aus ihrem eignen frölichen Mundea). Selbst ihre Gebräu- che, Sprüchwörter und Klugheitsregeln bezeichnen lange nicht so viel, als jene bezeichnen; noch mehr aber thäten es, wenn wir Proben davon hätten, oder vielmehr die Reisenden sie be- merkten, der Nationen charakteristische Träume. Jm Traum und im Spiel zeiget sich der Mensch ganz, wie er ist; in je- nem aber am meisten.
Die Liebe des Vaters zu seinen Kindern ist die zweite Tu- gend, die sich beim Mann am besten durch männliche Erzie- hung äußert. Frühe gewöhnt der Vater den Sohn zu seiner Lebensweise: er lehrt ihn seine Künste, weckt in ihm das Ge- fühl seines Ruhms und liebet in ihm sich selbst, wenn er alt oder nicht mehr seyn wird. Dies Gefühl ist der Grund aller Stammes-Ehre und Stammes-Tugend auf der Erde: es macht die Erziehung zum öffentlichen, zum ewigen Werk: es hat alle Vorzüge und Vorurtheile der Menschengeschlechter hinabgeerbet. Daher fast bei allen Stämmen und Völkern die Theilnehmende Freude, wenn der Sohn ein Mann wird und sich mit dem Geräth oder den Waffen seines Vaters schmücket; daher die tiefe Trauer des Vaters, wenn er diese
seine
a) S. die Volkslieder, theils allgemein, theils insonderheit die Nor- dischen Stücke Th. 1. S. 166. 175. 177. 242. 247. Th. 2. S. 210. 245.
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aus ihrem eignen froͤlichen Mundea). Selbſt ihre Gebraͤu- che, Spruͤchwoͤrter und Klugheitsregeln bezeichnen lange nicht ſo viel, als jene bezeichnen; noch mehr aber thaͤten es, wenn wir Proben davon haͤtten, oder vielmehr die Reiſenden ſie be- merkten, der Nationen charakteriſtiſche Traͤume. Jm Traum und im Spiel zeiget ſich der Menſch ganz, wie er iſt; in je- nem aber am meiſten.
Die Liebe des Vaters zu ſeinen Kindern iſt die zweite Tu- gend, die ſich beim Mann am beſten durch maͤnnliche Erzie- hung aͤußert. Fruͤhe gewoͤhnt der Vater den Sohn zu ſeiner Lebensweiſe: er lehrt ihn ſeine Kuͤnſte, weckt in ihm das Ge- fuͤhl ſeines Ruhms und liebet in ihm ſich ſelbſt, wenn er alt oder nicht mehr ſeyn wird. Dies Gefuͤhl iſt der Grund aller Stammes-Ehre und Stammes-Tugend auf der Erde: es macht die Erziehung zum oͤffentlichen, zum ewigen Werk: es hat alle Vorzuͤge und Vorurtheile der Menſchengeſchlechter hinabgeerbet. Daher faſt bei allen Staͤmmen und Voͤlkern die Theilnehmende Freude, wenn der Sohn ein Mann wird und ſich mit dem Geraͤth oder den Waffen ſeines Vaters ſchmuͤcket; daher die tiefe Trauer des Vaters, wenn er dieſe
ſeine
a) S. die Volkslieder, theils allgemein, theils inſonderheit die Nor- diſchen Stuͤcke Th. 1. S. 166. 175. 177. 242. 247. Th. 2. S. 210. 245.
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[189/0201]
aus ihrem eignen froͤlichen Munde a). Selbſt ihre Gebraͤu-
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ſo viel, als jene bezeichnen; noch mehr aber thaͤten es, wenn
wir Proben davon haͤtten, oder vielmehr die Reiſenden ſie be-
merkten, der Nationen charakteriſtiſche Traͤume. Jm Traum
und im Spiel zeiget ſich der Menſch ganz, wie er iſt; in je-
nem aber am meiſten.
Die Liebe des Vaters zu ſeinen Kindern iſt die zweite Tu-
gend, die ſich beim Mann am beſten durch maͤnnliche Erzie-
hung aͤußert. Fruͤhe gewoͤhnt der Vater den Sohn zu ſeiner
Lebensweiſe: er lehrt ihn ſeine Kuͤnſte, weckt in ihm das Ge-
fuͤhl ſeines Ruhms und liebet in ihm ſich ſelbſt, wenn er alt
oder nicht mehr ſeyn wird. Dies Gefuͤhl iſt der Grund aller
Stammes-Ehre und Stammes-Tugend auf der Erde: es
macht die Erziehung zum oͤffentlichen, zum ewigen Werk: es
hat alle Vorzuͤge und Vorurtheile der Menſchengeſchlechter
hinabgeerbet. Daher faſt bei allen Staͤmmen und Voͤlkern
die Theilnehmende Freude, wenn der Sohn ein Mann wird
und ſich mit dem Geraͤth oder den Waffen ſeines Vaters
ſchmuͤcket; daher die tiefe Trauer des Vaters, wenn er dieſe
ſeine
a) S. die Volkslieder, theils allgemein, theils inſonderheit die Nor-
diſchen Stuͤcke Th. 1. S. 166. 175. 177. 242. 247. Th. 2.
S. 210. 245.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/201>, abgerufen am 16.06.2024.
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