zeichnung ihrer Empfindungen, die Ausdrücke der Liebe und Hochachtung, der Schmeichelei und der Drohung, in denen sich die Schwachheiten eines Volks oft bis zum Lächerlichen offenbarena). Warum kann ich noch kein Werk nennen, das den Wunsch Baco's, Leibnitz, Sulzers u. a. nach einer all- gemeinen Physiognomik der Völker aus ihren Sprachen nur einigermaassen erfüllet habe? Zahlreiche Beiträge zu dem- selben giebts in den Sprachbüchern und Reisebeschreibern ein- zelner Nationen: unendlich-schwer und weitläuftig dörfte die Arbeit auch nicht werden, wenn man das Nutzlose vorbeiginge und was sich ins Licht stellen läßt, desto besser gebrauchte. An lehrreicher Anmuth würde es keinen Schritt fehlen, weil alle Eigenheiten der Völker in ihrem praktischen Verstande, in ih- ren Phantasieen, Sitten und Lebensweisen, wie ein Garte des Menschengeschlechts dem Beobachter zum mannichfaltigsten Gebrauch vorlägen und am Ende sich die reichste Architekto- nik menschlicher Begriffe, die beste Logik und Metaphy- sik des gesunden Verstandes daraus ergäbe. Der Kranz ist noch aufgesteckt und ein andrer Leibnitz wird ihn zu seiner Zeit finden.
Eine
a) Beispiele von diesen Sätzen zu geben, wäre zu weitläuftig; sie gehören nicht in dies Buch und bleiben einem andern Ort aufbehalten.
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zeichnung ihrer Empfindungen, die Ausdruͤcke der Liebe und Hochachtung, der Schmeichelei und der Drohung, in denen ſich die Schwachheiten eines Volks oft bis zum Laͤcherlichen offenbarena). Warum kann ich noch kein Werk nennen, das den Wunſch Baco's, Leibnitz, Sulzers u. a. nach einer all- gemeinen Phyſiognomik der Voͤlker aus ihren Sprachen nur einigermaaſſen erfuͤllet habe? Zahlreiche Beitraͤge zu dem- ſelben giebts in den Sprachbuͤchern und Reiſebeſchreibern ein- zelner Nationen: unendlich-ſchwer und weitlaͤuftig doͤrfte die Arbeit auch nicht werden, wenn man das Nutzloſe vorbeiginge und was ſich ins Licht ſtellen laͤßt, deſto beſſer gebrauchte. An lehrreicher Anmuth wuͤrde es keinen Schritt fehlen, weil alle Eigenheiten der Voͤlker in ihrem praktiſchen Verſtande, in ih- ren Phantaſieen, Sitten und Lebensweiſen, wie ein Garte des Menſchengeſchlechts dem Beobachter zum mannichfaltigſten Gebrauch vorlaͤgen und am Ende ſich die reichſte Architekto- nik menſchlicher Begriffe, die beſte Logik und Metaphy- ſik des geſunden Verſtandes daraus ergaͤbe. Der Kranz iſt noch aufgeſteckt und ein andrer Leibnitz wird ihn zu ſeiner Zeit finden.
Eine
a) Beiſpiele von dieſen Saͤtzen zu geben, waͤre zu weitlaͤuftig; ſie gehoͤren nicht in dies Buch und bleiben einem andern Ort aufbehalten.
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zeichnung ihrer Empfindungen, die Ausdruͤcke der Liebe und
Hochachtung, der Schmeichelei und der Drohung, in denen
ſich die Schwachheiten eines Volks oft bis zum Laͤcherlichen
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den Wunſch Baco's, Leibnitz, Sulzers u. a. nach einer all-
gemeinen Phyſiognomik der Voͤlker aus ihren Sprachen
nur einigermaaſſen erfuͤllet habe? Zahlreiche Beitraͤge zu dem-
ſelben giebts in den Sprachbuͤchern und Reiſebeſchreibern ein-
zelner Nationen: unendlich-ſchwer und weitlaͤuftig doͤrfte die
Arbeit auch nicht werden, wenn man das Nutzloſe vorbeiginge
und was ſich ins Licht ſtellen laͤßt, deſto beſſer gebrauchte. An
lehrreicher Anmuth wuͤrde es keinen Schritt fehlen, weil alle
Eigenheiten der Voͤlker in ihrem praktiſchen Verſtande, in ih-
ren Phantaſieen, Sitten und Lebensweiſen, wie ein Garte des
Menſchengeſchlechts dem Beobachter zum mannichfaltigſten
Gebrauch vorlaͤgen und am Ende ſich die reichſte Architekto-
nik menſchlicher Begriffe, die beſte Logik und Metaphy-
ſik des geſunden Verſtandes daraus ergaͤbe. Der Kranz
iſt noch aufgeſteckt und ein andrer Leibnitz wird ihn zu ſeiner
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/249>, abgerufen am 17.06.2024.
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