daß er in fortgehender Verglei- chung mit denen uns naͤchſten Thieren den Menſchen vom er- ſten Anfange ſeiner Sichtbarkeit in ſeinen thieriſchen und gei- ſtigen Verrichtungen, in der feinern Proportion aller Theile zu einander, zuletzt den ganzen ſproſſenden Baum bis zu ſei- ner Krone, dem Gehirn verfolgte und durch Vergleichun- gen zeigte, wie eine ſolche nur hier ſproſſen konnte. Die aufgerichtete Geſtalt iſt die ſchoͤnſte und natuͤrlichſte fuͤr alle Gewaͤchſe der Erde. Wie der Baum aufwaͤrts waͤchſt, wie die Pflanze aufwaͤrts bluͤhet: ſo ſollte man auch vermuthen, daß jedes edlere Geſchoͤpf dieſen Wuchs, dieſe Stellung ha- ben und nicht wie ein hingeſtrecktes, auf vier Stuͤtzen ge- ſchlagenes Gerippe ſich herſchleppen ſollte. Aber das Thier mußte in dieſen fruͤheren Perioden ſeiner Niedergeſchlagen-
heit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0216"n="214[194]"/><hirendition="#fr">und Richtung dieſer Theile zum horizontalen und per-<lb/>
pendikularen Gange</hi>, mithin zum ganzen Habitus des Ge-<lb/>ſchoͤpfs abhange und hiernach, zufolge eines einfachen Bil-<lb/>
dungsprincipium, in die groͤßeſte Mannichfaltigkeit Einheit<lb/>
gebracht werden moͤge.</p><lb/><p>O daß ein zweiter <hirendition="#fr">Galen</hi> in unſern Tagen das Buch<lb/>
des Alten von den Theilen des menſchlichen Koͤrpers inſon-<lb/>
derheit zu dem Zweck erneute, damit die Vollkommenheit unſ-<lb/>
rer Geſtalt im aufrechten Gange nach allen Proportionen und<lb/>
Wirkungen offenbar wuͤrde! daß er in fortgehender Verglei-<lb/>
chung mit denen uns naͤchſten Thieren den Menſchen vom er-<lb/>ſten Anfange ſeiner Sichtbarkeit in ſeinen thieriſchen und gei-<lb/>ſtigen Verrichtungen, in der feinern Proportion aller Theile<lb/>
zu einander, zuletzt den ganzen ſproſſenden Baum bis zu ſei-<lb/>
ner Krone, dem Gehirn verfolgte und durch Vergleichun-<lb/>
gen zeigte, wie eine ſolche nur hier ſproſſen konnte. Die<lb/>
aufgerichtete Geſtalt iſt die ſchoͤnſte und natuͤrlichſte fuͤr alle<lb/>
Gewaͤchſe der Erde. Wie der Baum aufwaͤrts waͤchſt, wie<lb/>
die Pflanze aufwaͤrts bluͤhet: ſo ſollte man auch vermuthen,<lb/>
daß jedes edlere Geſchoͤpf dieſen Wuchs, dieſe Stellung ha-<lb/>
ben und nicht wie ein hingeſtrecktes, auf vier Stuͤtzen ge-<lb/>ſchlagenes Gerippe ſich herſchleppen ſollte. Aber das Thier<lb/>
mußte in dieſen fruͤheren Perioden ſeiner Niedergeſchlagen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">heit</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214[194]/0216]
und Richtung dieſer Theile zum horizontalen und per-
pendikularen Gange, mithin zum ganzen Habitus des Ge-
ſchoͤpfs abhange und hiernach, zufolge eines einfachen Bil-
dungsprincipium, in die groͤßeſte Mannichfaltigkeit Einheit
gebracht werden moͤge.
O daß ein zweiter Galen in unſern Tagen das Buch
des Alten von den Theilen des menſchlichen Koͤrpers inſon-
derheit zu dem Zweck erneute, damit die Vollkommenheit unſ-
rer Geſtalt im aufrechten Gange nach allen Proportionen und
Wirkungen offenbar wuͤrde! daß er in fortgehender Verglei-
chung mit denen uns naͤchſten Thieren den Menſchen vom er-
ſten Anfange ſeiner Sichtbarkeit in ſeinen thieriſchen und gei-
ſtigen Verrichtungen, in der feinern Proportion aller Theile
zu einander, zuletzt den ganzen ſproſſenden Baum bis zu ſei-
ner Krone, dem Gehirn verfolgte und durch Vergleichun-
gen zeigte, wie eine ſolche nur hier ſproſſen konnte. Die
aufgerichtete Geſtalt iſt die ſchoͤnſte und natuͤrlichſte fuͤr alle
Gewaͤchſe der Erde. Wie der Baum aufwaͤrts waͤchſt, wie
die Pflanze aufwaͤrts bluͤhet: ſo ſollte man auch vermuthen,
daß jedes edlere Geſchoͤpf dieſen Wuchs, dieſe Stellung ha-
ben und nicht wie ein hingeſtrecktes, auf vier Stuͤtzen ge-
ſchlagenes Gerippe ſich herſchleppen ſollte. Aber das Thier
mußte in dieſen fruͤheren Perioden ſeiner Niedergeſchlagen-
heit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 214[194]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/216>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.