es hat zum Theil schon Finger wie der Mensch; nur sind sie hier in einem Huf, dort in eine Klaue oder in ein ander Ge- bilde eingeschlossen und durch Schwülen verderbet. Durch die Bildung zum aufrechten Gange bekam der Mensch freie und künstliche Hände; Werkzeuge der feinsten Handthierun- gen und eines immerwährenden Tastens nach neuen klaren Jdeen. Helvetius hat so fern Recht, daß die Hand dem Menschen ein großes Hülfsmittel seiner Vernunft gewesen: denn was ist nicht sch[o]n der Rüssel dem Elephanten? Ja die- ses zarte Gefühl der Hände ist in seinen Körper verbreitet und bei verstümmelten Menschen haben die Zehen des Fußes oft Kunststücke geübet, die die Hand nicht üben konnte. Der kleine Daum, der große Zeh, die auch der Struktur ihrer Muskeln nach so besonders gebildet sind, ob sie uns gleich verachtete Glieder scheinen, sind uns die nothwendigsten Kunstgehülfen zum Stehen - Gehen, Fassen und allen Ver- richtungen der Kunstarbeitenden Seele.
Man hat so oft gesagt, daß der Mensch wehrlos erschaf- fen worden und daß es einer seiner unterscheidenden Ge- schlechtscharaktere sei, nichts zu vermögen. Es ist nicht also; er hat Waffen der Vertheidigung, wie alle Geschöpfe. Schon der Affe führt den Prügel und wehret sich mit Sand und Steinen: er klettert und rettet sich vor den Schlangen, seinen
ärgsten
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es hat zum Theil ſchon Finger wie der Menſch; nur ſind ſie hier in einem Huf, dort in eine Klaue oder in ein ander Ge- bilde eingeſchloſſen und durch Schwuͤlen verderbet. Durch die Bildung zum aufrechten Gange bekam der Menſch freie und kuͤnſtliche Haͤnde; Werkzeuge der feinſten Handthierun- gen und eines immerwaͤhrenden Taſtens nach neuen klaren Jdeen. Helvetius hat ſo fern Recht, daß die Hand dem Menſchen ein großes Huͤlfsmittel ſeiner Vernunft geweſen: denn was iſt nicht ſch[o]n der Ruͤſſel dem Elephanten? Ja die- ſes zarte Gefuͤhl der Haͤnde iſt in ſeinen Koͤrper verbreitet und bei verſtuͤmmelten Menſchen haben die Zehen des Fußes oft Kunſtſtuͤcke geuͤbet, die die Hand nicht uͤben konnte. Der kleine Daum, der große Zeh, die auch der Struktur ihrer Muskeln nach ſo beſonders gebildet ſind, ob ſie uns gleich verachtete Glieder ſcheinen, ſind uns die nothwendigſten Kunſtgehuͤlfen zum Stehen - Gehen, Faſſen und allen Ver- richtungen der Kunſtarbeitenden Seele.
Man hat ſo oft geſagt, daß der Menſch wehrlos erſchaf- fen worden und daß es einer ſeiner unterſcheidenden Ge- ſchlechtscharaktere ſei, nichts zu vermoͤgen. Es iſt nicht alſo; er hat Waffen der Vertheidigung, wie alle Geſchoͤpfe. Schon der Affe fuͤhrt den Pruͤgel und wehret ſich mit Sand und Steinen: er klettert und rettet ſich vor den Schlangen, ſeinen
aͤrgſten
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[217[197]/0219]
es hat zum Theil ſchon Finger wie der Menſch; nur ſind ſie
hier in einem Huf, dort in eine Klaue oder in ein ander Ge-
bilde eingeſchloſſen und durch Schwuͤlen verderbet. Durch
die Bildung zum aufrechten Gange bekam der Menſch freie
und kuͤnſtliche Haͤnde; Werkzeuge der feinſten Handthierun-
gen und eines immerwaͤhrenden Taſtens nach neuen klaren
Jdeen. Helvetius hat ſo fern Recht, daß die Hand dem
Menſchen ein großes Huͤlfsmittel ſeiner Vernunft geweſen:
denn was iſt nicht ſchon der Ruͤſſel dem Elephanten? Ja die-
ſes zarte Gefuͤhl der Haͤnde iſt in ſeinen Koͤrper verbreitet und
bei verſtuͤmmelten Menſchen haben die Zehen des Fußes oft
Kunſtſtuͤcke geuͤbet, die die Hand nicht uͤben konnte. Der
kleine Daum, der große Zeh, die auch der Struktur ihrer
Muskeln nach ſo beſonders gebildet ſind, ob ſie uns gleich
verachtete Glieder ſcheinen, ſind uns die nothwendigſten
Kunſtgehuͤlfen zum Stehen - Gehen, Faſſen und allen Ver-
richtungen der Kunſtarbeitenden Seele.
Man hat ſo oft geſagt, daß der Menſch wehrlos erſchaf-
fen worden und daß es einer ſeiner unterſcheidenden Ge-
ſchlechtscharaktere ſei, nichts zu vermoͤgen. Es iſt nicht alſo;
er hat Waffen der Vertheidigung, wie alle Geſchoͤpfe. Schon
der Affe fuͤhrt den Pruͤgel und wehret ſich mit Sand und
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 217[197]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/219>, abgerufen am 31.10.2024.
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