dungen aus der Natur des Menschen folgen, auch wenn kein Affe auf Erden wäre. Und gienge man gar noch wei- ter, gewisse Unförmlichkeiten unsres Geschlechts genetisch von Affen herzuleiten: so dünkt mich, diese Vermuthung sei eben so unwahrscheinlich als entehrend. Die meisten dieser scheinbaren Affen-Aehnlichkeiten sind in Ländern, in denen es nie Affen gegeben, wie der zurückgehende Schädel der Kalmucken und Mallikolesen, die abstehenden Ohren der Pevas und Amikuanes, die schmalen Hände einiger Wilden in Carolina u. f. zeigen. Auch sind diese Dinge, sobald man über den ersten spielenden Trug des Auges hinweg ist, so wenig wirklich Affenartig, daß ja Kalmucke und Neger völlige Menschen auch der Bildung des Haupts nach bleiben und der Mallikolese Fähigkeiten äußert, die manche andre Natio- nen nicht haben. Wahrlich Affe und Mensch sind nie Ein' und dieselbe Gattung gewesen und ich wünschte jeden kleinen Rest der Sage berichtigt, daß sie irgendwo auf der Erde in gewöhnlicher fruchtbarer Gemeinschaft leben. Jedem Ge- schlecht hat die Natur gnug gethan und sein eignes Erbe ge- gebena). Den Affen hat sie in soviel Gattungen und Spielarten vertheilt und diese so weit verbreitet, als sie sie
verbrei-
a) Jn den Auszügen aus dem Tagebuch eines neuen Reisenden nach Asien (Leipz. 1784.) S. 256. wird dieses noch behauptet; aber wiederum nur aus Sagen.
dungen aus der Natur des Menſchen folgen, auch wenn kein Affe auf Erden waͤre. Und gienge man gar noch wei- ter, gewiſſe Unfoͤrmlichkeiten unſres Geſchlechts genetiſch von Affen herzuleiten: ſo duͤnkt mich, dieſe Vermuthung ſei eben ſo unwahrſcheinlich als entehrend. Die meiſten dieſer ſcheinbaren Affen-Aehnlichkeiten ſind in Laͤndern, in denen es nie Affen gegeben, wie der zuruͤckgehende Schaͤdel der Kalmucken und Mallikoleſen, die abſtehenden Ohren der Pevas und Amikuanes, die ſchmalen Haͤnde einiger Wilden in Carolina u. f. zeigen. Auch ſind dieſe Dinge, ſobald man uͤber den erſten ſpielenden Trug des Auges hinweg iſt, ſo wenig wirklich Affenartig, daß ja Kalmucke und Neger voͤllige Menſchen auch der Bildung des Haupts nach bleiben und der Mallikoleſe Faͤhigkeiten aͤußert, die manche andre Natio- nen nicht haben. Wahrlich Affe und Menſch ſind nie Ein' und dieſelbe Gattung geweſen und ich wuͤnſchte jeden kleinen Reſt der Sage berichtigt, daß ſie irgendwo auf der Erde in gewoͤhnlicher fruchtbarer Gemeinſchaft leben. Jedem Ge- ſchlecht hat die Natur gnug gethan und ſein eignes Erbe ge- gebena). Den Affen hat ſie in ſoviel Gattungen und Spielarten vertheilt und dieſe ſo weit verbreitet, als ſie ſie
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a) Jn den Auszuͤgen aus dem Tagebuch eines neuen Reiſenden nach Aſien (Leipz. 1784.) S. 256. wird dieſes noch behauptet; aber wiederum nur aus Sagen.
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dungen aus der Natur des Menſchen folgen, auch wenn
kein Affe auf Erden waͤre. Und gienge man gar noch wei-
ter, gewiſſe Unfoͤrmlichkeiten unſres Geſchlechts genetiſch
von Affen herzuleiten: ſo duͤnkt mich, dieſe Vermuthung
ſei eben ſo unwahrſcheinlich als entehrend. Die meiſten
dieſer ſcheinbaren Affen-Aehnlichkeiten ſind in Laͤndern, in
denen es nie Affen gegeben, wie der zuruͤckgehende Schaͤdel
der Kalmucken und Mallikoleſen, die abſtehenden Ohren der
Pevas und Amikuanes, die ſchmalen Haͤnde einiger Wilden
in Carolina u. f. zeigen. Auch ſind dieſe Dinge, ſobald
man uͤber den erſten ſpielenden Trug des Auges hinweg iſt,
ſo wenig wirklich Affenartig, daß ja Kalmucke und Neger
voͤllige Menſchen auch der Bildung des Haupts nach bleiben
und der Mallikoleſe Faͤhigkeiten aͤußert, die manche andre Natio-
nen nicht haben. Wahrlich Affe und Menſch ſind nie Ein'
und dieſelbe Gattung geweſen und ich wuͤnſchte jeden kleinen
Reſt der Sage berichtigt, daß ſie irgendwo auf der Erde in
gewoͤhnlicher fruchtbarer Gemeinſchaft leben. Jedem Ge-
ſchlecht hat die Natur gnug gethan und ſein eignes Erbe ge-
geben a). Den Affen hat ſie in ſoviel Gattungen und
Spielarten vertheilt und dieſe ſo weit verbreitet, als ſie ſie
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Aſien (Leipz. 1784.) S. 256. wird dieſes noch behauptet; aber
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/91>, abgerufen am 17.06.2024.
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